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Mit digitalem Scout durch die Fertigung

Trumpf realisiert Pilotfabrik für die vernetzte Blechteile-Fertigung
Mit digitalem Scout durch die Fertigung

Industrie 4.0 | In seiner PE Blech demonstriert Trumpf die praktische Umsetzung von Industrie 4.0. Dabei nutzt der Maschinenbauer eigene Systemlösungen und entwickelt diese weiter. ❧ Mona Willrett

„So können wir es schaffen, die Produktivität in den nächsten Jahren um bis zu 30 Prozent zu steigern, Fehlerquoten in der Produktion zu senken sowie Kosten und Materialbedarf zu reduzieren“, sagt Dr. Mathias Kammüller. Der Vorsitzende des Geschäftsbereichs Werkzeugzeugmaschinen bei Trumpf spricht über das Thema „vernetzte Fertigung“ – oder Industrie 4.0 – und ganz konkret über eine Pilotfabrik, die die Ditzinger in den letzten Monaten realisierten.

Um den Produktionsablauf seiner Produktionseinheit (PE) Blech zu optimieren, hat Trumpf seit Herbst letzten Jahres ein leistungsfähiges MES-System aus dem TruConnect-Baukasten mit mobiler Handheld-Nutzung eingeführt. Als Herz der Produktionsplanung erfasst es Maschinenzustände und ermöglicht, sie darzustellen und auszuwerten. Das Ergebnis ist eine papierlose Fertigung mit interaktiven, stets aktuellen Begleitdokumenten sowie Rückmeldungen – etwa über Fertigungs- und Maschinenlaufzeiten oder nötige Instandhaltungsmaßnahmen. Außerdem ist die PE Blech Pilotbereich fürs Einführen eines Feinplanungssystems. Zu den Schwerpunkten dieses Entwicklungsprojekts gehört die Reihenfolgeplanung unter beliebig definier- und änderbaren Randbedingungen. Das Ziel ist die wirtschaftliche Fertigung ab Losgröße 1. Darüber hinaus läuft in der PE Blech ein Modellprojekt für die Intralogistik. Unter anderem werden hier Lokalisierungssysteme für den innerbetrieblichen Transport getestet. Sie sollen die Transparenz hinsichtlich der Position und Verfügbarkeit von Transportwägen erhöhen, deren schnelle und fehlerlose Bereitstellung gewährleisten und die Mitarbeiter von fehleranfälligen Routineaufgaben entlasten.
„Gerade weil das Thema vergleichsweise abstrakt ist, möchten und müssen wir nah an unseren Kunden sein, ihnen Orientierung bieten und die vielen offenen Fragen beantworten“, fährt Kammüller fort. „Unsere Produktionseinheit Blech ist ein konkretes Beispiel, wie Industrie 4.0 funktioniert.“ Und sie sei vergleichbar mit einer klassischen Blechteilefertigung, deren Prozesse jetzt allerdings digitalisiert ablaufen. Trumpf nutzt dazu Elemente von TruConnect – so nennen die Ditzinger ihre Lösungen für eine vernetzte Fertigung – und kombiniert diese mit der digitalen Geschäftsplattform Axoom. Beides wird in der PE Blech eingesetzt, erprobt und intensiv weiterentwickelt.
„Aus vielen Gesprächen und Untersuchungen sowie aus eigener Erfahrung kennen wir die zentralen Herausforderungen für moderne Fertigungsbetriebe“, sagt Kammüller. Dazu gehörten unter anderem immer geringere Stückzahlen pro Auftrag, bis hin zur individualisierten Einzelfertigung und viele kleine statt weniger großer Aufträge, die geplant und abgewickelt werden müssen. Als Folge daraus müssen Planungs-, Bestell- und Lieferzeiten kürzer werden, damit sich die Arbeit lohnt. Um noch konkretere Informationen zu bekommen, hat Trumpf zusammen mit dem Stuttgarter Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung (IPA) eine Studie durchgeführt, in der die Prozessdaten von 25 deutschen Kunden detailliert analysiert wurden. Die Untersuchung ergab laut Kammüller, dass
