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Energieverschwendern auf der Spur

Verbundprojekt EnEffAH deckt ungenutzte Geldquellen in der Produktion auf
Energieverschwendern auf der Spur

Als Sparprogramm mit vielfacher Wirkung lässt sich etikettieren, was ein Verbundprojekt unter dem Akronym EnEffAH zutage gefördert hat: immense Einsparpotenziale und Optimierungsmöglichkeiten im Bereich der Antriebs- und der Handhabungstechnik.

Nicht genutzte Möglichkeiten der Energierückgewinnung, falsch eingesetzte Komponenten im Druckluftsystem oder überdimensional ausgelegte Automatisierungstechnik treiben den Energiehunger in Industriebetrieben unnötig in die Höhe. Dass hier in beträchtlichem Umfang Geld gespart werden kann, beweisen die Ergebnisse des Forschungsprogramms EnEffAH. Die Abkürzung steht für „Energieeffizienz in der Produktion im Bereich der Antriebs- und Handhabungstechnik“ und diente einem vom Bundeswirtschaftsministerium geförderten Forschungsverbund aus Industrie und Wissenschaft dreieinhalb Jahre lang als Leitlinie.

Den Praxisteil im Projektkonsortium deckten Festo, Kaeser Kompressoren und Metronix ab, den Forschungspart bildeten das Institut für Systemdynamik (isys) sowie das Institut für Leistungselektronik und Elektrische Antriebe (ILEA) der Universität Stuttgart wie auch das Fraunhofer ISI aus Karlsruhe.
Unter allen Ressourcen für eine nachhaltige Stromversorgung hat die Energieeffizienz das größte absolute Wachstumspotenzial, weiß ISI-Forscher Prof. Dr. Harald Bradke. „Was nicht verbraucht wird, muss nicht erzeugt werden“, bringt Prof. Dr. Oliver Sawodny vom Stuttgarter isys das Prinzip auf einen einfachen Nenner. Um die Energieeffizienz in der Antriebs- und Handhabungstechnik grundlegend zu verbessern, musste laut Sawodny zuerst „ein systemischer Zugang geschaffen werden“. Indem sie dynamische Modelle schufen, verfügen die Forscher nun über eine entsprechende validierte Basis an Simulationen. Mit deren Aussagekraft lässt sich sodann die Energieproduktivität beurteilen.
Damit hatten die Projektpartner die Basis für den nächsten Schritt gelegt. Mit Hilfe ihrer dynamischen Modelle und Simulationstools konnten nun Fragen beantwortet werden, wie Systeme auszulegen und zu projektieren sind, um die Kriterien der Energieeffizienz zu erfüllen. Da es nun ans Analysieren und Optimieren der Auslegung einer Anlage wie auch deren Betrieb gehen konnte, kamen sie den Energieverschwendern auf die Spur. Dabei nahmen sie nicht nur den einzelnen Pneumatikzylinder ins Visier, sondern die gesamte Energiekette von der Erzeugung bis zum Verbraucher – also von der Kompressorstation über die Rohrleitungsnetze und Speicher bis zu den verschiedenen Verbrauchsstellen. Nur damit sei man in der Lage, beschreibt isys-Forscher Sawodny, „die eigentliche Anwendung zu optimieren“. Damit soll die praktische Umsetzbarkeit der gewonnenen Erkenntnisse gewährleistet werden.
Die Forschungsergebnisse zeigen, dass „die Energieeffizienz einer Anlage maßgeblich von der Wahl des richtigen Technologiemix bestimmt wird. Diese wiederum hängt von der Anforderung der Applikation ab. Deshalb war es uns wichtig, Anwendern die jeweiligen Stärken der Komplementärtechnologien Pneumatik und Elektrik transparent zu machen“, erklärt Dr. Peter Post, Leiter Research and Programme Strategy bei Festo. „Eine gut durchdachte Auslegung von Antriebskomponenten bietet ein Einsparpotenzial von bis zu 70 Prozent“, bekräftigt Post. So lassen sich beispielsweise durch ein im Forschungsverbund entwickeltes Tool die Eigenschaften (dynamisch, statisch) von technischen Systemen simulieren, analysieren oder vorhersagen, wie sich der Antrieb in Bezug auf seinen Energieverbrauch verhält und welche Komponente sich für eine bestimmte Applikation am besten eignet.
Auch das Thema Wärmerückgewinnung unterschätzen die Anlagenbetreiber vielfach. Hier will die Studie gleichfalls unterstützende Aufklärungsarbeit leisten. „Fast in jedem Industriebetrieb ist die Wärmenutzung von Kompressoren möglich, wird aber nicht betrieben“, weiß Erwin Ruppelt, leitender Projektingenieur bei Kaeser Kompressoren. Falsch eingesetzte Komponenten im Druckluftsystem könnten so zu bis zu 20 % höheren Energiekosten führen, die sich leicht vermeiden ließen.
