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Mehr Freiheitsgrade durch schnelles Alu-Fügen

Toxen: Fügeprozeß für Stahl, Alu, Kupfer und Hybridteile
Mehr Freiheitsgrade durch schnelles Alu-Fügen

Nicht nur Stahlteile, sondern auch wesentlich weichere Materialien wie Aluminium oder hybride Baugruppen lassen sich durchsetzfügen. Verfahren wie das Toxen, die ohne Wärmewirkung auskommen, erweitern die Gestaltungsfreiheit des Konstrukteurs.

Edgar Grundler ist freier Fachjournalist in Allensbach/Bodensee

Das rein mechanische Durchsetzfügen bietet konstruktive Möglichkeiten und Vorteile, die bisher nur wenig ausgeschöpft werden. Zu sehr ist das Denken noch von traditionellen Fügetechniken wie dem Schweißen und von dem früher unangefochtenen Konstruktionswerkstoff Stahl bestimmt. Doch Verbindungstechniken wie das Toxen ermöglichen das Fügen auch anderer Werkstoffe und Werkstoffkombinationen. Verbindungen aus Stahl mit verzinktem Stahl sind ebenso machbar wie solche aus Stahl mit Aluminium oder Alu mit Alu. Zum Beispiel läßt sich ein weiches Aluminium-Blech Al 99 zuverlässig mit einem eher harten und vergleichsweise spröden Strangpreßprofil fügen.
In der Praxis können Verbindungen zwischen Blechen und Profilen aus Stahl, Edelstahl, Aluminium, Kupfer sowie verschiedenste Materialkombinationen realisiert werden. Diese Vielfalt an die das Tox-Fügen bietet, gewährt dem Konstrukteur Freiheitsgrade, die er für neue und spezielle Anwendungen nutzen kann. Hersteller von Lebensmittelcontainern profitieren beispielsweise davon, indem sie die leichten Behältnisse ohne Schweißen aus beschichteten Aluminiumblechen herstellen.
Da die Automobilindustrie unter dem Druck steht, Leichtbaukonzepte zu entwickeln, hat sie sich bei neuen Werkstoffkonzepten bisher am weitesten vorgewagt. Hersteller und Zulieferer verwenden Hybridbaugruppen, Aluminiumteile und –baugruppen sowie großflächige Kunststoffelemente bis hin zu Teilen der Karosserie aus Kunststoffen. Dafür setzen sie zu einem großen Teil mechanische Durchsetzfügeverfahren ein, die in ihrer Wirtschaftlichkeit dem Punktschweißen von Blechen nicht nachstehen oder sogar überlegen sind. So ist Durchsetzfügen innerhalb eines Taktes gleich mehrfach möglich, wenn zwei oder mehr Durchsetzfügewerkzeuge im Basiswerkzeug integriert sind und zentral angetrieben werden. Demgegenüber kann der Schweißroboter nur einen Punkt nach dem anderen setzen. Die mit den mechanischen Technologien erreichbare Zeitersparnis ist hoch. Oft wird daher die Kostenrechnung den Ausschlag für diese Verfahren ergeben. Hinzu kommt, daß Durchsetzfügewerkzeuge nur sehr wenig Energie verbrauchen und weder Kühlwasser noch Gas benötigen wie etwa Laseranwendungen. Sie können nicht nur unterschiedliche Werkstoffe sondern auch beschichtete, galvanisch behandelte oder lackierte Bleche problemlos verbinden.
Als ein seit Jahren zugelassenes und bewährtes Verfahren bietet sich gerade das Tox-Fügen auch für andere Werkstoffe als Stahl an. Die von der Tox-Pressotechnik GmbH & Co.KG, Weingarten, entwickelte und vertriebene Rundpunkt-Blechverbindungstechnik kommt ohne Zusatzwerkstoffe und ohne thermische Einflüsse aus. Benötigt werden lediglich die Fügewerkzeuge, bestehend aus Stempel und zugehöriger Matrize. Durch eine lokale Kaltumformung werden überlappt angeordnete Bleche in einem einzigen Arbeitsgang unlösbar miteinander verbunden. Im Gegensatz zu anderen Durchsetzfügeverfahren weist die Matrize keinerlei beweglichen Teile auf, so daß etwaiger Abrieb auch nicht zu Funktionsstörungen oder Bruch führen kann.
Forderungen, unterschiedliche Materialien zu verbinden, ergeben sich nicht nur unter dem Aspekt der gewichtssparenden Hybrid-Bauweise. Vielfach besteht die Aufgabe auch darin, ein Bauteil an einem Strukturelement mit abweichendem Werkstoff zu befestigen. Daß dies gut möglich ist, demonstrieren zwei Konstruktionsbeispiele aus der Kfz-Serienproduktion. Sie sind zwar mit dem Ziel der Gewichtseinsparung realisiert worden, zeigen aber in erster Linie, welch hohe Ansprüche sich an die Fügetechnik stellen lassen. Beim ersten handelt es sich um ein Hitzeschutzschild für den 3er-BMW, bei dem Aluminium in Edelstahl getoxt wird. Dem Edelstahlblech 1.4301 mit Zugfestigkeiten zwischen 540 und 750 N/mm² steht der Alu-Werkstoff Al 99,5 mit Werten zwischen 65 und 95 N/mm² gegenüber.
Schon die Gegenüberstellung der Festigkeitswerte zeigt das Ungleichgewicht der Werkstoffpartner. Da sich Edelstahl beim Umformen extrem kaltverfestigt, wird der Unterschied noch verstärkt. Dennoch ließ sich die Fügeaufgabe durch Toxen serientauglich lösen. Bedingt durch das Belastungsprofil und die geringe Festigkeit des Aluteils, müssen 13 Tox-Rundpunkte gesetzt werden, was mit einem säulengeführten Mehrpunktwerkzeug in einem einzigen Arbeitsgang geschieht. Bis heute wurden auf diese Weise weit über 100 000 Hitzeschutzschilde prozeßüberwacht hergestellt.
