Noch immer zeigen viele Firmenchefs dem Internet die kalte Schulter, während ihre Kunden sich dort längst kundig machen. Dass diese zur Konkurrenz abwandern – davor kann nur die eigene E-Business-Strategie schützen. Zudem werden mögliche Wettbewerbsvorteile verschenkt.
Auf nahezu allen Business-Bereichen entfaltet das Internet seine Sogwirkung: Preise fallen, Märkte werden transparent, Transaktionen schneller, die Wege zum Kunden kürzer. Um einen Druck auf die Preise zu prognostizieren, behauptet Hans-Jörg Bullinger, müsse man kein großer Prophet sein. Den Beweis liefert der Stuttgarter Universitätsprofessor und Leiter des Fraunhofer-Instituts IAO am Beispiel einer jüngst durchgeführten Stromauktion auf einem virtuellen Marktplatz. In nur zweieinhalb Stunden sei der Gesamtpreis um 46 % reduziert worden. Einen hohen sechsstelligen Betrag habe man eingespart, ergänzt Professor Horst Wildemann, dessen Münchener TCW Transfer-Centrum GmbH an dieser Pilotanwendung beteiligt war. Das Ergebnis ist sicherlich spektakulär. In der Breite dürften eher jene Prognosen zutreffen, die durch Einsatz von Electronic Sourcing das Einsparpotenzial auf 10 % ansetzen. Beide – der Pilotfall wie die Vorhersage – zeigen aber die Potenziale auf, die es zu erschließen gilt.
Ein E-Business-Engagement kann also viele Vorteile bieten. Doch selbst wer eine eigene Internet-Strategie fährt, „scheint noch nicht so richtig zu wissen, wohin es geht“, meint Bullinger. Wohl eher das Bauchgefühl entscheide hier, weshalb „39 Prozent der Entscheider nicht beurteilen könnten, wie erfolgreich E-Commerce in der eigenen Firma bisher sei“, zitiert der Wissenschaftler das Ergebnis einer Umfrage. Im Wesentlichen werde das Internet zur Darstellung des Unternehmens und zur Produktinformation eingesetzt – weniger dort, „wo die Musik spielt, wo Commerce stattfindet, etwa bei der Produktkonfiguration oder der Kundenbindung“.
Grund genug für die Fraunhofer-Gesellschaft, ein E-Business-Innovationszentrum (E-BIZ) zu installieren. IAO-Chef Bullinger bündelt hier das auf diesem Feld versammelte Know-how von fünf Instituten der Münchnerer Vertragsforscher. An Arbeit wird es nicht mangeln. Denn „schon in kurzer Zeit“ sieht Bullinger einiges auf die Unternehmen zukommen: „Information wird zur Ressource, die weltweit dorthin geschoben werden kann, wo man sie gerade benötigt.“ Dies verändert die Geschäftsbeziehungen erheblich. Angebote und Preise können rund um die Uhr weltweit verglichen werden.
Akademisch formuliert, führt dies zu einem „Ausgleich von Informationsasymmetrien“. Anders gesagt: Die Wörter „Kunde“ und „kundig“ eint die gemeinsame sprachliche Herkunft. Das Internet wird dazu führen, dass diese Begriffe nicht nur etymologisch verwandt sind. Um so mehr werde man sich darauf einstellen müssen, wie man mit diesem informierten Kunden umgeht, mahnt Bullinger mit Blick auf die Konzeption der betrieblichen Web-Präsenz. Für ihn ist klar, dass „der Kunde dort kaufen wird, wo er besser recherchieren kann und besser beraten wird“. dk
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