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Mit kleinem Format und Findigkeit überlebensfähig

Messe Bimu: Italiens Werkzeugmaschinenbranche zeigt Flagge
Mit kleinem Format und Findigkeit überlebensfähig

Kann es sein, dass Größe nicht zwingend für Kreativität bürgt? Und trifft es zu, dass kleine Hersteller ohne Fertigungstiefe auf Dauer der verlässlichere Partner sind? Genau so ist es, triumphierte Italiens Werkzeugmaschinenbau auf der Messe Bimu.

Von Chefreporter Wolfgang Filì chefreporter@fili.net

Anfang 2002 hatte Dr. Andrea Riello noch gehofft, die zweite Jahreshälfte werde besser als die erste. Seinerzeit dachten viele so. Auf der Metallbearbeitungsmesse Bimu allerdings – sie fand kürzlich in Mailand statt – wäre der Präsident des Verbands italienischer Werkzeugmaschinenbauer schon happy gewesen, hätte er zumindest von Nachfragen auf ähnlichem Niveau wie im Januar berichten können. Zwar gehe es den in der Branchen-Organisation Ucimu, Cinisello Balsamo, zusammengeschlossenen Firmen nicht übel: Sie hätten ihre Produktion 2001 sogar um 1,1 % auf rund 4,6 Mrd. Euro steigern können. Woran es derzeit und voraussichtlich auch kommendes Jahr jedoch fehle, sei die Aussicht auf kontinuierliche Entwicklung des Markts, klagt Riello. Allein sie schaffe Raum und Mut für neue Investitionen und Projekte auch außerhalb des Landes. Unabhängig hiervon seien die Ucimu-Mitglieder für Konjunkturabsacker meist besser gerüstet als außernationale Wettbewerber.
Wer hieraus versteht, dass Absatzkrisen südlich der Alpen eine Art produktiver Zustand sind, solange man ihnen nur den Beigeschmack von Katastrophe nimmt, liegt falsch: Die Branche ist grundsätzlich in der gleichen Lage wie jede andere auch. Ungewöhnlich ist nur das Handling von Flauten. Im Durchschnitt kleinformatig und ohne nennenswerte Fertigungstiefe, scheinen italienische Werkzeugmaschinenbauer in dünner Auftragsluft besser atmen zu können. Klarer als bei den umformtechnischen Herstellern wird dies bei den Spänemachern: Nur der Drehmaschinenbauer Gildemeister Italiana S.p.A. in Brembate hat mehr als 400 Mitarbeiter. Die anderen erreichen selten über 200 Beschäftigte. Größere Betriebe gehören meist zu Unternehmensgruppen mit gemischtem Programm.
Das Format und auch die Zahl der 500 Unternehmen ist seit 20 Jahren nahezu gleich. Mit über 140 000 Euro auf jeden der 33 000 Beschäftigten ist der relative Umsatz hoch, der Zukauf notgedrungen groß und die eigene Fertigung flach. Dies wiederum schafft Spielraum bei dümpelnder Konjunktur. Zum Vergleich die deutschen Zahlen: Die für das laufende Jahr vom Frankfurter Verein Deutscher Werkzeugmaschinenfabriken e.V. (VDMA) geschätzen 8,4 Mrd. Euro Produktionswert werden mit 67400 Beschäftigten erzielt. 2001 waren es 10,2 Mrd. Euro und 69 500 Menschen gewesen. Das bedeutet derzeit knapp 125 000 Euro pro Mitarbeiter und damit einen wesentlich geringeren Zukauf als in Italien. Die vorgehaltene Fertigungskapazität will in der Rezession jedoch erst einmal finanziert sein – ein Problem freilich, das Riellos Branche in dieser Form kaum kennt.
Tatsächlich hat Italien in den Krisen anfangs der 80er und 90er Jahre weitaus weniger Hersteller verloren als die Deutschen. Die meisten Werkzeugmaschinenbauer hatten es zudem geschafft, ihren Marktanteil zu halten, indem sie sich in jeder Flaute mit Breitseiten an Produktneuerungen weiter im Gespräch und Geschäft hielten. Bei Ucimu ist man daher überzeugt, dass Unternehmenskonzentrationen und eine höhere Wertschöpfung nur dann Sinn machen, wenn freundliche Konjunkturphasen gegenüber den kritischen überwiegen. Ansonsten verzichte man ohne Not auf Elastizität.