Das zweite Beispiel ist ein Schiebedachrahmen, der aus einem eloxierten Alu-Strangpreßprofil und einem KTL-beschichteten Stahl-Querträger aus St 1403 besteht. Das Profil ist als einbaufertiger Rahmen gebogen und wird mit dem Stahl-Querträger zu einer stabilen Einheit verbunden. Um die Verbindung herzustellen, werden in einem Arbeitsgang insgesamt 12 Tox-Rundpunkte gesetzt. Die Standmenge der Fügewerkzeuge liegt bei über 300 000 Punkten pro Satz. Um zu verhindern, daß Elektrolyten in die Fügestellen eindringen und Kontaktkorrosion hervorrufen, verlangt die Hybrid-Bauweise mit metallischen Werkstoffen Vorsorgemaßnahmen. Hier haben sich Lackschichten als zuverlässig erwiesen, weil sie im Fügepunkt als Isolator wirken. Messungen des Kontaktwiderstandes zeigen, daß beim Fügen ein direkter Kontakt der Bleche gar nicht zustande kommt und selbst 10 Millionen Lastwechsel unter Zugbelastungen zu keinen signifikanten Veränderungen führen.
Dem Werkstoff Aluminium kommt im Maschinen- und Fahrzeugbau eine wachsende Bedeutung zu. In der Automobilbranche werden im Bereich der Karosserie bereits heute Motorhauben, Türen, Heckdeckel, Schiebedächer und weitere Bauteile vollständig aus Alu-Werkstoffen gefertigt und mit Tox-Rundpunkten zu montagefertigen Baugruppen verbunden. Um Durchsetzfügeverbindungen an Aluminiumteilen wirtschaftlich und prozeßsicher herzustellen, müssen die fügerelevanten Eigenschaften des Materials berücksichtigt werden:
Umformbarkeit
Aluminium weist im Vergleich zu tiefziehfähigen Stahlwerkstoffen ein wesentlich geringeres Dehnverhalten auf. Während Werkstoffe wie St 1203/1403 eine Bruchdehnung (A80) von 40 bis 48 % aufweisen, kommt AlMg5Mn oder AlMg0,4Si1,2 lediglich auf 20 bis 26%. Folgerichtig verringert sich das Umformvermögen für den Durchsetzfügeprozeß. Die Werkzeugparameter müssen deshalb an den reduzierten Umformgrad der Alu-Werkstoffe angepaßt werden. Dies betrifft beispielsweise Oberflächenzustand, Beschichtung und Geometrie. Um die Werkzeuge optimal auszulegen, müssen Versuche mit den Originalbauteilen durchgeführt und die Querschnitte der Fügepunkte untersucht werden.
Kaltauslagerung
Kaltaushärtbare Alu-Werkstoffe altern. Dabei erhöht sich die Festigkeit und gleichzeitig sinkt die Umformbarkeit. Dies trifft auf alle AlMgSi-Werkstoffe und nahezu alle Strangpreßprofile zu. Bereits 30 Tage nach der Produktion hat die Umformfähigkeit um etwa 8 % abgenommen. Diese Zusammenhänge sind bekannt und bei der Werkzeugauslegung zu berücksichtigen. Die Qualität der Fügeverbindung wird kaum beeinträchtigt. Gegebenfalls muß die Tiefe der Fügematrize angepaßt werden.
13 Tox-Fügepunkte verbinden weiches Alu-Blech mit Edelstahl
Neigung zur Kaltverschweißung
Mehr als andere Werkstoffe neigt Aluminium zum Kaltverschweißen an Stempel und Matrize. Bei trockenen Blechoberflächen kann bereits nach wenigen Fügevorgängen ein Anlegieren beobachtet werden. Die Abstreif- und Preßkräfte steigen mit zunehmender Fügepunktanzahl. Optimieren läßt sich der Prozeß, indem das Werkzeug beschichtet oder das Verpressen in der Matrize minimiert wird.
Blech-Oberflächenzustand
Der Oberflächenzustand der Bleche hat auf die Festigkeitswerte des Fügepunktes erheblichen Einfluß. Bei trockenen Flächen treten zwischen den Blechen Kaltverschweißungen auf. Im Vergleich zu Fügepunkten bei geölten Blechen verdoppeln sich dadurch die Scherzug- und Kopfzugfestigkeiten. Damit diese gewünschten Festigkeitserhöhungen bei einem gleichzeitig stabilen Fügeprozeß erreicht werden, müssen die Bleche trocken sein. Andererseits haben auch beölte Flächen diverse Vorteile: Stabilere Prozesse, konstante Festigkeitswerte und vor allem eine höhere Fügewerkzeug-Standmenge.
Werden die spezifischen Eigenschaften der Alu-Werkstoffe berücksichtigt, sind prozeßsichere Tox-Rundpunkt-Verbindungen in der Serienfertigung dauerhaft gewährleistet. Die Werkzeuge werden zu diesem Zweck in Laborversuchen genau auf die einzusetzenden Materialien abgestimmt. Der Anwender erhält Prüfprotokolle mit allen für sein Original-Fügeteil relevanten Daten wie Preß- und Abstreifkraft oder die Restbodenstärke Kontrollmaß X. Die Restbodenstärke steht in direktem Zusammenhang mit der Hinterfließung im Fügepunkt und ist ein wichtiges Maß für die erreichte Festigkeit. Vor allem diese empirisch auf den Anwendungsfall zugeschnittene Werkzeuggestaltung garantiert die Qualität der späteren Serienfertigung.
Industrieanzeiger
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