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Mittelständische Strukturen für einen Konzern

Modine will Marktanteile bei Kühlern gewinnen
Mittelständische Strukturen für einen Konzern

Mittelständische Strukturen für einen Konzern
Hartmut Wilfer ist Geschäftsführer der Modine Automobiltechnik GmbH im schwäbischen Plietzhausen. Mit pfiffigen Automatisierungsideen sorgt er für Qualität und Flexibilität
Mit einem Netzwerk von kleinen Produktionseinheiten will Modine Europa erobern. Ein Konzept mit Erfolgsaussichten.

Von unserem Redaktionsmitglied Thomas Baumgärtner

Unter dem Alteigentümer produzierte die Fabrik in Pliezhausen 600 000 Kühler im Jahr. Jetzt laufen mehr als 1,5 Millionen Komponenten vom Band. Als 1993 das schwäbische Familienunternehmen Längerer & Reich von der US-amerikanischen Modine Manufacturing Company, Racine/Wisconsin, übernommen wurde, fragten sich Mitarbeiter und Mitbewerber skeptisch, ob das gut gehen würde. Denn zu Füßen von Daimler-Chrysler vollzog sich ein enormer Wandel bei dem Automobilzulieferer. Die eingeflogenen US-Manager, die noch heute englisch als Geschäftssprache in der Führungsebene vorgeben, setzten von Anfang an ihr Konzept konsequent durch. An vier Vorgaben aus Wisconsin kam niemand vorbei:
– Fokussierte Fertigungsstandorte (ein Werkstoff – wenige Prozesse)
– Kein Standort mit mehr als 250 Mitarbeitern
– Flache Organisationsstrukturen
– Moderne Form der Arbeitsorganisation durch Gruppenarbeit
Kleine Fabriken sorgen für Flexibilität
Heute sind die Skeptiker weitgehend verstummt. Wie Pilze schossen in den vergangenen Jahren die kleinen Modine-Fertigungsstätten im Großraum Stuttgart aus dem Boden. Neben Pliezhausen wird seit September 1998 in Kirchentellinsfurt und seit dem Herbst vergangenen Jahres auch noch in Tübingen produziert. Und in zwei Jahren wird die neue Europazentrale in Filderstadt-Bernhausen bezugsfertig sein (s. Kasten: Standorte).
Anscheinend sind die Modine-Manager noch expansionswillig. In der Schublade von Drone liegt eine vertrauliche Liste mit weiteren, potenziellen Standorten. Vor allem der Bereich Nutzfahrzeuge darf laut dieser Liste noch auf Ausweitung hoffen. Die Amerikaner planen gerne vor großen Landkarten. Europa soll mit einem Netzwerk kleiner Modine-Fabriken überzogen werden – streng aufgeteilt nach den drei Geschäftsbereichen, die schon heute wichtige Knotenpunkte des Modine-Geflechtes bilden :
– Nutzfahrzeuge
Die deutschen Produktionsstandorte befinden sich in Filderstadt, in Kirchentellinsfurt, in Tübingen und in Neunkirchen. Im ungarischen Mezökövsed steht eine weitere Fabrik.
Gefertigt werden vor allem: Wasserkühler, Ladeluftkühler, Ölkühler aus Aluminium und Edelstahl, Klimakondensatoren sowie Klimaanlagen.Zum Kundenkreis zählen fast alle namhaften Hersteller und wichtige Systemlieferanten, von Avia über Daimler-Benz, Deutz, und MAN bis zu ZF.
– Automobil
Kühler für Personenkraftwagen werden in Pliezhausen und Wackersdorf gefertigt. Wichtigster Kunde ist BMW. Weitere Produktionsstätten stehen in Österreich (Berndorf), Italien (Pontevico) und den Niederlanden (Uden). Die großen Automobilhersteller gehören auch hier zum angestammten Kundenkreis. Allein mit Daimler-Chrysler scheinen die Modine-Leute noch nicht so recht warm geworden zu sein. Zwar liefert das amerikanische Mutterhaus an Chrysler, doch die europäische Tochter sieht bei Mercedes offensichtlich noch Potenzial – die neue Europazentrale ist ja nur zehn Autominuten von Daimler-Chrysler entfernt.
Sondermaschinen helfen automatisieren
– Ersatzteile
Da Automobilzulieferer noch sehr lange für Ersatz auch bei nicht mehr produzierten Modellen sorgen müssen, gliedern viele Unternehmen dieses Geschäft in eigenständige Bereiche aus. So auch Modine. Die Aftermarket-Farbriken stehen in den Niederlanden (Mill), Frankreich (Valenciennes), Großbritannien (Daventry) und Spanien (Granada).
