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Generativ zur Kleinserie

Rapid-Technologien: Alternative Konzepte für die serienfertigung
Generativ zur Kleinserie

In vielen, oft hochpreisigen Produktbereichen geht der Trend hin zur Kleinserienfertigung. Rapid-Technologien, die diese Entwicklung unterstützen, gibt es genug. Allerdings ist nicht jedes Verfahren für alle Anwendungen und Stückzahlen geeignet. Genaues Hinschauen lohnt sich und legt die Basis für ein erweitertes Produktspektrum des Mittelständlers – hier eine Verfahrensübersicht.

„Ob Rapid-Technologien eine Kleinserienfertigung ermöglichen, ist keine Frage der Verfahren“, meint Prof. Andreas Gebhardt, Geschäftsführer der CP – Centrum für Prototypenbau GmbH in Erkelenz. Vielmehr hänge es davon ab, wie ein Teil konstruiert worden sei. „Legt ein Konstrukteur sein Teil von vornherein für die Produktion mit einer geeigneten Rapid-Technologie aus, so lassen sich damit durchaus Serienteile herstellen“, sagt Gebhardt. Schon Anfang der 90er-Jahre gab es industrielle Anwendungen, bei denen Stereolithographie-Bauteile als Serienteile zum Einsatz kamen. Dort, wo damals zum Beispiel noch mangelnde Festigkeit oder UV-Beständigkeit der Teile gegen eine Serienproduktion sprachen, gibt es heute verbesserte Werkstoffe. Gebhardt: „Insbesondere sind hier gefüllte Polymerwerkstoffe zu nennen, bei denen beispielsweise Nano-Partikel die Wärmeformbeständigkeit verbessern.“

