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Strategischer Partner des Blechbearbeiters

Behrens: Vom Stanzmaschinen- zum Werkzeugbauer
Strategischer Partner des Blechbearbeiters

Aus den Überresten des Stanzmaschinenherstellers Behrens ist ein Systemlieferant für die Automobilindustrie geworden. Das Know-how in der Blechbearbeitung konzentriert sich jetzt auf den Bau von Werkzeugen, die in enger Kooperation mit den Kunden entwickelt werden.

Sven Hardt ist freier Journalist in Berlin

Ein Hauch von Gründerzeit umweht den Besucher des riesigen Backsteinkomplexes aus ehemaligen Werkshallen und Bürogebäuden. Fast glaubt er, die Werkssirene zu hören und den Gestank der Schornsteine und Maschinen zu schmecken. Doch auf dem alten Gelände der 1848 gegründeten Behrens AG in Alfeld an der Leine haben sich junge Firmen niedergelassen. Der Stammsitz des einstigen Maschinenbau-Unternehmens ist jetzt ein Business-Center.
Der Zusammenbruch des Ostblocks Ende der 80er Jahre traf die Behrens AG hart. 50 % aller Exporte gingen in diese Region. Die Behrens-Familie verkaufte das Unternehmen 1992 an die Greifenberger Holding, die ebenfalls glücklos blieb. 1997 wurde Konkurs angemeldet. Dabei war Behrens ein hochinnovativer Hersteller von Blechbearbeitungsmaschinen, hatte 1974 auf der Messe Bimu in Mailand die weltweit erste Stanz-Laser-Kombination vorgestellt. Doch völlig verschwunden ist der Name Behrens nicht: Ein innovativer Kern konnte sich über die Krise retten. Im Mai 2001 kaufte Dr. Carl Behrens, ein Nachfahr der Familie, die Reste der Firma von Hamburger Kaufleuten, die das bankrotte Unternehmen 1997 übernommen und mit 35 Mitarbeitern weitergeführt hatten.
Die C. Behrens Werkzeugbau und Service GmbH baut heute keine Maschinen mehr. Der 75-Mitarbeiter-Betrieb konzentriert sich auf den Werkzeug- und Formenbau. „Weitere Standbeine sind der Service für die Behrens-Revolverstanzmaschinen und der Verkauf von überarbeiteten Gebrauchtmaschinen“, berichtet Lutz Raugust, Prokurist und Vertriebsleiter bei Behrens. Die Niedersachsen kaufen gut erhaltene Stanz-Nibbelmaschinen von bekannten Kunden zurück und überarbeiten diese mit dem Know-how des Herstellers. Behrens ist ein Geheimtip für Blechbearbeiter, die günstige und robuste Revolverstanzmaschinen suchen. „Dieses Geschäft ist aber rückläufig, weil keine neuen Maschinen mehr nachkommen“, erklärt Raugust.
Der erfolgreiche Werkzeugbau kompensiert diesen Rückgang. Im vergangenen Jahr erzielte das Unternehmen mit Schneid-, Stanz- und Folgeverbundwerkzeugen gegen den Trend 25 % Wachstum, in diesem Jahr werden es über 30 % sein. Der Umsatz soll 2002 bei etwa 5,6 Mio. Euro liegen. Hauptabnehmer der Werkzeuge zur Blechbearbeitung sind Automobilzulieferer.
Wie kommt der Erfolg nach der großen Pleite zu Stande? Behrens fand junge, motivierte Mitarbeiter, die das Unternehmen gemeinsam aufbauen wollten. „Dieser Teamgeist ist sehr wichtig“, sagt Raugust und verweist auf die positiven Folgen: Behrens schafft Arbeitsplätze und sucht qualifizierte Mitarbeiter. Keine Spur mehr von der Depression des Konkurses. Im Gegenteil: Es herrscht Aufbruchsstimmung.
Behrens wird selbst als Stanzbetrieb am Markt auftreten
Ein weiterer Faktor trägt wesentlich zum Erfolg der Alfelder bei: „Früher waren wir rein produktorientiert, heute sind wir kundenorientiert“, beschreibt der Prokurist den Wandel. Der Werkzeugbauer sieht sich als wichtigen strategischen Partner des Blechbearbeiters, denn große Aufträge hängen auch von der pünktlichen Lieferung und der Qualität des Werkzeugs ab.
