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Jede Leistung sollte einen Nutzen bringen

Prozesskostenanalyse macht Mitarbeiterproduktivität transparent
Jede Leistung sollte einen Nutzen bringen

Nur wer die Gesamtprozesse im Unternehmen erfasst, kann qualitative Aussagen treffen zu Kundenrentabilität und Mitarbeiterproduktivität. Dies könnte Gewinn bringend sein für Unternehmen, bei denen die Gemeinkosten in den Vorjahren stark angestiegen sind.

Willi ist erleichtert. Seine Acht-Stunden-Schicht in der Fertigung eines industriellen Großunternehmens ist vorbei. Er wirft einen zufriedenen Blick auf sein Tagwerk, fein säuberlich aufgelistet in der elektronischen Zeiterfassung: Wieder hat er alles in der vorgesehenen Zeit geschafft und liegt voll im Plan – sein Chef wird mit ihm zufrieden sein. Gleichzeitig stellt Walter, Mitarbeiter im Vertrieb, müde und frustriert sein Auto ab. Seit Tagen fährt er von Kunde zu Kunde, berät und argumentiert, und kommt dennoch mit leeren Händen zurück: Neue Aufträge sind Fehlanzeige.

Dabei haben andere Abteilungen ihm wichtige Zusatzinformationen für seine Gespräche geliefert, und die Kollegen haben ihn mit notwendigen Berechnungen und Kostenvoranschlägen versorgt. Walter hatte für seine Kunden-Termine zahlreiche „Dienstleistungen“ im eigenen Haus angestoßen, die Geld kosten, ohne einen Gewinn zu erwirtschaften. Sind die Kunden, in die er in den letzten Tagen viel Zeit investiert hat, überhaupt rentabel oder eher ein „Draufzahl-Geschäft“?
Während Willi darauf dank der elektronischen Analyse eine Antwort geben kann, muss Walter passen: In seiner Abteilung wird nur die bloße Anwesenheit erfasst, die Prozesskosten werden dagegen nicht ausgewertet. Dieses Missverhältnis hätte keine Chance mehr, wenn die Prinzipien der Prozesskostenanalyse, die Dienstleistungsunternehmen schon lange verinnerlicht haben, auch auf alle Abteilungen in Industriebetrieben übertragen würden.
Warum besteht überhaupt diese Diskrepanz zwischen „Fertigung“ und „Verwaltungstrakt“? Doch nicht etwa, weil die Arbeitszeit eines Sachbearbeiters oder eines Geschäftsführers weniger wert ist als die eines Arbeiters in der Fertigung? Wohl kaum. Die Ursache für diese Widersprüchlichkeit ist in der Entwicklung der Industrieunternehmen in den vergangenen Jahrzehnten begründet. Der Begriff der „Gemeinkosten“ hat sich stark gewandelt: Früher fielen diese Kosten kaum ins Gewicht, weil niemand wirklich um Aufträge kämpfen musste. Ein umfangreicher „Apparat“ für Angebote oder Akquise war also nicht notwendig.
Das ist heute anders: Die Gemeinkosten sind in den vergangenen Jahren enorm gestiegen und machen nicht selten 50 % und mehr aus. Denn bereits im Vorfeld der Produktion, um einen Auftrag überhaupt zu bekommen oder einen neuen Kunden zu gewinnen, müssen heute zahlreiche „Dienstleistungen“ erbracht werden.
Die notwendigen Aufwendungen dafür sind von Fall zu Fall unterschiedlich. Manchem Käufer genügt ein einziges Angebot, für andere Interessenten müssen dagegen fünf oder mehr Kostenvoranschläge erstellt werden. Dazu kommen Zusatzleistungen von einfachen Skizzen bis hin zu detaillierten Plänen, die als Know-how im Vorfeld eines Auftrags quasi kostenlos zur Verfügung gestellt werden, um etwa bei einer Ausschreibung mitbieten zu dürfen. Alles zeitaufwendige Aktivitäten, die zwar sicherlich nicht unproduktiv sind, dem eigenen Betrieb aber erst einmal Kosten verursachen statt Geld einzubringen.
