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Strategische Einkäufer gesucht

Den Fachkräftemangel in der Einkaufsabteilung haben die Unternehmen teils selbst verursacht
Strategische Einkäufer gesucht

Strategische Einkäufer gesucht
Stephan Penning rät den Einkäufern, nicht in Beschaffungspreisen zu denken, sondern Gesamtkosten im Blick zu behalten Foto: Penning Consulting
IT-Experten und Ingenieure werden händeringend gesucht – diese Meldung kann man täglich in der Zeitung lesen. Von einem Einkäufermangel redet dagegen niemand. Dabei kann der ähnlich gravierende Auswirkungen auf den Erfolg eines Unternehmens haben. Es werden vor allem Strategische Einkäufer gesucht, die auf Augenhöhe der Geschäftsführung agieren.

Der Einkauf hat einen großen Einfluss auf alle nachfolgenden Prozesse wie etwa Produktion, Qualitätssicherung und Vertrieb. Je nach dem, welche Verträge der Einkäufer mit seinen Lieferanten schließt und nach welchen Kriterien er Produkte und Dienstleistungen auswählt, entstehen dem Unternehmen entweder hohe Kosten oder es ergeben sich ungeahnte Einsparmöglichkeiten. Allein die Optimierung der Beschaffungsprozesse durch einen qualifizierten Einkäufer kann das Ergebnis verbessern.

Die Suche nach geeigneten Mitarbeitern gestaltet sich schwierig: Zwei Drittel aller Unternehmen brauchen durchschnittlich acht Monate, bevor sie eine offene Stelle im Einkauf wieder besetzen können. Das geht aus einer Umfrage von Penning Consulting unter 500 Unternehmen hervor. „Sie haben zu wenige Talente in den eigenen Reihen“, so Geschäftsführer Stephan Penning, „in der Zwischenzeit bleiben viele wichtige Aufgaben liegen.“ Selbst wenn es genügend Bewerber für die Einkaufsabteilung gebe, „haben nur 20 bis 30 Prozent die Qualifikationen für den strategischen Einkauf“.
Bisher waren Einkäufer vor allem Erfüllungsgehilfen der Fachabteilungen wie etwa Entwicklung oder Produktion. Diese Rolle hat sich grundlegend geändert: Ein strategischer Einkauf beinhaltet zahlreiche Zusatzaufgaben wie ein professionelles Management der Lieferanten, Warengruppen und Supply Chain, also der gesamten Wertschöpfungskette. Sie dürfen nicht mehr nur in Einkaufspreisen und Transportkosten denken, sondern die Total Cost of Ownership (TCO) berücksichtigen. Da kann ein höherer Einkaufspreis zu geringeren Gesamtkosten führen, wenn beispielsweise das eigentliche Produkt etwas teurer ist, die Verpackung jedoch zu Einsparungen beim Transport führt. Solange aber jede Abteilung nur ihre eigenen Kosten im Blick hat, wird sich die TCO-Strategie nicht durchsetzen.
Die Ausbildung hinkt dem Bedarf hinterher: „Es gibt noch keine eigene Hochschulausbildung und erst acht Lehrstühle nur für das Thema Einkauf“, kritisiert Penning. Früher war der Einkauf lediglich ein Anhängsel an andere Fachbereiche. „Ein Wirtschaftsstudium ist eine gute Grundlage, aber es muss eine Spezialisierung auf Einkauf möglich sein.“ Leider habe der Einkauf nicht die Wertigkeit wie etwa das Marketing, „dabei rangiert er mindestens auf Augenhöhe“. Penning fordert mehr Studien- und Ausbildungsmöglichkeiten. „Wir erleben eine Internationalisierung der Märkte mit volatilen Preisen, und darauf muss der Einkauf vorbereitet werden.“
Natürlich ist es auch Aufgabe der Unternehmen, Talente zu identifizieren und zu schulen. Neben den Kompetenzen Vertrags- und Preisverhandlungen, internationaler Warenverkehr oder Bestellabwicklung müssen sich die Einkäufer zum Beispiel mit den Rohstoffen auskennen. Das erfordert spezialisierte Kenntnisse, etwa über Metalle, Kunststoffe oder Seltene Erden. „Die Warengruppen- und Technikkompetenz ist extrem wichtig“, findet Penning. Wer bisher Düngemittel eingekauft hat, könne in einem anderen Betrieb nicht automatisch Pumpen beschaffen. Trotzdem werden sich die Unternehmen mit dem Gedanken anfreunden müssen, fachfremde Einkäufer umzuschulen. „Ich könnte mir eine duale Ausbildung vorstellen“, so Penning.
Selbst zur Beschaffung von geringwertigen Gütern und indirekten Materialien sind qualifizierte Einkäufer gefragt. „Früher hat die Sekretärin Büromaterial eingekauft“, so Penning, „aber sie hat lediglich Verträge verlängert.“ Dabei könne man gerade in diesen Bereichen viel einsparen – etwa durch einen Lieferantenvergleich, den Abgleich von Spezifizierungen, die Reduzierung der Varianten und die Bündelung von Bestellungen. Penning: „Selbst für diese Aufgaben sind kaum Einkäufer zu finden.“ Als Alternative bieten sich beispielsweise Ingenieure und Entwickler an, die sich zu Einkäufern weiterbilden lassen könnten. Auch Vertriebsmitarbeiter sind geeignet, denn sie kennen das Geschäft von der gegenüberliegenden Seite.
Doch warum sind gute Einkäufer so selten? Ist der Job nicht interessant? Verdienen sie zu wenig? Oder ist der Beruf einfach zu unbekannt? Penning hält die Arbeit für spannend: „Wertschöpfungsmanager oder Business Partner ist ein toller Job, denn er setzt unternehmerisches, bereichsübergreifendes Denken voraus.“ Strategische Einkäufer sind Techniker, Analysten und Berater in einer Person. Dazu müssen sie Analysemethoden kennen wie etwa Cost Breakdown oder SWOT, dem englischen Kürzel für Stärken, Schwächen, Chancen und Risiken. „Sie beraten Fachabteilungen und haben viele Gestaltungsmöglichkeiten bei der Umsetzung ihrer Konzepte.
Der Fachkräftemangel ist teilweise hausgemacht, denn die Recruiter suchen am falschen Ort. „Die passive Suche über Stellenanzeigen ist nicht mehr geeignet“, so Penning. Er empfiehlt eine potenzialorientierten Suche: „Die Recruiter müssen im Internet recherchieren, Soziale Netzwerke durchforsten und sich einen Pool potenzieller Mitarbeiter aufbauen.“ Das sei eine langfristige Strategie. „Man kann nicht erst anfangen, wenn die Vakanz bereits besteht.“ Zudem führe die Laufbahn oft in eine Karrieresackgasse. Es gibt inzwischen zwar auch Einkäufer im Vorstand, aber noch zu selten. Pennings Forderung: „Hier muss ein Umdenken stattfinden.“
Kirsten Seegmüller Freie Journalistin in Leinfelden
Industrieanzeiger
Titelbild Industrieanzeiger 6
Ausgabe
6.2024
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