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Mit Liebe zum Detail die große Strategie im Blick

Hermle AG: Vorzeigeunternehmen bricht eigene Rekorde
Mit Liebe zum Detail die große Strategie im Blick

Zielstrebig hat sich die Hermle AG aus Gosheim in der Werkzeugmaschinenbranche zum Vorzeigeunternehmen mit einer hohen zweistelligen Rendite gemausert. Ein Blick hinter die Kulissen zeigt, was an dem schwäbische Unternehmen anders ist als anderswo.

Von unserem Redaktionsmitglied Tilman Vögele-Ebering

Der Chef kommt in Hemdsärmeln. Ein kräftiges „guten Morgen“ hallt durch die Fabrik. Ohne die Arbeit zu unterbrechen erwidern die Werker den Gruß. Sie sind den täglichen Rundgang des Vorstandssprechers und Großaktionärs gewohnt. Dietmar Hermle steuert mit schnellem Schritt auf einen Meister zu, stellt eine Frage. Es folgen einige Worte, Nicken, dann Schulterklopfen.
Der Musterbetrieb ist ein Ergebnis harter Arbeit
Der Vorstandssprecher der Hermle AG in Gosheim auf der Schwäbischen Alb ist ein Chef, der sich um Details kümmert. „Wenn viele Kleinigkeiten zusammen- wirken, wird Geld verdient“, so lautet einer seiner Grundsätze. Und das gelingt der Hermle AG besser als den meisten. Der Werkzeugmaschinen-Hersteller erwirtschaftet bei knapp 140 Mio. DM Jahresumsatz vor Steuern eine Rendite von rund 24 %, netto von 13 %. Zum Vergleich: Andere Maschinenbauer verdienen nach Schätzungen der Branchenverbände üblicherweise Renditen im unteren bis mittleren einstelligen Bereich.
Der Musterbetrieb auf der schwäbischen Alb übertrifft seit 1996 regelmäßig die eigenen Rekorde. Der Umsatz hat sich in fünf Jahren fast verdreifacht, das Ergebnis der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit liegt siebenmal so hoch. Die Mitarbeiterzahl hat dabei kaum zugenommen. „Wir haben lange und hart daran gearbeitet, bis wir so weit waren“, erinnert sich der 48-jährige Firmenchef mit ernstem Gesicht.
Er schreitet durch die neue, in Weiß, Grau und Rot gestrichene Fertigungshalle. Kein Span liegt auf dem Hallenboden. An Lern-Inseln für die Auszubildenden liegt das Lehrmaterial im rechten Winkel zum Pult. „Hier ist nichts mehr so, wie es 1996 war – vor der Umstrukturierung“, erinnert sich Hermle, „die Maschinenmodelle, das Fertigungsprinzip, die Logistik, die EDV sind alle neu.“ Betriebsvereinbarungen mit der Belegschaft erlauben es der 500-Mann-Firma, die Kapazitäten der Auftragslage an-zupassen. Die Bandbreite beträgt 80 % bis 120 % – ohne dabei einen Mann oder eine Frau neu einzustellen oder entlassen zu müssen.
Hermle kann bei seinem täglichen Rundgang die Liebe zum Detail nicht verhehlen. Er nimmt ein Blechteil von der Größe eines Aktenordners in die Hand. Es ist die Einfassung eines Bedienpultes für ein Bearbeitungszentrum. Laut Wertanalyse hätten die Herstellkosten für das Zukaufteil früher 85 DM betragen, erzählt der Firmenchef fast beiläufig und fügt stolz hinzu: „Heute machen wir das deutlich günstiger selbst.“ Statt geschweißt, wird es nun gefalzt – das Ergebnis eines Workshops. Ein kleines Teil zwar, aber trotzdem: „Auch mit solchen Dingen verringern wir die Kosten“, betont der 48-Jährige, „das haben die Mitarbeiter der Abteilung aus Eigeninitiative angestoßen und auch umgesetzt. Das ist ein Teil unserer Firmenkultur.“
Die Hände auf die Hüften gestützt, hört Hermle aufmerksam einem Mitarbeiter zu, der ihm von einem Problem berichtet. Der Firmenchef schüttelt leicht den Kopf. Er zieht an der Zigarette, die er stets zur Hand hat, und unterbreitet mit ruhiger, leiser Stimme einen Vorschlag. Trotz der Geräusche in der Fertigungshalle fällt bei der Mini-Konferenz zwischen Maschine und Meisterkabine kein lautes Wort. In Büros und Fertigung unterhalten sich die Mitarbeiter stets mit leiser Stimme, der Meister brüllt auch den Lehrling nicht an. Alle sind immer in Bewegung, lange Kaffeepausen nicht gern gesehen. „Wenn die Führungskräfte das so vorleben, akzeptieren die Mitarbeiter das sofort“, so Hermles Erfahrung.
