„Die Chinesen kommen, und sie kommen gewaltig“, heißt es im Schreiben der Sparkasse einer Stadt im Südwesten Deutschlands (es könnte auch eine andere Region sein). Ein Experte ist für die Veranstaltung am 14. September angekündigt, dessen China-Buch derzeit in den Bestseller-Listen ganz oben stehe. Der Vorstand lädt persönlich ein, denn:
„Der Austausch von Waren und Dienstleistungen entwickelt sich hervorragend. Die Experten sind sich einig: Der chinesische Markt wird weiter wachsen. Ein Wachstum, das auf absehbare Zeit keine Grenzen kennt … Chancen bieten sich dabei immer mehr auch den kleinen und mittleren Betrieben aus unserer Region.“ Das ist fahrlässige Irreführung, die dutzendfach in Deutschland stattfindet. Ein Wirtschaftsmagazin bewirbt derzeit seinen 3. China-Kongress in Berlin.
Interessenten des Mittelstands sollten sich lieber eigene Gedanken machen und Vorkehrungen treffen, bevor sie sich zu kostspieligen und schwer zu beendenden China-Abenteuern hinreißen lassen. Nicht vergessen: Die „Experten“ können meist nicht einmal chinesische Quellen lesen.
Irreführend ist es auch, eine Verbindung zwischen deutsch-chinesischem Handel und dem Markt der 1,3 Milliarden Chinesen herzustellen. Exporte und chinesischer Markt sind nämlich zwei Seiten von zwei Medaillen – nicht einer. Die Exporte nach China steigen zwar seit Jahren um zweistellige Prozentbeträge (auf 21 Mrd. Euro 2004). Aber der weitaus größte Teil dieser Ausfuhren sind Investitionsgüter, die an bekannte internationale Kunden gehen, die früher nur andernorts investierten. Nun kaufen sie Maschinen und Anlagen für ihre neuen Fabriken in China, denn lokal finden sie – außer Boden und Backsteinen – nichts von dem, was sie benötigen. Deshalb beschaffen sie es dort, wo sie es immer taten: bei ihren Lieferanten in Deutschland oder Europa.
Mit dem chinesischen Markt der 1,3 Milliarden haben diese Lieferungen nichts zu tun. Eher schon damit, dass westliche Unternehmen Jahr für Jahr 50 bis 60 Mrd. US-$ in den Aufbau von Produktionsstätten für die Exportverarbeitung stecken.
Die Mehrheit derjenigen aber, die nach China gehen, um lokale Märkte aus lokaler Produktion zu bedienen, scheitert. Man kann das inzwischen auch nachweisen, denn Firmen-Finanzberichte sind – in professioneller Aufbereitung und mit schockierenden Zahlen (Quelle: lokale Ämter und Finanzbehörden) für praktisch jede Firma in China käuflich zu erwerben.
Der Kolumnist hat mal reingesehen: Metro in Shanghai weist (nach zehn Jahren!) für 2004 einen Verlust von 18 Millionen Euro aus, Verluste auch bei Bosch Autoteile in Suzhou: Minus 400 000 Euro (2004). Mit einer vor zehn Jahren getätigten Investition von rund 100 Millionen Euro für eine Gabelstapler-Produktion erwirtschaftete Linde 2004 gerade mal 400 000 Euro.
Tip: Beschaffen Sie sich vor ihrer China-Investition ein paar Finanzberichte über bereits dort tätige Konkurrenten. Für den Teilnahme-Preis an einem China-“Experten”-Kongress bekommen sie leicht zehn Stück. Die haben Sie in einem Bruchteil der Tagungszeit durchgearbeitet und wissen hinterher zehnmal so gut Bescheid.
Exporte und chinesischer Markt sind zwei Seiten von zwei Medaillen
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