Allen Stereolithographie-Verfahren gemein ist, dass sie flüssige Ausgangsmaterialien mit Hilfe von Licht schichtweise verfestigen. Drei Methoden konkurrieren miteinander:
  • Klassische Stereolithographieverfahren wie von 3-D-Systems, die einen Laserscanner-Mechanismus für die Belichtung nutzen
  • Polymerdruckverfahren wie zum Beispiel von Objet, bei denen Hochenergielampen zum Einsatz kommen
  • Maskengesteuerte Verfahren etwa von Envisiontec, die über einen Beamer und eine aufgebrachte Maske belichten.
Innerhalb von drei bis vier Jahren, nachdem die ersten Stereolithographie-Anwendungen von sich reden machten, positionierten sich alle noch heute gültigen Grundverfahren: Sinter- und Laminattechnologien, Extrusionsverfahren und das 3-D-Drucken.
Eine herausragende Stellung haben heute Sinterverfahren erreicht – sei es mit Laser- oder Infrarot-Strahlung –, weil sich mit ihnen so gut wie alle Polyamide seriennah verarbeiten lassen. Dabei wird schichtweise pulverförmiges Ausgangsmaterial üblicherweise durch einen CO2-Laser oder Nd:YAG-Laser an der Oberfläche gesintert oder vollständig aufgeschmolzen und wieder verfestigt. Sinterverfahren sind auch für das Verarbeiten metallischer Materialien gut geeignet.
Zunehmende Bedeutung haben Extrusionsverfahren erlangt, bekannt als Fused Deposition Modeling (FDM), mit denen sich Werkstücke ebenfalls schichtweise aus einem schmelzfähigen Kunststoff aufbauen lassen. Bei diesen Verfahren sind zwar Abstriche bei der Oberflächenqualität zu machen, es ist aber für eine ganze Reihe interessanter Materialien geeignet wie ABS, Polyamid und Polyphenylsulfonen (PPSF), einem Hochtemperaturkunststoff. Die generierten Bauteile kommen hauptsächlich für Testzwecke zum Einsatz, bei denen nicht Oberflächenqualität, sondern Material und Genauigkeit im Vordergrund stehen. Hersteller ist vor allem Stratasys.
Eine Technologie, die ebenfalls in letzter Zeit auf sich aufmerksam gemacht hat, ist das Schichtlaminieren. Früher als Papierschichttechnologie LOM bekannt, gibt es diese Verfahren heute auch mit Kunststoff- und Aluminiumfolien, mit denen sich sowohl Bauteile als auch Werkzeuge für Kleinserien herstellen lassen. Von Solidica unter dem Namen Ultrasonic Consolidation entwickelt, werden dabei Aluminium- oder Keramik-Folien durch Ultraschallschweißen miteinander verbunden und durch Fräser bearbeitet.
„Bei Kleinteilen mit Stückzahlen bis etwa 100 ist heute das Lasersintern das Verfahren der Wahl“, so Gebhardt. „Diese Technologie wird sich durch den Preisverfall bei Lasern noch weiter durchsetzen.“ Für größere Serien sei die Prozesskette Stereolithographie und Vakuumgießen geeignet. Dabei ist das Vakuumgießen kein generatives Verfahren, sondern es setzt auf generativ erzeugte Urmodelle auf. Insbesondere bei häufigem Farbwechsel bietet sich diese Vorgehensweise an, da sowohl beim Spritzgießen als auch beim Lasersintern Farbwechsel mit einem größeren Aufwand verbunden sind.
Eine ganze Reihe von Anwendungen gibt es mittlerweile auch für das FDM-Verfahren. Beispielsweise setzt ein großer Hersteller von Fotokopierern in seinen Seriengeräten bereits FDM-Bauteile ein. Auch bei den 3-D-Druckverfahren, die den jeweiligen Werkstoff direkt durch Düsen auftragen und verfestigen, gibt es seit einigen Jahren Anwendungen.
„Heute ist klar geworden, dass alle Verfahren neue Perspektiven aufzeigen“, erklärt Gebhardt. „Dies hängt mit der zunehmenden Spezialisierung in der Produktion und mit der größeren Werkstoffauswahl zusammen.“ Bei den Anlagen geht der Trend in Zukunft weg von den heute noch notwendigen manuellen Schritten hin zu einer höheren Automation der Prozesse. Auf der Software-Seite sind ebenfalls noch einige Entwicklungen zu erwarten. Schon heute ist keine tiefgehende CAD-Ausbildung mehr nötig, um mit den Systemen zu arbeiten. Mit den steigenden Stückzahlen der Maschinen werden auch die Preise fallen. „Mittlerweile haben die Hersteller solcher Anlagen ihre Grundentwicklungskosten gedeckt“, bemerkt der Geschäftsführer des Erkelenzer Dienstleisters.
Kunststoffverarbeitern, die generative Methoden einsetzen möchten, gibt Gebhardt den Rat, nicht auf technologisch zweifelhafte Verfahren zu setzen. Gefährlich werde es etwa, wenn sich ein Interessent nur im Web nach Verfahren erkundigt. So gebe es Anbieter, die ihre Maschinen, Materialien und Software regelmäßig ersetzen, so dass sie mit den alten nicht mehr kompatibel sind.
Sinnvoll sei es, zunächst festzustellen, wo genau im Unternehmen der „Schuh drückt.“ Sind zum Beispiel häufig Varianten zu fertigen, sollte ein Verarbeiter abklären, ob sein Auftraggeber generell mit der Anwendung generativer Verfahren einverstanden ist. Dann sind die möglichen Verfahren daraufhin zu prüfen, mit welcher Qualität und zu welchen Kosten sie arbeiten. Anhand der Stückzahlen ist dann noch nachzurechnen, ob es sich lohnt, eine eigene Anlage anzuschaffen oder einen Dienstleister mit der Produktion zu beauftragen. Meist sei, so Gebhardt, die Kooperation mit einem Dienstleister vorzuziehen, da er sowohl das Know-how besitzt als auch die Möglichkeit hat, verschiedene Technologien einzusetzen.
Ratsam sei es in jedem Fall, Testmuster von den zu produzierenden Bauteilen herstellen zu lassen und diese Muster auch selbst zu prüfen. „Es gibt eine ganze Reihe von Testinstituten, die zwar nicht alle unbedingt für Rapid-Technologien zertifizierte Verfahren zur Verfügung stellen“, weiß Gebhardt. „Für eine Abschätzung, ob der gewählte generative Prozess den Ansprüchen genügt, reichen solche Tests aber meistens aus.“
Trotz alledem haben kleine und mittlere Unternehmen aber nur dann eine Chance, sich auf Rapid-Technologien einzulassen, wenn die großen OEM diesen Weg mitgehen. „Sie können als kleine Firma hervorragende serientaugliche Produkte mit innovativen Verfahren herstellen“, gibt Gebhardt zu bedenken. „Aber wenn Ihr OEM dies nicht akzeptiert oder einen vollständigen Erstmusterprüfbericht verlangt, der ein Vielfaches der Produktionskosten einer solchen Kleinserie verschlingen kann, dann haben Sie mit diesen Verfahren keine Chance.“ Sollen innovative Kleinserienverfahren eine neue Chance für den Mittelstand sein, so Gebhardt, „brauchen wir eine offene Diskussion mit den Qualitätsverantwortlichen in den Unternehmen, die solche Produkte in Zukunft abnehmen sollen.“
Christian Bothur Fachjournalist in Düsseldorf
Rapid-Bauteile kommen in Fotokopierern zum Einsatz
Testmuster sind der erste Schritt zur Rapid-Kleinserie

