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Ein hübscher Prospekt ist noch kein Marketing

Erst eine Gesamtstrategie bringt wirklich langfristigen Erfolg
Ein hübscher Prospekt ist noch kein Marketing

Stefanie Schlüter ist Redakteurin bei der Sympra GmbH, Stuttgart

Mancher mittelständische Unternehmer kann auf unerfreuliche Erfahrungen mit sogenannten, meist selbsternannten, Werbeberatern zurückblicken. – Nicht selten kommt es, insbesondere in der Zusammenarbeit mit Großagenturen, zu Spannungen, wenn es um das Budget oder die zeitliche Umsetzung von Konzepten geht. Dass es auch anders gehen kann, zeigen die Erfahrungen des Maschinenbauers Hermle im schwäbischen Gosheim. Die Hermle AG setzt auf Marketing als strategisches Instrument.
„Als ich vor zehn Jahren bei Hermle angefangen habe, hatte das Marketing einen ähnlichen Stellenwert wie in vielen anderen Unternehmen der Branche“, erläutert Marketingleiter Udo Hipp. Anzeigen und Prospekte wurden von der hausinternen Werbeabteilung meist in Eigenregie erstellt, mit externen Agenturen hatte man nicht viel am Hut.
„Das kostet viel Geld und bringt nicht den erwarteten Erfolg“, lautete die einhellige Meinung.
Ein erstes Umdenken setzte Mitte der 90er-Jahre ein, der neue Vorstand Dietmar Hermle erkannte die langfristigen Chancen eines strukturierten Marketingansatzes und handelte. Ein neues Produkt sollte am Markt platziert und entsprechend beworben werden. Es war ganz klar, dass Ralf Ganter die Fotos hierzu machen sollte. Schließlich arbeitete das Unternehmen schon seit vielen Jahren vertrauensvoll mit dem Fotografen und Fotodesigner aus Niedereschach zusammen. Dies führte dazu, dass sich der Maschinenbauer auf seinen Vorschlag einließ, die Maschine völlig neu und ungewöhnlich zu präsentieren: mit einer Kombination aus Maschinengrundgestell und ästhetisch zurückhaltender Aktaufnahme. „Bauchschmerzen hatten wir damals schon dabei“, erinnert sich Udo Hipp schmunzelnd. Schließlich betrat das Unternehmen damit ganz neue, in der eher konservativen Branche unübliche Wege. Doch der Erfolg gab Ganters Idee Recht: Bestplatzierungen in Fachzeitschriften waren die Folge.
Als sich Ralf Ganter zusammen mit seiner Frau Ivona Ganter dann 1999 mit der Agentur Komm zu Südpol zusammenschloss, wurde dies von Hermle aufmerksam beobachtet. „Es ist nicht so, dass wir gleich mit offenen Armen auf Südpol zugegangen wären, aber wir haben die Agentur kritisch begutachtet“, berichtet der Marketingleiter. Schließlich bestand zu Ralf Ganter ein großes Vertrauensverhältnis. Der Fotograf hatte das Unternehmen über viele Jahre freundschaftlich-hinter-fragend begleitet. Über kleinere Kampagnen tasteten Südpol und die Hermle AG sich Stück für Stück aneinander an. „Wir haben die kritischen Gespräche mit Südpol schnell zu schätzen gelernt“, sagt Hipp.
Immer häufiger wurde die Agentur beratend hinzugezogen, und nicht selten bei Themen, die mit klassischer Werbung in Sachen Prospekt- oder Anzeigengestaltung nicht mehr viel zu tun hatten. Bei der Planung eines neuen Messestands etwa machte die Agentur aktive Vorschläge und verschafft sich immer wieder einen Überblick über aktuelle Entwicklungen in Vertrieb und Produktion des Unternehmens. „Bei Treffen sprechen wir manchmal Dinge in einem Halbsatz an und einige Zeit später kommt Südpol dann plötzlich auf uns zu: Hört mal, wir haben uns Gedanken gemacht und hätten ein paar Vorschläge“, freut sich Udo Hipp über die proaktive Zusammenarbeit.
Vertrauen zur Agentur ist die halbe Miete
Bei Hermle denkt heute niemand mehr daran, mit engen Vorgabenrastern auf Südpol zuzugehen. Im Gegenteil: Das verlässliche Verhältnis bewirkt, dass ein Problem dargestellt wird, mit der Bitte um eine Lösungsmöglichkeit. „Mit Kunden wie Hermle, die bereit sind, uns den Vertrauensvorschuss zu geben, können wir Ergebnisse in ganz anderen Dimensionen erzielen“, lobt Norbert Wölbl, Geschäftsführer bei Südpol und einer der vier Gesellschafter.