Streng hielten sich die Standort-Planer an den Netzwerk-Grundsatz: An keinem Ort befindet sich mehr als eine Modine-Fabrik.
Das ehemalige Werk Längerer & Reich in Pliezhausen, heute von Hartmut Wilfer gemanagt, entspricht ganz den amerikanischen Vorgaben. 239 Mitarbeiter erwirtschaften einen Umsatz von rund 107 Mio. DM. Und Wilfer ist ein ausgefuchster Automatisierungsprofi. So hat er sich, um die im Kühlerbau verwendeten Aluminiumflachrohre kostengünstig herstellen zu können, eine Maschine bauen lassen, die mit einer Geschwindigkeit von 200 m/min fertige Teile ausspuckt. Zwar bietet die Muttergesellschaft auch solche Maschinen an, doch die genügten Wilfers Perfektionskriterien nicht – und „sie wäre nicht schnell genug verfügbar gewesen“, so der Geschäftsführer. Und wenn es darum geht, besser zu werden, genießen die Verantwortlichen der Modine-Fabriken viel Entscheidungsfreiheit.
Auch bei der Schweißanlage genügte Wilfer der Standart nicht. Die nach seinen Vorgaben gebaute neue, vollautomatische Sondermaschine kann nicht nur leicht auf andere Kühlerbaumaße umgerüstet werden. Als besonderer Clou ist eine Dichtigkeitsprüfung integriert. Nur tadellose Kühler erhalten überhaupt eine Seriennummer.
„Qualität und Flexibilität“, zeigt sich Wilfer überzeugt, seien die Anforderungen, die über Erfolg oder Misserfolg entscheiden.
Standorte: Europazentralenahe Stuttgart
Bis in drei Jahren will John Drone den Umsatz in Europa schlichtweg verdoppeln. „Das schaffen wir“, zeigt sich der für das Europageschäft verantwortliche Manager sicher. In 13 europäischen Werken erwirtschaftete Modine mit Kühlern für Pkw und Lkw 1998/99 rund 640 Mio. DM.
Wie der Zuwachs erreicht werden soll, ist genau geplant: die eine Hälfte durch Zukäufe, die andere organisch. Offensichtlich hat das amerikanische Mutterhaus noch viel vor mit ihrer Tochter jenseits des Großen Teiches: Den Anteil Europas am weltweiten Umsatz des Konzerns wollen die US-Manager von derzeit 30% auf 40% steigen sehen. Die Fabriken hier sollen sich schnell zum Systemlieferanten entwickeln. Dafür wird kräftig investiert: Vor den Toren Stuttgarts, in Filderstadt, ziehen Baukräne die neue Europa-Zentrale des Automobilzulieferers hoch. Ein Technologie- und Verwaltungszentrum von mehr als 20 000 m² soll entstehen, das bis zur Eröffnung im Jahre 2002 rund 95 Mio. DM verschlungen haben wird.
Herzstück des Europa-Brückenkopfes wird ein Klima-Windkanal sein. Er eignet sich für front-, heck- und allradgetrieben Straßenfahrzeuge aller Art. Geschwindigkeiten von bis zu 250 km/h für Personenwagen und von bis zu 120 km/h für Lastwagen wird die High-Tech-Anlage simulieren können. Dazu kann sie Fahrzeuge in fast jede Klimahölle schicken, von arktischer Kälte bis zur tropischen Hitze.
„Das Technologiezentrum ermöglichst es uns, innovative Produkte und Verfahren zu entwickeln, und zwar durchgängig von der Idee über die erste Simulationsrechnung bis hin zur Endprüfung im Windkanal“, freut sich Werner Zobel, Leiter der Entwicklung bei Modine Europe.
Neben Deutschland unterhält Modine in Europa Produktionsstandorte in Ungarn, den Niederlanden, Österreich, Spanien und Italien. Schwerpunkt ist aber eindeutig das Automobilland Bundesrepublik Deutschland.
Modine weltweit
Die Modine Europe GmbH ist Tochtergesellschaft der Modine Manufacturing Company, Racine/USA. Der Konzern meldet für die ersten neun Monate des laufenden Geschäftsjahres 1999/2000 im Vergleich zur Vorperiode eine Steigerung der Umsatzerlöse um 3 % auf 854 Mio. US-$.Das Unternehmen gehört zu den weltweit führenden Zulieferern von Wärmetauschsystemen.
Umsatz 1999: rund 1,1 Mrd. US-$
Produktionsstandorte: 20 (USA), 14 (außerhalb)
Mitarbeiter weltweit: 8400
Vorstandsvorsitz: Donald R. Johnson
Börsennotierung: NASDAQ, New York
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