Marktchancen
Generative Verfahren bieten gerade kleinen und mittleren Kunststoffverarbeitern die Chance, ihr Produktionsspektrum zu erweitern. In diesem Sektor haben sich spezialisierte Rapid-Prototyping-Dienstleister etabliert, die sich auftragsbezogen in bestimmte Projekte einbinden lassen und dabei helfen können, den Invest in Grenzen zu halten. Doch nicht allein dies: Mit der Möglichkeit, auf Anfragen schnell zu reagieren, gewinnt der Verarbeiter einen zusätzlichen Vorteil gegenüber großen, finanzstärkeren OEM.

Schmelzen statt Sintern
Lasersintern, Lasergenerieren, Laserschmelzen, Lasercusing – vor allem bei den Metallverfahren sind viele Begriffe heute eher marketing- als technikorientiert und sorgen bei Interessierten oftmals für Verwirrung. Wichtig ist zu wissen, dass alle Verfahren, die im Rapid Tooling heute dichte Bauteile generieren sollen, das Material vollständig aufschmelzen müssen. Bei Verfahren, die das Metallpulver nur sintern, also an der Oberfläche aufschmelzen, muss dieses noch infiltriert werden, sollen wirklich dichte Bauteile entstehen. Infiltration verändert allerdings die Werkstückeigenschaften.

Technologieträger Laserstrahl

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NACHGEFRAGT

Welche Rapid-Technologien eignen sich am besten für die Kleinserienfertigung in der Kunststoffverarbeitung?
Dies hängt von vielen Faktoren ab wie Stückzahl, Anwendung, Teilekomplexität und Flexibilität des Rapid-Tooling-Konzepts. Die Stückzahl kann von 50 bis zu einigen 10 000 reichen. Beim Spritzgießen von Kleinserien eignet sich zum Beispiel das Verfahren Space Puzzle Molding SPM. Hier bestehen die „Puzzle“-Formen hauptsächlich aus Aluminium. Bei sehr geringen Stückzahlen ist auch das Vakuum-Gießverfahren mit Silikonformen geeignet.
Ist in den nächsten Jahren mit neuen Rapid-Tooling-Verfahren zu rechnen?
Auf jeden Fall. Das Potenzial für lasergesinterte Werkzeugeinsätze ist noch nicht ausgeschöpft. Hier wird es verstärkt Anwendungen geben, wenn die Maßgenauigkeit und die Oberflächengüte so optimiert sind, dass der Formenbauer nicht mehr nacharbeiten muss. Zunehmen wird auch der Einsatz lasergefertigter Teilbereiche. Hier denke ich etwa an Schmelzrippen und Dichtungskonturen.
Welchen Stellenwert wird der konventionelle Formenbau gegenüber Rapid-Tooling-Verfahren künftig noch haben?
Dies gibt der Markt selbst vor. Auch Protoform zum Beispiel stammt aus dem konventionellen Formenbau. Wir spezialisierten uns ausschließlich auf spritzgegossene Prototypen und Kleinserien mit dem eigens entwickelten SPM-Verfahren, als der Bedarf danach ständig anstieg. Der Formenbauer an der Werkbank mit seiner Fachkompetenz verliert dennoch nicht an Bedeutung. Ziel ist es jedoch, die zeitintensive Handarbeit beim Formenbauen möglichst gering zu halten. Dies setzt den gezielten Einsatz von bewährten CAD/CAM-Fertigungsverfahren wie der HSC-Technik voraus.
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