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Ende der Fahnenstange noch nicht erreicht

Rapid Prototyping: Auf der Suche nach neuen Einsatzgebieten
Ende der Fahnenstange noch nicht erreicht

Ende der Fahnenstange noch nicht erreicht
Aus einer lasergesinterten Form aus Zirkonsilikatpulver entstand dieser metallische Funktionsprototyp (Bild: Fraunhofer IPT)
Rund 75 % aller Rapid-Prototyping (RP)-Teile sind Anschauungsmodelle. Da Virtual Reality in diesem Bereich immer stärker wird, muss die RP-Branche neue Anwendungsfelder und Verfahren finden.

Dr. Rudolf Meyer ist Koordinator der Fraunhofer Allianz Rapid Prototyping

Rapid Prototyping(RP)-Technologien sind weltweit zu einem unverzichtbaren Instrument für schnelle Produktentwicklung geworden. Diese Entwicklung, die mit der Entstehung der Stereolithographie begann, hat mittlerweile eine Dimension erreicht, die selbst Optimisten nicht für möglich gehalten hätten. Etwa zwei Dutzend unterschiedliche Rapid-Technologien sind verfügbar. In bestimmten Branchen wie dem Automobilbau ist die Entstehung neuer Modelle und Produkte ohne den Einsatz solcher Techniken heute nicht mehr denkbar.
Der neueste Wohlers-Report (1999) beziffert die Zahl der weltweit betriebenen RP-Anlagen auf über 5500. Nachdem in den Vorjahren sowohl bei einigen Systemanbietern als auch Dienstleistern „Sand im Auftragsgetriebe“ war, konnte im vergangenen Jahr wieder ein beachtliches Wachstum erreicht werden. Aber die weitere erfolgreiche Verbreitung der RP-Techniken scheint nicht selbstverständlich zu sein. In Bezug auf die Entwicklung von RP-Technologien differieren die Ansichten von Systemanbietern, Dienstleistern und industriellen Anwendern. Doch es ist sicher, dass die Globalisierung und Verschärfung des Wettbewerbs sowie der Wunsch nach rasch verfügbaren Modellen auch zukünftig den Einsatz leistungsfähiger Technologien erfordert. Die Frage, welche Rolle dabei die generativen Fertigungsverfahren spielen, hängt von ihren Leistungsmerkmalen im Vergleich zu alternativen Methoden ab.
Virtuelles und physisches Prototyping werden sich ergänzen
Wo aber liegt zukünftig der Hauptnutzen von Rapid Prototyping? Die Fraunhofer Allianz Rapid Prototyping erarbeitet mit einem Dutzend Instituten unterschiedliche Aufgabenstellungen, um Lösungen zu entwickeln. Beispielhaft einige Trends:
Zunächst muss festgestellt werden, dass die Relevanz der RP-Verfahren künftig weniger von der raschen Herstellung körperlicher Anschauungsmodelle oder prototypischer Muster bestimmt wird. Auch wenn heute noch die überwiegende Zahl der RP-Anwendungen diesem Ziel dient. Virtuelle Planungssysteme werden mit zunehmendem Fortschritt die Funktion der Dokumentation wichtiger Produktentwicklungszustände übernehmen. Dies wird dadurch begünstigt, dass die bisherigen Techniken für die Herstellung von Anschauungsobjekten relativ teuer in der Anschaffung sind. Andererseits sinken die Kosten für neue RP-Techniken im Büro wie Konzeptmodellern und 3D-Printer mit höheren Baugeschwindigkeiten (teilweise ein Mehrfaches der Bauleistung von 10mm/h). Die Entscheidung für das virtuelle oder stoffliche Prototyping wird also nicht leicht. Es hängt auch von der Unternehmensstruktur ab, ob sich ein körperliches Modell für die Abstimmung mit Dienstleistern besser eignet als eine Simulation auf dem Computer. Zudem werden geeignete Schnittstellenlösungen dazu beitragen, dass virtuelles und physisches Prototyping sich vorteilhaft ergänzen.