Das Manko solch kleingemusterter Branchen – schwache Ressourcen für Forschung und Entwicklung, wenig Durchsetzungskraft in fernen Märkten – hat Riello für sein eigenes Haus bereits gelöst. Seit 2000 gehört der renommierte Anbieter von Bearbeitungszentren und -zellen Mandelli S.p.A. in Piacenza zu Riello Sistemi. Diese in Minerbe bei Verona ansässige Gruppe mit dem Transfersystemebauer Riello Srl als Kern – Dr. Riello ist hier Geschäftsführer – hat 2001 auch den Reutlinger Fertigungssysteme-Hersteller Burkhardt+Weber GmbH übernommen und repräsentiert so zusammengenommen 114 Mio. Euro Umsatz sowie 600 Beschäftigte. Seit Sommer 2002 hat die Gruppe eine eigene Fertigungsstätte nebst Vertriebsapparat im chinesischen Shanghai. Dagegen treten die drei fast gleich großen Unternehmen im europäischen Markt weiter mit eigenem Namen und Programm auf.
In Mailand stellte Mandelli die neue Maschinenreihe Thunder TT vor. Das mit fünf simultan arbeitenden Achsen ausgestattete Bearbeitungszentrum ist in den Palettengrößen 400 mm, 500 mm und 630 mm lieferbar. Die Motorspindel dreht 12 000 min-1 sowie auf Wunsch 24 000 min-1, bietet 37 und 57 kW sowie 240 und 350 Nm Drehmoment. Die linearen Achsen werden mit 8 m/s² auf 60 m/min Eilgangs-geschwindigkeit beschleunigt. Die Maschine empfiehlt sich zur Hartbearbeitung von Formen genau so wie zum Zerspanen von Integralteilen für die Luftfahrtindustrie. Die erreichbare Oberflächengüte liegt jeweils bei Ra 0,5.
Die Konzernschwester Riello zeigte ihre Transfermaschine Vertiflex 450 mit sechs Stationen sowie vier horizontalen und drei vertikalen Bearbeitungseinheiten – jede bestückt mit einem sechs- oder achtköpfigen Revolver – für ins-gesamt 42 Werkzeuge. Die Maschine bearbeitet kubische Teile bis zu 450 mm Kantenlänge fix und einbaufertig.
Burkhardt+Weber stellte das Bearbeitungszentrum MCX 900 vor. Es arbeitet mit Paletten zwischen 800 mm x 800 mm und 1000 mm x 1000 mm bei einer Zuladung bis 3000 kg. Erklärte Zielgruppe sind Schwerzerspaner. Eine Analyse der Lebensdauerdaten hat die optimale Kombination von 5 m/s² Beschleunigung und 40 m/min Eilgang ergeben. Dies sorge für kurze Nebenzeiten auch bei hohen Vorschubskräften. Die zweistufige Getriebespindel erlaubt im Dauerbetrieb die zuverlässige Umsetzung von 37 kW sowie Drehmomente bis zu 1220 Nm für die Stahl- und Gusszerspanung. Das Regalmagazin fasst bis zu 456 Werkzeuge mit maximal 950 mm Länge und 750 mm Durchmesser.
Das Bearbeitungszentrum X-Ceeder 1200 der Breton S.p.A., Castello di Godego, hat bis zu fünf Achsen, 0,7 m³ Arbeitsraum und eine Motorspindel mit 40 kW Leistung und 18 000 m-1 Touren. Auf Wunsch wird eine Spindel mit 40 000 m-1 geliefert. Werkzeugaufnahme ist hier HSK 40A. Maximallast für den 860 mm x 630 mm großen Arbeitstisch ist 500 kg. Das Werkzeugmagazin hat 30 Plätze. In der X-, Y- und Z-Achse verfährt die Maschine 1200 mm, 1000 mm und 600 mm, die A-Achse schwenkt von -30º bis +110º, die C-Achse rotiert unbeschränkt. Als Eilgangsgeschwindigkeit nennt Breton 60, 60 und 40 m/min sowie 10 und 20 min-1 als schnellste Rotation. Die Maschine ist selbsttragend aufgebaut und – wie Breton betont – außergewöhnlich vibrationsschluckend und stabil. Als Zielgruppe nennt der Hersteller den Werkzeug- und Formenbau, Fertiger komplexer Teile sowie die Luft- und Raumfahrtindustrie. Mit seinen 140 Beschäftigten ist Breton ein typischer Vertreter kleinerer Unternehmen, die in einem Firmenverbund mit stark diversifiziertem Programm arbeiten.
Dies gilt für die Innse-Berardi S.p.A., Brescia, nur eingeschränkt. Zusammen mit der Münchner Schwestergesellschaft Retco Maschinenbau GmbH beschäftigt das Unternehmen 300 Mitarbeiter und rüstet in erster Linie Fertiger aus dem Umfeld der Automobilindustrie aus. Ihr neues Bearbeitungszentrum IBR beschleunigt X-, Y- und Z-Achse über Linearmotoren und 18 m/s² auf bis zu 120 m/min Verfahrgeschwindigkeit. Die Leistung der Motorspindel beträgt 16 000 min-1 und 17,5 kW. Es werden Paletten bis 800 mm x 1000 mm abgearbeitet.
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