Prof. Dr. Anke Pyzalla ist Direktorin und Geschäftsführerin am Max-Planck-Institut für Eisenforschung GmbH in Düsseldorf. Das MPIE entwickelt neue Stähle und charakterisiert dazu die Mikrostrukturen dreidimensional.
Was kann ich mir unter Eisenforschung genau vorstellen?
Wir betreiben Grundlagenforschung und beschäftigen uns mit Grundsatzproblemen, die für die Industrie große Bedeutung haben können. Viele Unternehmen kommen auch mit Fragestellungen direkt auf uns zu und wir versuchen dann, das Grundsätzliche daraus in den Blick zu nehmen.
Wo sind die Einsatzgrenzen von Stahl?
Von diesen Grenzen sind wir meiner Meinung noch weit entfernt. Natürlich gibt es einen Wettbewerb zwischen dem Machbaren und dem Bezahlbaren. Wie sich die Einsatzgebiete zur Zeit erweitern, zeigt der Einsatz hochfester Stähle im Brückenbau, der immer elegantere Konstruktionen mit früher undenkbaren Spannweiten zulässt. Ähnliche Durchbrüche sind im Fahrzeugbau zu erwarten. Selbstverständlich muss dazu das Gesamtpotenzial einer Stahlsorte erforscht und ausgeschöpft werden. Dazu gehört eine hohe Beständigkeit gegen Korrosion, die leichte Umformbarkeit zu Halbzeugen und Bauteilen sowie das Zusammenfügen mit anderen Werkstoffen.
Welche Schwerpunkte liegen in Ihren Arbeiten?
Wir entwickeln neue Stähle mit neuen Gefügen und Zusammensetzungen. Dazu charakterisieren wir die Mikrostrukturen sogar dreidimensional. Nur wenn wir den Stahl verstehen, können wir ihn noch besser machen.
Und was bedeutet das in der Praxis?
Wir können mit hochintensiver, hochenergetischer Synchrotron-Röntgenstrahlung sehen, was im Inneren eines Werkstoffes passiert. Also wann und wie der Werkstoff zu versagen beginnt, wo die ersten Poren auftauchen, wie diese gedehnt werden und wann daraus Risse entstehen.
Der praktische Nutzen steht im Fokus?
Ja, wir arbeiten in vielen teilweise durch das BMBF oder die EU geförderten Projekten mit Industrieunternehmen zusammen. In diesen Projekten wird vorwettbewerbliche Forschung durchgeführt. So untersuchen wir auch die Eigenspannungsverteilungen, wie sie in Kurbelwellen, Schweißverbindungen oder Rohren mit komplexer Geometrie bei der Herstellung entstehen.
Können Stähle simuliert werden?
Wir versuchen herauszufinden, wie man durch Simulation auf Basis der Quantenmechanik Entwicklungszeiten von Stählen verkürzen kann.
Machen Sie auch Untersuchungen in andere Richtungen?
Wenn Stahl mit anderen Werkstoffen verbunden wird, wie bei Schweiß-Löt-Verbindungen mit Aluminium, dann interessieren die Mikrostruktur und die Eigenschaften der gesamten Fügeverbindung. Darüber hinaus untersuchen wir aber auch Materialien, deren Bezug zum Stahl man nicht auf den ersten Blick erkennt, wie bei Sauropodenknochen, die bis zu 100-Tonnen-Eigengewicht tragen mussten. Vielleicht wird man eines Tages aus der Kenntnis dieses optimierten biologischen Aufbaus auch mit Stahl noch leistungsfähiger und filigraner als heute konstruieren können.
Werner Möller werner.moeller@konradin.de
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