wertschöpfende Tätigkeiten den kleinsten Anteil an Produktionsprozessen ausmachen – auf eine Stunde Bearbeitungszeit kommen rund vier Stunden indirekter Tätigkeiten, was heißt, dass 80 % des Optimierungspotenzials in indirekten Prozessen stecken –,
kleine Lösgrößen verbreitet sind und der Anteil an Wiederholteilen unter 50 % liegt – kurze Reaktionszeiten sind also elementar –,
die Komplexität der geforderten Teile zunimmt – der Fertiger muss also konkurrierende Ziele wie Qualität, Termintreue, Materialeffizienz oder Kapazitätsauslastung beherrschen –,
Fertigungssteuerung und Intralogistik große Potenziale bieten und fehlende Transparenz der Prozesse eines der Hauptprobleme seien.
Neben technischen gilt es auch gesellschaftliche Herausforderungen zu meistern
Über die technischen Herausforderungen hinaus beschäftigt sich Trumpf auch intensiv mit den gesellschaftlichen Auswirkungen der Digitalisierung auf die Arbeitswelt. „Industrie 4.0 führt zu veränderten Arbeitsaufgaben, die andere Kompetenzen der Mitarbeiter bedingen“, sagt Gerhard Rübling, Arbeitsdirektor und verantwortlich für Vertrieb und Services innerhalb der Gruppengeschäftsführung. „Diese Kompetenzen müssen auf Grund der Geschwindigkeit der Veränderungen mit modernen Lernformen vermittelt werden. Deshalb erarbeiten wir derzeit ein neues Qualifizierungskonzept für die zunehmend disziplinübergreifenden und prozessorientierten Tätigkeiten unserer Mitarbeiter.“
Für Trumpf zeichne sich ab, dass die Arbeitswelt künftig stark durch Mobilität und Agilität der Arbeitnehmer gekennzeichnet sein wird, so Rübling weiter. Neue Modelle für die Arbeitswelt sowie für die Aus- und Weiterbildung gehören zu jenen Aspekten von Industrie 4.0, die auch die Politik fordern, sagt Dr. Peter Leibinger. Der stellvertretende Vorsitzende der Trumpf-Geschäftsführung sieht weitere Handlungsfelder für die Politik: „Es gilt dafür zu sorgen, dass alle Beteiligten mit einer Sprache sprechen, und vor allem brauchen wir Rechtssicherheit.“ Unter anderem müsse international geregelt werden, wem welche Daten gehören und wer sie in welcher Weise nutzen darf. „Wenn es uns gelingt, hier mit den Amerikanern Einigkeit zu erzielen, dann rechne ich damit, dass die Asiaten folgen werden.“
Wichtig für die Innovationskraft von Trumpf sei die Kooperation mit Hochschulen und außeruniversitärer Forschung. Leibinger betont: „Die Vernetzung von Daten und Dingen kann nur im Zusammenspiel vieler Player gelingen. Die institutionelle Forschung in Projekten mit mehreren Partnern spielt für uns eine zentrale Rolle“. Deswegen engagieren sich die Ditzinger auch als Partner der Innovationsplattform Code_n, die im September in Karlsruhe ein großes Start-up-Festival veranstalten wird. „Wir wollen uns dort mit anderen Unternehmen aus dem Bereich Photonics 4.0 austauschen und gemeinsam neue Impulse für die Zukunft der Photonik setzen“, führt Leibinger aus. Photonics 4.0 beschreibe, wie Industrie 4.0 mit Hilfe von optischen Technologien weiter voranschreiten kann.
Bis das Thema Industrie 4.0 bei Trumpf durchgängig umgesetzt ist, rechnet Kammüller mit einem Zeitraum von rund fünf Jahren. Dass sich der Prozess aber lohnt, zeigt der promovierte Ingenieur an einem konkreten Beispiel: In der eigenen Fertigung von Stanzwerkzeugen konnte der Maschinenbauer die Durchlaufzeit durch die Vernetzung von vier Tagen auf vier Stunden senken, statt einer Fläche von 300 m2 reichen heute 100 m2, und sieben der früher elf Mitarbeiter in diesem Bereich konnten andere Tätigkeiten im Haus übernehmen.
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