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Trotz Eifersüchteleien zusammengefunden

Verbände: VDA und VDMA wollen zusammenarbeiten
Trotz Eifersüchteleien zusammengefunden

Trotz Eifersüchteleien zusammengefunden
Bis zum Ende des Jahres wollen die Automobilhersteller von den Maschinenbauern Qualitätsnachweise in irgendeiner Form haben. Doch die große Mehrzahl der Branche hat noch nichts vorzuweisen
Ein neu gegründetes Kompetenzzentrum Automobilindustrie soll die Zusammenarbeit zwischen Autobau und Maschinenbau verbessern. Aber keine Branche will sich der anderen unterordnen.

Von unserem Redaktionsmitglied Thomas Baumgärtner

Gerne wird der Automobilindustrie und ihrem Verband, dem VDA, unterstellt, daß sie alle anderen Industriebranchen mehr oder weniger als ihre Zulieferer betrachten. Dem mächtigen Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau, VDMA, gefällt diese Vorstellung jedoch gar nicht. Auf der Auftaktveranstaltung des von beiden Verbänden gegründeten Kompetenzzentrum Automobilindustrie beeilte sich VDMA-Geschäftsführungsmitglied Thilo Brodtmann deshalb flugs um Klarstellung hinsichtlich des Gleichgewichts der Kräfte:
Der Maschinenbau würde 1999 mit etwa 923 000 Beschäftigten rund 264 Milliarden Mark umsetzen. Die Automobilindustrie dürfte mit über 720 000 Mitarbeitern rund 320 Milliarden Mark erwirtschaften. „Unsere beiden Branchen sind damit von der Größe die bedeutendsten Wirtschaftszweige in Deutschland“, so Brodtmann.
Insgeheim aber sehen sich die Maschinen- und Anlagenbauer schon als die eigentlich Wichtigen: „Die Automobilindustrie profitiert von der enormen Leistungsfähigkeit, technischen Kompetenz und der extrem breiten Angebotspalette des deutschen Maschinenbaus“, so Brodtmann selbstbewußt. Und: Der Maschinenbau liefere die Produktionsmittel, die dafür sorgen, daß neue Ideen aus den Forschungs- und Entwicklungsabteilungen der Automobilindustrie in die Serienproduktion umgesetzt werden.
Doch ganz ohne Leistungsanteil wollte der VDMA-Vormann während der Kompetenzzentrumspräsentation die Kollegen bei den Autobauern nicht lassen: Auch der Maschinenbau profitiere von der Zusammenarbeit und werde „durch die hohen technischen Anforderungen“ der Automobilindustrie „zu immer neuen Höchstleistungen“ angespornt, so Brodtmann hintersinnig.
Denn darum, wer die Meßlatte für diese „Höchstleistungen“ anlegt, geht der Streit hinter den Kulissen und bei den Themenfeldern, die in der gemeinsamen Initiative bearbeitet werden sollen. Klar ist beiden Seiten, daß sie der Strukturwandel zu engerer Zusammenarbeit zwingt. „Wir sind der Auffassung, daß die Potentiale, die in einer intensiveren Partnerschaft zwischen Maschinenbau und Automobilindustrie stecken, noch lange nicht ausgeschöpft sind“, so Brodtmann. Auch VDA- Geschäftsführer Prof. Martin Herzog zeigt sich überzeugt, daß der Weltmarkterfolg beider Industrien noch maßgeblich gesteigert werden könne, „wenn die Potentiale einer intensiveren Partnerschaft genutzt und ausgebaut“ werden würden.
Drei große Handlungsfelder haben die Verbände ausgemacht und diese sich als Aufgaben unter anderem so beschrieben:
Industrielle Kommunikation
Der Datenaustausch erlangt immer größere Bedeutung im komplexen Geflecht der Lieferanten und Abnehmer beider Industrien. Die Übertragungssicherheit und die Qualität der Konstruktionsdaten müssen gewährleistet werden. Diese Thematik haben Arbeitskreise von VDA und VDMA bereits 1997 aufgegriffen. Deren Ergebnisse führten zu einer Neufassung der VDA 4955, die Empfehlungen für den einvernehmlichen Umgang mit den Daten gibt.In unmittelbarem Zusammenhang damit steht die Schnittstellenproblematik. Beide Verbände wollen in Feldversuchen prüfen, ob ihnen die vergleichsweise neue Schnittstelle STEP weiterhelfen kann.
Partnerschaftliche Zusammenarbeit
