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Eine gute Werkstoff-Idee ist Gold wert

Glas statt Keramik, Alu statt Titan, Holz statt Kunststoff
Eine gute Werkstoff-Idee ist Gold wert

Bei Materialien sind Konstrukteure auf Spezialisten angewiesen, wenn sie weiterkommen wollen. Geeignete Ansprechpartner finden sie in Halle 4 auf dem Werkstoff-Gemeinschaftsstand unter dem Wahrzeichen der viereckigen Erdbeere.

Schadet die schlechte Konjunktur der Innovativität? Eine Antwort müssten eigentlich die Veranstalter des Gemeinschaftsstands E34 in Halle 4 geben können: Bisher war das „Innovationszentrum Ingenieur-Werkstoffe“ immer einen Besuch wert, bieten doch die hier versammelten Technologie-Unternehmen – vielfach Ausgründungen aus den Hochschulen – jedes Jahr aufs Neue unkonventionelle Lösungsansätze und Impulse für Konstrukteure. Hat die schlechte Konjunktur also auch auf Stand E34 durchgeschlagen? „Hat sie“, räumt Doris Klöckner von der Agentur Abresch-Profair ein, die den Stand organisiert. Die Zahl der Aussteller im Innovationszentrum sei auf 54 zurück gegangen – drei weniger als im Vorjahr und sechs weniger als im Rekordjahr 1996, Mitaussteller nicht gerechnet. Allerdings lässt das kaum Rückschlüsse auf die Innovativität zu. Eher ins Gewicht fällt, dass im Messe-Vorfeld viel weniger als sonst über Neues geredet wurde. „Innovationen gibt es schon”, sagt jedoch Klöckner. „Die Aussteller halten sie nur mehr unter der Decke.“ Warten auf die günstige Gelegenheit scheint angesagt zu sein – dem Besucher empfehlen sich Vier-Augen-Gespräche.