Ein Beispiel hierfür ist eine Kampagne zur Personalgewinnung. „Wir haben festgestellt, dass Personalanzeigen in Tageszeitungen nicht den gewünschten Erfolg brachten“, erläutert Udo Hipp, denn sie wurden nur von Arbeitssuchenden gelesen. Gute Fachkräfte, die eigentlich mit ihrem Arbeitsplatz zufrieden sind, lesen solche Seiten in der Regel nicht. Mit dieser Aufgabenstellung trat die Hermle AG dann an Südpol heran: Eine neue Idee musste her. „Wir versuchen immer, in unseren konzeptionellen Ansätzen das Übliche zunächst komplett in Frage zu stellen“, erläutert Norbert Wölbl, der sich mit Südpol als Impulsgeber und externer Berater versteht. In der Agentur setzten sich Grafiker, Texter, Branchenkenner und Marketingfachleute zum Brainstorming zusammen und entwickelten eine Strategie, um die gewünschte Zielgruppe zu erreichen.
Eine Marke entsteht nicht von heute auf morgen
In diesem Fall entschied man sich dafür, die Zielgruppe in einem komplett anderen Umfeld anzusprechen. So werden die „Neuen“ nun auf Großplakaten im Umkreis von 50 km um Gosheim geworben, auf denen Hermle-Mitarbeiter in Freizeitsituationen zu sehen sind, mal in schwäbisch-alemannischer Fasnachtsverkleidung, mal bei der gemeinsamen Motorradausfahrt. Der Erfolg gibt der Aktion Recht: Wir bekommen gute Bewerbungen, heißt es von Seiten der Personalabteilung.
Doch das ist nicht der einzige Effekt des strategischen Marketings bei Hermle: Auch intern wird die Identifikation mit dem Unternehmen immer größer, was sich auch darin zeigt, dass beispielsweise die Mitarbeiter ihr Arbeitsumfeld von sich aus CD-konform gestalten oder Transportwagen, die durch die Firma rollen, in Eigeninitiative im Firmenrot gestrichen werden.
Für den Kunden stellt sich Hermle heute als starke Marke dar. Gebäude, Broschüren, Messestand und Anzeigenkampagnen bilden eine Linie. Nicht zuletzt dadurch, dass Südpol seinen Blick nicht nur auf die klassischen Werbeinstrumente beschränkt. Auch Vertrieb und Produktion werden in das strategische Marketing mit einbezogen. Die gesamte Darstellung des Unternehmens ist aus einem Guss, passend zum mittelständischen schwäbischen Unternehmen.
Doch die Hermle AG schätzt nicht nur den freundschaftlich-kritischen Blick, den Südpol auf das mittelständische Familienunternehmen wirft, sondern auch das scharfe Auge, mit dem die Agentur ihre eigenen Ideen und Konzepte immer wieder überprüft. „Wir haben auch schon fast druckreife Kampagnen wieder zurückgezogen, weil uns ein kleines Detail doch noch nicht ganz schlüssig erschien“, erläutert Norbert Wölbl.
Durch die strategische Ausrichtung in Sachen Marketing steht der schwäbsiche Maschinenbauer in den derzeit schwierigen Zeiten deutlich besser da als die meisten anderen Unternehmen. „Wir denken nicht daran, unser Marketing jetzt einzuschränken und wieder auf handgestricktes zurückzugreifen“, sagt der Marketingleiter. Im Gegenteil, Hermle arbeitet antizyklisch: Neue Produkte werden den Kunden auf den Messen vorgestellt. Gemeinsam mit Südpol wurden neue Prospekte entworfen – mit dem Ziel, die Kunden zu Hermle ins Haus zu bringen. „Marketing ist ein strategischer Erfolgsfaktor. Gerade in schwierigen Zeiten“, lautet das Fazit des Marketingleiters.“
Die Partner
Der Kunde:
Die Hermle AG (Gosheim) zählt zu den führenden Herstellern auf dem Fräsmaschinensektor. Hermle Universalfräsmaschinen und Bearbeitungszentren dienen der rationellen Bearbeitung von Werkzeugen, Formen und Serienteilen. Sie werden weltweit eingesetzt, insbesondere in der Medizintechnik, der optischen Industrie, der Luftfahrt- und Automobilindustrie, dem Werkzeug- und Formenbau. Das Unternehmen beschäftigt rund 560 Mitarbeiter und erzielte 2001 einen Umsatz von 161,8 Mio. Euro.
Der Dienstleister:
Die Agentur Südpol ist ein Zusammenschluss der Agenturen Komm und Inspirations-Konzepte mit Sitz in Niedereschach. Sie steht als externer Impulsgeber in der Unternehmenskommunikation für strategische Konzepte und kreative Realisierung. Mit ihren Kampagnen beschreitet die Agentur immer wieder ungewöhnliche Wege und polarisiert. Die Agentur, eng verknüpft mit einem Photostudio im Haus (Inspirations Ganter – Fotokonzepte), verfügt derzeit über 26 Mitarbeiter. 2001 erzielte Südpol einen Umsatz von 2,5 Mio. Euro, für dieses Jahr werden etwa 3,3 Mio. Euro angestrebt.
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