Das Streben, RP-Verfahren und die mit ihnen abbildbaren Modelleigenschaften noch besser auf die Bedürfnisse des Nutzers auszurichten, wird auch künftig die Entwicklungsanstrengungen prägen. Das führt sowohl zur Entstehung neuer Techniken, als auch zur Erweiterung und Modifizierung von Ausgangswerkstoffen. In den nächsten Jahren werden preiswerte RP-Anlagen Körpermodelle in der Konzeptphase unter Bürobedingungen erzeugen (50 000 bis 80 000 DM). Zwar erfüllen diese Modelle nur geringe Funktionsansprüche, stehen dafür aber wesentlich schneller zur Verfügung.
Die Herstellung von Werkzeugen mit Standzeiten für kleine und mittlere Fertigungsstückzahlen wird zunehmend die RP-Applikationen bestimmen. Teilweise leisten dies bereits erprobte und gerade neu entstehende Techniken. Angepasste Kombinationen von Werkstoff und Prozess werden dieses Ziel immer besser erfüllen. Hier engagiert sich die Fraunhofer Allianz stark und fördert vor allem die Entwicklung metallischer Produkte. Das Fraunhofer IPT, Aachen, hat mittels einer neuen RP-Verfahrenskette einen gebrauchsfertigen metallischen Prototypen hergestellt. Dieser entstand als Abguss einer Form, die aus Zirkonsilikatpulver lasergesintert wurde. Zu den Vorzügen dieses Ansatzes zählt die Entstehung in wenigen Prozessstufen. Andere Beispiele belegen zunehmende Fortschritte auch beim Rapid Tooling.
Die Tabelle vergleicht die Herstellung mit unterschiedlichen Generierungsvarianten für Druckgusswerkzeuge miteinander (Fraunhofer IFF, Magdeburg). Sie verdeutlicht, dass neue Prozessvarianten des Metallsinterns eine Alternative zu bestehenden Fertigungsmethoden bilden.
Anspruchsvolle Funktionseigenschaften, insbesondere für Tooling-Zwecke, werden künftig vor allem mit dem Einsatz neuer Ausgangswerkstoffe verbunden sein. Häufig sollen dabei Werkstoffe für den Einsatz von Rapid Prototyping nutzbar gemacht werden, die sich im herkömmlichen Werkzeugbau bewährt haben. Ein Beispiel sind die verschiedenen Kalt- und Warmarbeitsstähle. Derartige Untersuchungen erweisen sich als sehr aufwendig, weil die verschiedensten Prozessparameter aufeinander abgestimmt sein müssen, bevor die Funktionseignung nachgewiesen werden kann. Das Dresdner Fraunhofer IWS hat ein Werkzeug aus einem lasergesinterten Vergütungsstahl entwickelt, das im Kunststoffspritzguss zum Einsatz kommt. Ein wichtiges Ziel solcher Lösungsansätze besteht darin, im Vergleich zu bisherigen gesinterten Werkzeugen eine höhere Lebensdauer zu erreichen.
Entwicklungspotenziale zur wirksameren Anwendung von RP-Verfahren liegen aber nicht nur im stofflichen oder Verfahrensbereich, sondern ebenso im Bereich der Informatik. Um die Prozesse effektiver zu gestalten, werden einerseits Modellschnittstellen entwickelt. Anderseits senken allein schon entsprechende Optimierungs- und Steuerungsmodule die Baugeschwindigkeiten bei der Modellgenerierung. So hat das Berliner Fraunhofer IPK mit angepassten, variablen Schichtdicken die Bauzeiten um etwa 20% reduziert (adaptives Slicing).
Diese Beispiele aus der Fraunhofer Allianz Rapid Prototyping können nur stellvertretend für die weltweiten Bemühungen stehen, mit Rapid Prototyping noch höhere Ansprüche zu erfüllen und neue Anwendungsbereiche zu erobern. Sie machen aber auch sichtbar, dass mit den bisherigen Möglichkeiten das Ende der Fahnenstange noch nicht erreicht ist.
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