Diese Disziplin und gegenseitige Wertschätzung sieht der Chef als Errungenschaft langjähriger Aufbauarbeit. Der Wendepunkt des Traditionsunternehmens kam im Jahr 1996. Die Krise im Werkzeugmaschinenbau war in vollem Gange, und der damalige Mehrheitsaktionär Traub AG meldete Konkurs an. Leitende Mitarbeiter und private Inves-toren kauften das Hermle-Aktienpaket und wagten den Neuanfang. Ohne Personal aufzubauen, sollte das Unternehmen schnell, flexibel und profitabel werden. Diese Vision setzte Dietmar Hermle mit seinem treuen Mitarbeiterstamm um. Er hat als Vorstandsvorsitzender seit Anfang der 90er Jahre die düstere Zeit der Werkzeugmaschinenbranche miterlebt und sagt heute nachdenklich: „Ich möchte nie wieder in der Situation sein, gute Leute entlassen zu müssen.“
Heute gehört die Hermle-Fertigung zum Feinsten. Betrugen die Durchlaufzeiten für eine der Standardmaschinen 1996 noch sechs Monate, liegen sie heute bei fünf Wochen. Kürzer als vier Wochen werden sie nicht werden, sagt Hermle, sonst leide die Qualität. Und die steht bei ihm als Hersteller für das hochpreisige Segment an erster Stelle.
Die komplexen, mannshohen Grundkörper für die Fräsmaschinen stehen in Reih‘ und Glied. „Alle haben das gleiche Grundgestell“, erklärt der Firmenchef und deutet auf zwei der grauschwarzen Kolosse. „Das hier könnte eine U werden, fester Tisch, das hier wird wohl eine V“, verdeutlicht er den Vorteil des Gleichteileprinzips: Alle Modelle verwenden standardisierte Teile. Die Komponenten sind so konstruiert, dass sie in verschiedene Maschinentypen passen. Auf der Basis von sechs Grundgestellen entstehen so mehr als 20 Bearbeitungszentren und fünf Universalfräsmaschinen. „Wer wissen will, warum wir so viel Gewinn machen, soll sich das hier anschauen“, sagt Hermle selbstbewusst.
Das Unternehmen startet die Produktion mit einem so genannten anonymen Vorlauf. Erst während des Fertigungsprozesses greift der Vertrieb ein und verteilt die Maschinen an die einzelnen Kunden, die dann ihr Wunschmodell mit Wunschausstattung erhalten. Alle Arbeitsschritte sind getaktet. Die Einbauteile werden just in time an die genau richtigen Montageplätze angeliefert. Es gibt kein Regale in der ganzen Halle.
„Das Prinzip verlangt eine ungeheure Disziplin von allen“, erklärt Dietmar Hermle. Vom Lieferanten bis zur Auslieferung müssen sich alle dem Diktat des Zeitplanes unterwerfen. Und das sei nicht mit jedem Lieferanten umzusetzen: „Wir bezahlen gerne ein paar Mark mehr, verfügen dann aber über zuverlässige Partner.“
Gleichteileprinzip und just in time: So wird Geld verdient
Als Pufferzeiten gibt es nur die Abende und Wochenenden. Das Arbeitszeitmodell macht das Ganze erst möglich: Die Arbeitszeit beträgt 38 Wochenstunden plus zwei und minus drei Stunden. Nach oben gibt es ein Konto mit bis zu fünf Tagen Gleitzeit. Bei Auftragsrückgang wird die Arbeitszeit auf 35 Stunden verringert. Derzeit schieben die Mitarbeiter Überstunden, um den Auftagsboom abzufangen. „Das können wir uns bei der derzeitigen Auftragslage leisten“, sagt Hermle. Jeder hat Verständnis dafür. Denn alle wissen, dass es irgendwann einmal auch wieder schlechter läuft mit den Aufträgen.
Trotz der getakteten Fertigung gibt es bei Hermle keine Fließmontage, wie sie Hersteller wie Gildemeister eingeführt haben. „Das ist eine Frage der Philosophie, unsere Mitarbeiter haben sich dagegen entschieden“, erklärt der Firmenchef und klopft mit der flachen Hand auf die Verkleidung einer gerade fertiggestellten Fräsmaschine „Unsere Leute wollen eine Maschine mit allen Arbeitsinhalten von A bis Z fertigstellen und nicht nur wenige Handgriffe ausführen.“ Mit einem Augenzwinkern fügt er dann hinzu: „Außerdem laufen unsere Mitarbeiter schneller zur Maschine, als die Maschine auf einem Band je zu ihnen kommen kann.“
Steckbrief: Hermle AG
Standort: Gosheim
Tochterfirmen in Tuttlingen, Mössingen und Neuhausen/Schweiz
Kennzahlen 2000:
Mitarbeiter: konzernweit rund 510
Umsatz: 140 Mio. Euro
Ergebnis d. gew. Geschäftstätigkeit: 40 Mio. Euro
Eigenkapitalanteil: 65 %
Produktspektrum:
Bearbeitungszentren (C-Reihe)
Universalfräsmaschinen (U-Reihe)
Stangenbearbeitungs-/Dreh-Fräs-Zentren (Premiere zur Messe Emo)
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