In Zeiten weiter steigender Strompreise ist dies ein nicht zu unterschätzender Wirtschaftsfaktor. Dabei sind nicht die vielleicht notwendigen Investitionskosten für eine eventuelle Optimierung das Problem. Vielmehr wären die meisten Unternehmen sich gar nicht darüber bewusst, was da in ihren eigenen Räumen an Potenzial schlummert, gibt Ruppelt zu bedenken. „Viele Firmen wissen einfach nicht, dass sie in diesem Bereich das Geld quasi zum Fenster hinauswerfen und sie massiv sparen könnten“, drängt er zum Umdenken.
Ein beachtliches Einsparpotenzial bergen auch die Kompressorstationen selbst respektive ihre Auslegung. Hier werde sehr hemdsärmelig vorgegangen, kritisiert Wissenschaftler Sawodny. Dabei könne man durch analysierte Verbrauchsszenarien optimierte Stationen auslegen und daraus entsprechende Betriebsstrategien entwickeln. Dies gelinge mit geeigneten dynamischen Modellen von Schraubenkompressoren samt der elektrischen Antriebstechnik und der zugehörigen Leistungselektronik. Zudem stünden Methoden bereit, um Leckagen zu detektieren. Diese würden in der betrieblichen Praxis oft kaum bemerkt, gelten aber als einer der größten Verlustbringer in der Drucklufttechnik.
Auch Methoden, wie die Energieeffizienz eines Verteilungsnetzes zu bewerten und möglichst optimal auszulegen ist, wurden in dem Verbundprojekt entwickelt. Die Krux ist, dass Druckluftnetze oft historisch gewachsen sind. Von einer Optimierung der Struktur sind die Betriebe weit entfernt. Korrekt ausgelegte Rohrsysteme sind für einen effizienten und energiesparenden Einsatz von Druckluft aber äußerst wichtig. So weist Erwin Ruppelt darauf hin, dass die Länge der Leitungen, deren Durchmesser, die Größe des Netzes und dessen Struktur dabei eine entscheidende Rolle spielen, greift der Kaeser-Ingenieur ein Studienergebnis auf. Für die Coburger selbst hat dies einige interessante Ansatzpunkte für Weiterentwicklungen geliefert. Weitere unterstützende Werkzeuge sollen eine noch individuellere und innovativere Beratungsleistung ermöglichen.
Bei alldem ist es dem Konsortium wichtig, dass „keine Pauschalurteile gefällt werden“. Laut Prof. Sawodny müsse vielmehr jede Handhabungsaufgabe im Detail betrachtet werden, um profund urteilen zu können, wie die Energieeffizienz der jeweiligen Lösung im Kontext zu sehen sei. Die Projektpartner wollen nicht nur für das Thema sensibilisieren. Ihnen geht es vor auch darum, Möglichkeiten zu vermitteln, wie sich eine energieeffiziente Antriebs- und Handhabungstechnik ausgestalten lässt. Denn einerseits gibt es für jede Technik den optimalen Einsatzbereich. Andererseits sind weder Elektrik noch Pneumatik alleine die ideale Lösung für eine wirtschaftliche Produktion. Mitunter ist eine Kombination beider Techniken sinnvoll.
Der Technologievergleich zwischen elektrischer und pneumatischer Antriebstechnik brachte es an den Tag: „Je kleiner die Hublänge, je größer die Endlagenkraft und je länger die Haltedauer, desto effizienter ist die Pneumatik“, lautet die Faustformel. Umgekehrt gilt: „Je größer die Hublänge, je geringer die Endlagenkraft und je kürzer die Haltedauer, desto vorteilhafter ist die Elektrik“.
Häufig werde aber vergessen, so Sawodny, dass ein Pneumatikzylinder meistens zwei Handhabungsaufgaben erfüllt: er bewegt eine Last, die er zugleich sichert oder hält. Diese zweite Funktion laufe beim Elektroantrieb im Hintergrund und werde nicht betrachtet. Je größer aber die Endlagenkraft und je länger die Haltedauer werde, desto mehr verschlechtere sich der E-Antrieb energetisch. „Ab dem Break-even-Point spielt die Druckluft wieder ihre Vorteile aus“, plädiert der Wissenschaftler dafür, diese Entscheidungsgrenze zu ermitteln.
Weitere Informationen: www.eneffah.de. Im Rahmen des vom Bundeswirtschaftsministerium und dem Projektträger Jülich geförderten Verbundprojekts ist eine umfangreiche Broschüre erschienen. Hierin sind die Grundlagen und Maßnahmen detailliert beschrieben. Anwendern dient die Broschüre als Orientierungshilfe, um Antriebs- und Handhabungstechnik energieeffizient auszugestalten.
Industrieanzeiger
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