Bis 2000 °C feuerbeständig und bruchfest
Dass Innovativität vor allem mit kreativen Menschen zu tun hat und nicht primär an die Konjunktur gekoppelt ist, beweist Herbert Giesemann, mit 92 Jahren der älteste Aussteller auf dem Stand. Vor sieben Jahren kam er mit der Idee für ein neuartiges Feuerfest-Material nach Hannover. Es sollte die internationalen Standards im Brandschutzbereich übertreffen und besonders stabil sein. Der Architekt suchte Unterstützung. Inzwischen hat er sie gefunden und sein Produkt zur Marktreife gebracht. Zur Zeit ist der Senior dabei, mit Partnern die Pargis Feuerfestprodukte GmbH zu gründen, die in Tübingen die Produktion aufnehmen soll. Der Keramik-ähnliche, leichte Feuerfestwerkstoff hält Temperaturen über 2000 °C stand und ist zugleich bruchfest. Für Decken, Wandverkleidungen und Stellwände wird es ihn als Verbundplatte geben. Aber auch an Maschinenbau-Anwendungen ist gedacht. „Wir ersetzen Gehäuse-Baugruppen, die bisher sehr teuer aus Edelstahl gefertigt wurden“, nennt der künftige Geschäftsführer Jören Paulus als Beispiel. Zur Formgebung sollen sich alle Methoden eignen, die bei Keramiken gebräuchlich sind. Und noch ein Detail verrät Paulus: Die bevorzugte Verbindungsart wird das Kleben sein, weil das Material nebenbei wie ein Klebstoff wirkt. „Von Stahl ist es nur mit roher Gewalt zu lösen.“
Chemie-Wälzlager halten länger mit Glaskugeln
Neu unter den Ausstellern ist die Metawell GmbH aus Neuburg. Sie stellt eine eigenwillige Sandwich-Konstruktion für den Leichtbau vor: Zwei Deckbleche sind mit einem Kernblech in Wellenform verklebt. Zur Auswahl stehen Stahl- und Aluminiumvarianten. Um die mechanischen Kennwerte einzustellen, hat der Konstrukteur diverse Möglichkeiten: Er kann die Blechdicken zwischen 0,2 und 1,0 mm wählen und die Höhe der Wellen des mittleren Bleches variieren. Um ein Beispiel zu nennen: Ein Alu-Sandwich mit 0,8 mm Blechdicke auf der Druckseite und 0,5 mm auf der Zugseite ist 5,5 mm dick und erreicht eine Biegesteifigkeit von über 600 kNmm längs und quer zur Hauptrichtung. Ein Quadratmeter Platte wiegt dabei lediglich 4,5 kg.
Manchmal ist es ein einziger unkonventioneller Gedanke, der Innovationen anstößt: Glas zum Beispiel wird in chemischen Labors eingesetzt, verträgt sich mit den meisten Materialien und lässt sich leicht herstellen. Warum es also nicht als Konstruktionswerkstoff einsetzen, wenn problematische Umgebungsbedingungen vorherrschen? Konstrukteure denken in solchen Fällen meist an Oberflächenbehandlungen oder Sonderwerkstoffe – und damit an hohe Kosten. Die Hilgenberg GmbH in Malsfeld hingegen hat Glas als Alternative entdeckt. Das Unternehmen stellt Präzisionskugeln aus Glas her, die für Lager und Ventile oder als Förderelemente für chemische Substanzen eingesetzt werden.
Sogar Holz schickt sich an, in industriellen Anwendungen eingereicht zu werden. Dafür stehen zwei Unternehmen auf dem Gemeinschaftsstand: Die Finnforest Deutschland GmbH, Bremen, offeriert einen Doppel-T-Träger, den die Entwickler softwaregestützt ausgelegt haben. Seine Vorteile: Er sei leicht, dimensionsstabil und einfach zu verarbeiten. Und die VGTPolycom GmbH, Reinhardshagen, nutzt Holz zum Spritzgießen und Extrudieren. Der nachwachsende Rohstoff wird in Verbindung mit PP oder PE als Alternative zu den üblichen Kunststoffverstärkern eingesetzt. Bei einem Holzanteil von 30 bis 60 % erreichen die Produkte gute mechanische Eigenschaften, heißt es. Zudem sind sie gesundheitlich unbedenklich.
Substitutionen bleiben das Werkstoff-Thema schlechthin: Aluminium ersetzt Stahl und sogar Titan. Möglich macht dies das Hochleistungsmaterial Dispal der Peak Werkstoff GmbH in Velbert. Pulvermetallurgisch hergestellt wächst das Leichtmetall über sich hinaus: Festigkeit und Steifigkeit übersteigen die Werte der gebräuchlichen Alu-Legierungen um etwa 40 %, wie Peak mitteilt. Als warmfeste Legierung bewähre sich Dispal bereits millionenfach in Silitec-Zylinderlaufbahnen von Verbrennungsmotoren. Anwendungen gebe es auch im Pumpen- und Kompressorenbau, in der Hydraulik und Antriebstechnik.
Speziell für pneumatische Anlagen produziert die Esters Filtertechnik GmbH, Aachen, einen Schalldämpfer aus Cellpor, der zweierlei Vorteile bietet: Zum einen reduzieren die aus einem PE gesinterten Dämpfer den Schalldruck um 20 %. Zum anderen lassen sie sich einfach stecken anstatt schrauben. Die Tüv-geprüften Bauteile können bei Temperaturen zwischen –30 und +80 °C eingesetzt werden.
Werkstoffkombinationen, wie sie in Sägeblättern und -bändern vorkommen, nutzt die Industrie noch viel zu wenig. Das meint jedenfalls die Biennaform-Walzprofil AG aus Biel/Schweiz, die das extrem harte HSS der Schneidkanten mit dem flexiblen Trägermaterial ver-binden kann. Biennaform verwendet dafür das Elektronenstrahlschweißen. Solche Technologien lassen nahezu beliebige Werkstoff- und damit Eigenschaftskombinationen zu. So sei es möglich, hochfesten und harten Stahl mit Aluminium zu verbinden, das sich in Profilen gut formen lässt. Selbst Kunststoff und Stahl eigneten sich als Partner.
Was tun, wenn komplex geformte Metallteile so klein werden, dass spanende Verfahren auf Grenzen stoßen? Hier empfiehlt die Bernhard Förster GmbH, Pforzheim, das MIM-Verfahren (Metal Powder Injection Moulding). Es bietet Gestaltungsfreiheiten wie das Spritzgießen.
Das waren nur neun Aussteller von 54, ein Mini-Rundgang. Die große Tour durch E34 könnte sich wohl doch lohnen. os
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