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Erst mal vor der eigenen Haustür schauen

Global Sourcing: Osteuropa mit weniger Risiken behaftet
Erst mal vor der eigenen Haustür schauen

Global Sourcing ist das Thema Nummer eins in den Einkaufsabteilungen Deutschlands. Trotz der enormen Kostenvorteile, die Länder wie China oder Indien bieten, etablieren sich die mittel- und osteuropäischen Staaten für Beschaffer zunehmend als wettbewerbsfähige Alternative.

Die Beschaffung in Niedriglohnländern ist für deutsche Einkäufer zunehmend eine Chance, Kosten zu senken. Dies zeigt eine Umfrage des Einkäuferverbandes BME mit dem Beratungsunternehmen Accenture: Danach verfügen bereits drei Viertel aller Unternehmen über mehrjährige Erfahrung mit der Beschaffung in so genannten Near-Shore-Ländern. Dazu zählen in erster Linie die unmittelbaren Nachbarstaaten Deutschlands, aber auch Länder Mittel-, Ost- und Südeuropas.

Allerdings zeigt die Befragung, dass die Unternehmen hierzulande noch Nachholbedarf bei der weltweiten Beschaffung haben: In puncto Einsparungen beispielsweise liegen sie um gut ein Fünftel hinter dem weltweiten Durchschnitt.
Dabei ist die Chance zu Einsparungen der wesentliche Vorteil des internationalen Einkaufs. Dieser Vorteil resultiert in den MOE-Ländern im Wesentlichen aus den geringeren Arbeitskosten. Sie liegen dort einschließlich Personalzusatzkosten in der Regel deutlich unter fünf Euro pro Stunde, während sie in Deutschland im Mittel knapp 25 Euro pro Stunde erreichen.
Ein weiterer Vorteil: die vergleichsweise kurze Entfernung zu den jeweiligen Partnern. „Dies bedeutet in der Regel geringere Logistikaufwendungen und -risiken und kurze Abstimmungswege“, erläutert Ralf Fleer, Leiter Einkauf bei der Neoman Bus GmbH. Die Bus-Sparte der Münchner MAN-Gruppe bezieht beispielsweise vorgefertigte Komponenten und Zulieferteile unter anderem aus dem Werk im polnischen Stacharowice.
„Für Mittelständler, aber auch für größere Unternehmen, sind geographisch näher liegende Länder mit sehr günstigem Kostenniveau eine echte Alternative zu einem Engagement beispielsweise in Ostasien“, meint Prof. Dr. Ronald Bogaschewsky, Mitglied des Vorstands im Bundesverband Materialwirtschaft, Einkauf und Logistik (BME). Er verweist darauf, dass der Basisaufwand für ein Engagement in China oder Indien in der Regel so hoch ist, dass nur Beschaffungen im Wert von mindestens 1 Mio. Euro in diesen Ländern wirtschaftlich gestaltet werden können. „So groß die Potenziale dann auch sein mögen“, so Bogaschewsky, „der Mittelstand hat hier oft andere Größenordnungen vor Augen.“
Interessante Märkte sieht der Experte in erster Linie in Bulgarien und Rumänien sowie in der Ukraine und in Russland. Hinsichtlich der Rahmenbedingungen für Unternehmen, der wirtschaftlichen Freiheit und der Korruption lägen diese Länder zwar auf hinteren Plätzen, jedoch würden sie mit ihren extrem niedrigen Arbeitskosten zum Teil deutlich unter denen der neuen EU-Mitgliedsstaaten liegen. Bogaschewsky: „In Verbindung mit der relativen Nähe zum Standort Deutschland eröffnen sich durchaus Perspektiven.“
So sind zahlreiche Unternehmen bereits mit kostenintensiven Produktionen von Tschechien, Polen oder Ungarn weiter gen Osten gezogen. Sie nutzen die Chancen, die ihnen die niedrige Kostenstruktur dort bietet. „Allerdings wächst der organisatorische Aufwand“, weiß Bogaschewsky, „da geringere Löhne immer auch darauf basieren, dass diese Länder sich noch auf einer weniger entwickelten Stufe befinden.“ Als relativ risikoarm dürfen Investitionen in den neuen EU-Staaten angesehen werden. Große Unternehmen haben mit ihren Engagements, die teilweise bis in die Zeiten des Eisernen Vorhangs zurückreichen, den Boden bereitet für eine heute gut funktionierende Marktwirtschaft und eine Infrastruktur, von der auch kleine und mittlere Betriebe profitieren können.
Zu den Vorreitern gehört der Ingolstädter Automobilhersteller Audi: Anfang Juli lief im Auto- und Motorenwerk im ungarischen Györ der zehnmillionste Motor vom Band. Bei der Jubiläumsveranstaltung lobte Produktionsvorstand Jochem Heizmann die ungarischen Arbeiter. Györ sei längst mehr als ein Produktionsstandort. Es sei zu einem eigenständigen Tochterunternehmen mit Bestwerten in der Qualität herangewachsen. 1994 startete Audi mit der Motorenfertigung in der nordwestungarischen Stadt. Damals wurden täglich 400 Motoren gebaut, derzeit sind es 6900. Alle 15 Sekunden gleitet ein Vier-, Sechs- oder Achtzylinder vom Band.
Die Produktion in Ungarn ermöglicht es dem Automobilhersteller, die Kosten vergleichsweise niedrig zu halten. Und das bei gleichbleibender Qualität. Nur etwa 20 % der Zulieferteile kommen von ungarischen Lieferanten, 80 % von deutschen.
Zu ihnen zählt die Bosch Rexroth AG, ein alter Hase auf den Märkten Mittel- und Osteuropas. Bereits Mitte der 70er-Jahre verkaufte Rexroth Lizenzen an mehrere Länder der Region. „Egal, wo unsere Kunden hingehen – wir sind schon da“, beschreibt Friedrich J. Bader, Geschäftsführer Regionalmanagement Mittel- und Osteuropa, die Maxime seines Unternehmens. Aktuell erweitert Rexroth seinen weltweiten Fertigungsverbund mit weiteren Werken für die Produktion von Hydraulikkomponenten in der Türkei und Komponenten für die Lineartechnik in Rumänien. Und stützt damit auch den Standort Deutschland. „Fünf bis sechs Arbeitsplätze im Ausland“, betont Bader, „sichern einen hochqualifizierten im Inland.“ jk
Kostenintensive Produktionen ziehen weiter Richtung Osten
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