Das Unternehmen ist heute Systemlieferant für die Automobilindustrie. Es bietet die komplette Entwicklung von Prototypen- und Serienwerkzeugen. „Wir bauen nicht nur nach Kundenzeichnung, sondern konstruieren auch selbst“, sagt Raugust. „In erster Linie sind wir ein Lösungsanbieter.“ Um Lösungen zu finden, arbeiten die Behrens-Konstrukteure eng mit ihren Pendants bei den Kunden zusammen. 3D-Konstruktion und Austausch von 3D-Daten via Internet gehören zum Standard und erleichtern die Arbeit der Entwickler enorm.
Behrens versucht, Kostensenkungspotentiale in der Produktion des Kunden zu ermitteln. Daher hinterfragen die Werkzeugbauer den Einsatzzweck des zu fertigenden Teils. Muss dieses Deckelbech wirklich eine Fehlertoleranz von 1/100 mm aufweisen, obwohl 1/10 mm völlig ausreichend wäre? Wenn nein, spart der Auftraggeber 20 % der Werkzeugkosten, denn sehr geringe Toleranzen sind in der Umformtechnik nur sehr teuer zu realisieren.
Rationalisierungspotenzial liegt auch im Layout eines Folgeverbundwerkzeugs, das mit einem Hub mehrere Arbeiten wie Stanzen, Schneiden, Säumen, Umbiegen oder Tiefziehen ausführt. Folgeverbundwerkzeuge mit bis zu 12 Stationen gehören zu den Spezialitäten der Niedersachsen.
Jedes neue Werkzeug ist ein Unikat. Und jedes dieser Unikate ist ein komplexes, gemanagtes Projekt. Ein größeres Werkzeug hat eine Durchlaufzeit von rund sechs Monaten. „Schon bei den ersten Anfragen versuchen wir in Richtung Kosteneffizienz zu wirken“, sagt Raugust. Der Werkzeugmacher deckt während der Entwicklung technische Probleme auf. Die Kunden besuchen Behrens während der Entwicklung regelmäßig, einige sogar wöchentlich, und testen gemeinsam mit den Konstrukteuren an der Probierpresse.
Behrens-Mitarbeiter informieren den Kunden über jeden Projektschritt. Schritt eins ist die Konstruktion, die rund zwei Wochen in Anspruch nimmt. Schritt zwei umfasst Teilebeschaffung und -fertigung. Bei den Schlüsseltechnologien Erodieren und Fräsen setzt Behrens ausschließlich moderne Technik ein: Drei Charmilles-Maschinen stehen zum Senkerodieren bereit, weitere drei Maschinen desselben Herstellers und eine Fanuc zum Drahterodieren. Kernstück der Fräsabteilung ist eine 5-Achsen-HSC-Fräsmaschine von Mikron.
Der Preis für ein Werkzeug hängt – ganz klar – vom Aufwand der Herstellung ab. Besonders bei Folgeverbundwerkzeugen ist die Preisermittlung recht komplex. Anzahl und Folge der Bearbeitungsschritte bestimmen neben den Anforderungen der Maschine beim Kunden die Bearbeitungszeiten für das Werkzeug.
Die Kosten für ein Werkzeug liegen zwischen 10 000 und 100 000 Euro. Im Durchschnitt baut Behrens ein Werkzeug für 40 000 Euro. Damit gehören die Niedersachsen nicht zu den preiswertesten Anbietern. Der Wettbewerb auf dem Markt für Werkzeuge zur Blechumformung ist jedoch eher ein Qualitätswettbewerb. Die Automobilbauer verlangen von ihren Zulieferern höchste Qualität in kürzester Zeit. Das Werkzeug amortisiert sich in der Serienproduktion. Kaum ein Zulieferer wird bei der Schlüsseltechnologie „Werkzeuge“ sparen, wenn er mit Qualitätseinbußen bezahlen muss.
Die Einmaligkeit der Projekte fordert vom Werkzeugbauer, ständig neues Geschäft zu akquirieren. Zwar arbeitet Behrens mit großen Kunden kontinuierlich zusammen, und die immer kürzeren Modellzyklen sowie die zunehmende Modellvielfalt in der Fahrzeugbranche kommen dem Werkzeugbau zu Gute. Dennoch wollen sich die Alfelder unabhängiger machen von den Schwankungen dieses Geschäfts: Im nächsten Jahr wird Behrens selbst als Stanzbetrieb am Markt auftreten. Der Anstoß kam von Kunden, die Nullserien am liebsten beim Werkzeugbauer fahren wollen. „Das geht bei uns noch nicht, aber die Stanz-automaten sind bereits bestellt“, berichtet Raugust. Dann wollen die Niedersachsen mit selbst gefertigten Werkzeugen produzieren und ihrerseits Zulieferer der Autobauer werden.
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