Dennoch werden die Prozesskosten in der Praxis immer noch stiefmütterlich behandelt. Die Arbeiter, die in der Fertigung am Band oder an den Maschinen stehen, erfassen ihre Arbeitszeit in der Regel minutengenau. Nicht so im vorgeschalteten „Verwaltungstrakt“: Hier halten nach wie vor die wenigsten Sachbearbeiter, Verkaufsleiter oder Geschäftsführer fest, wie viel ihrer Arbeitszeit sie auf welchen Kunden oder welches Projekt verwandt haben – obwohl die Erfassung nur ein paar Minuten Arbeitszeit kosten würde. Da in der Regel nur über das Produkt abgerechnet wird, das am Ende die Fertigungshalle verlässt, kann ohne Prozesskostenerfassung in allen Abteilungen keine qualifizierten Aussagen darüber getroffen werden, ob der Kunde schon im Fertigungs-Vorfeld rentabel war. Dabei haben die dort erbrachten Leistungen genauso zum erfolgreichen Abschluss des Projekts beigetragen wie die Umsetzung in der Produktion.
Die Vorteile, die die Auswertung der Kundenrentabilität und der Mitarbeiterproduktivität mit sich bringen, haben viele Dienstleister schon längst erkannt. Auch Industrieunternehmen können davon profitieren – unter der Voraussetzung, dass sie Gesamtprozesse erfassen und analysieren. Grundlage ist auch, im Unternehmen mehr Bewusstsein für die eigenen Leistungen zu schaffen. Folgende vier Schritte zu durchdenken, erweist sich dabei als hilfreich:
  • Im Unternehmen gibt es niemanden und nichts, der „ohnehin“ da ist und deshalb quasi nichts kostet.
  • Grauzonen müssen aufgehellt werden: Entweder arbeitet jemand für einen Kunden oder für das eigene Unternehmen. Dazwischen gibt es nichts – außer der Frage, welchen Sinn Aktivitäten dann überhaupt haben.
  • Alle Leistungen für den Kunden müssen ihm auch einen Nutzen bringen, der ihm klar als solcher kommuniziert wird.
  • Das Unternehmen muss sich als seinen eigenen Kunden begreifen: Jede Leistung sollte einen Nutzen bringen.
Mit diesen Schritten im Hinterkopf ist der Weg zur Prozesskostenanalyse nicht mehr weit. Anbieter für entsprechende Erfassungs-Systeme sind mittlerweile zahlreich am Markt vertreten – von großen Konzernen, die Standardsoftware anbieten, bis hin zu kleinen Firmen wie zum Beispiel der Software-Schmiede Onesoft AG, Dinkelsbühl, die ihre Web-basierte Lösung T.o.n.i individuell auf den jeweiligen Kunden zuschneidet.
Die fundierten Aussagen, die mit der anschließenden Auswertung der erfassten Daten möglich sind, werden so manchen überraschen: Kunden, die bislang für unverzichtbar gehalten wurden, sind für das Unternehmen in der Tat vielleicht ein dauerndes „Draufleg-Geschäft“. Kunden dagegen, die immer als unauffällig galten, sorgen dafür regelmäßig für schwarze Zahlen am Monatsende. Auch nach innen kann die Auswertung Verblüffendes zutage bringen: Dass nämlich ein paar „Schreihälse“ im Unternehmen allein durch ihr lautstarkes Auftreten ihre Unersetzbarkeit beweisen wollen, während der wirtschaftliche Erfolg letzten Endes eher auf den Schultern von Mitarbeitern ruht, die in erster Linie im Hintergrund wirken. Tun und Handeln sind nur effektiv, wenn sie am Ende entweder dem Kunden oder der eigenen Firma Vorteile bringen.
Die Prozesskostenanalyse könnte für mehr Transparenz, Mitarbeiter-Motivation und ein stärkeres Bewusstsein für das eigene Unternehmen sorgen. So wüsste jeder Mitarbeiter, wie produktiv er selbst arbeitet und wie rentabel seine Kunden sind.
Im Unternehmen mehr Bewusstsein für die eigene Leistung schaffen
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