Simultaneous Engineering wächst erst mit Verzögerung in den betrieblichen Alltag von Lieferanten und Anwendern von Produktionsmitteln hinein. Die immer kürzeren Innovationszyklen sind aber nur dadurch zu bewältigen, daß Entwicklungsarbeiten bei Zulieferern, Ausrüstern und Automobilherstellern parallel durchgeführt werden.
Enorme Herausforderungen kommen sowohl auf die Automobilindustrie selbst als auch auf die Zulieferer und Ausrüster im automobilen Umfeld beim Thema Qualitätsmanagement zu: Teilweise konkurrierende Forderungskataloge haben teure und personalintensive Maßnahmen erforderlich gemacht, um allen Anforderungen der Automobilindustrie gerecht zu werden. Aus der Zusammenarbeit von VDA- und VDMA-Arbeitskreisen ist die VDA-Richtlinie zum Qualitätsmanagement 6.4 entstanden.
Technische Entwicklungstrends
Drittes gemeinsames Handlungsfeld ist die frühzeitige Identifikation und Umsetzung technischer Entwicklungstrends.
Die Bildverarbeitung für die Automatisierung der Qualitätssicherung, zur Materialflußkontrolle und zur Maschinensteuerung ist heute Stand der Technik in der Automobilindustrie. Insbesondere dort, wo Roboter in der Fertigung eingesetzt werden, hält die industrielle Bildverarbeitung Einzug.
Mit der Technologie des Innenhochdruck-Umformens eröffnet der Maschinenbau der Automobilindustrie eine ganze Reihe von Vorzügen.
Besonders beim Thema Qualitätssicherung lieferten sich die Kontrahenten ein heftiges Fingerhakeln. Herausgekommen ist mit der VDA 6.4. ein Regelungswerk, das, anders als bei den Teilezulieferern, eine Selbstverpflichtung hinsichtlich Qualität zum Kern hat (s. Kommentar).
Bei der Selbsterklärung zum Managementsystem handelt es sich um ein Verfahren, „mit dem ein Unternehmen darstellt, wie sein Managementsystem die unternehmensspezifischen Anforderungen erfüllt und wirksam ist“, heißt es in einer VDMA-Darstellung. Dabei genügt es nach Darstellung des VDMA nicht, einfach nur das Zertifikat zu unterschreiben. Vielmehr müsse zu vier Kernthemen Stellung bezogen werden: Effizienz des Unternehmens, Kundenbezug, Produktbezug und Managementstrategie.
Die Erfinder der Selbsterklärung setzen gleichwohl auf den psychologischen Effekt. Denn der Geschäftsführer steht mit seinem Namen für die Wahrhaftigkeit der Erklärung.
Kommentar: Der Treffer des VDMA
Wer hat nun wen über den Tisch gezogen: der VDMA den VDA oder die Autobauer den Maschinenbau? Die Branchen sind zur Zusammenarbeit verdammt und müssen sich zusammen durch die schmale Gasse zwängen, die der Wettbewerb ihnen läßt. Doch beide unterstellen sich Hegemoniebestrebungen. Bei keinem Thema wird das deutlicher als bei der Qualitätssicherung.
Die Zertifizierungserwartungen und Qualitätsmanagementvorschriften sind der Geßlerhut der Automobilindustrie, den alle Zulieferer zu grüßen haben. Wird auch der stolze deutsche Maschinenbau das Haupt neigen?
Mit Nachfragemacht und Akribie haben die Kfz-Hersteller in den letzen Jahren ein Kontrollsystem entwickelt, das den Teile- und Komponentenlieferanten schwer zu schaffen macht. Gut: anfänglich mag ein gewisser Druck nötig gewesen sein, um Zulieferer zu modernen Qualitätssicherungssystemen zu bringen. So mancher Unternehmer war erstaunt darüber, welche Unzulänglichkeiten der Zertifizierungsprozeß ans Tageslicht gebracht hat.
Doch zwischenzeitlich ist das System ausgefranst: Teilweise konkurrierende Forderungskataloge der einzelnen Hersteller und ein Auditorentourismus plagen vor allem mittelständische Zulieferer. Offenes Geheimnis ist es zudem, daß in manchen Ländern das ISO-Zertifikat auf dem schwarzen Markt zu erwerben ist.
Diese Situation hat sich der VDMA zunutze gemacht – und versuchte sich als Wilhelm Tell. Ganz gelungen ist ihm die Rebellion nicht. Auch die stolzen Maschinenbauer müssen sich in die Rolle des Zulieferers der Automobilindustrie fügen. Aber das Instrument der Selbsterklärung zwingt sie bei der Qualitätssicherung nicht in das Tal der Tränen. Der VDMA kann sich insofern als Retter fühlen.
Thomas Baumgärtner
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