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Wettbewerb der Köpfe rund um den Globus

Wer heute nicht forscht, wird morgen überrundet
Wettbewerb der Köpfe rund um den Globus

Wird nicht jetzt massiv in Forschung und Entwicklung investiert, sinken die Marktchancen rapide ab: So warnen alle Verantwortlichen in Industrie, Wissenschaft und Politik. Wie aber soll der Mittelstand agieren? Experten überraschen mit einer Fülle von Tipps.

Von unserem Redaktionsmitglied Olaf Stauß olaf.stauss@konradin.de

„Investieren Sie in Forschung und Entwicklung“, sagte Intel-CEO Craig Barrett kürzlich. „Deutschland muss sich heute entscheiden, wie es mit aufstrebenden Ländern wie China, Russland und Indien mithalten will.“ Bundesforschungsministerin Edelgard Bulmahn äußert sich ähnlich: „Vorsprung erreicht man nicht durch Hinterherrennen, sondern durch Überholen auf neuen Wegen.“ Und Professor Hans-Jörg Bullinger, Präsident der Fraunhofer-Gesellschaft macht klar: „Wir brauchen eine Innovationsoffensive. Wenn wir einen deutlich höheren Lebensstandard haben wollen als Korea, Taiwan oder Brasilien, dann müssen wir etwas leisten, was sie nicht können.“
Im Grunde sind sich alle einig: Wenn die F+E-Ausgaben nicht steigen, läuft Europa Gefahr, den Anschluss bei Schlüsseltechnologien zu verlieren. Sie aber sind die Treiber für Innovationen. In den USA belaufen sich die jährlichen F+E-Gesamtausgaben auf 2,7 % des Bruttoinlandsproduktes (BIP) und in Japan auf 3 %. In Europa betragen sie dagegen nur 1,9 % – aufgesplittet auf viele kleinere Töpfe. Die Deutschen haben zwar schon aufgeholt, liegen mit 2,5 % aber nur an siebter Stelle in der EU.
Am deutlichsten hat bisher die EU auf den Wettbewerbsdruck reagiert. Um eine „kritische Masse in der Forschung“ zu bilden, etwa als Gegengewicht zu den Aktivitäten in den USA, bündelt Forschungskommissar Philippe Busquin die Mittel stärker für größere Vorhaben. Gefördert werden zum Beispiel „Integrierte Projekte“ (IP) mit Budgets in zweistelliger Millionen-Höhe und mehreren Industrie- und Forschungspartnern. Ihr Ziel ist es, Durchbrüche bei neuen Technologien herbeizuführen. Kleinere und mittlere Unternehmen (KMU) sollen zwar möglichst zu 15 % beteiligt werden. Doch für viele (außer rein Technologie-orientierten Firmen) erscheint die Teilnahme eher unrealistisch.
Wie sollen sich Mittelständler in dieser Situation behaupten? Eine Fülle von Antworten und Tipps kommt von Experten. Professor Norbert Höptner von der FH Pforzheim, Leiter des Steinbeis-Europa-Zentrums (SEZ) Stuttgart, weist darauf hin, dass der Weg nach Europa auch für KMU immer wichtiger wird. Zu komplex seien die technologischen Problemstellungen, um sie allein zu Hause zu lösen, und zu eng die nationalen Märkte. Das SEZ bietet speziell KMU die Chance, nach europäischen Partnern für förderwürdige Entwicklungsprojekte zu suchen. Es ist eines von fünf deutschen und 61 europäischen, vernetzten Innovation Relay Centres (IRC), die Technologien „vermakeln“, wie Höptner sagt (www.steinbeis-europa.de, www.irc-deutschland.de).
Viele KMU haben ihre F+E-Etats in den letzten Jahren gekürzt. Um zu sparen, konzentrieren sie sich eher auf kurzfristig umsetzbare Entwicklungsziele. „Aus diesem Prozess müssen wir wieder rauskommen“, betont Höptner. Auch Dr. Michael Zins, Geschäftsführer der Technologieagentur Task GmbH in Dresden, mahnt strategische Budget-Planungen an. Schon seit Jahren unterstützt er Mittelständler bei Projekten im Bereich technische Keramik. „Die Unternehmen sollten genau prüfen, welchen F+E-Aufwand sie betreiben können und diese Mittel dann tatsächlich dafür einsetzen. Denn ihre Zukunft hängt davon ab.“ Zins bemängelt auch, dass sich viele Unternehmen beim Kampf um Fördergelder zu schnell entmutigen lassen. „Konfrontieren Sie Beratungsinstitutionen wie die IRC mit Ihrem klaren Willen, ein konkretes Ziel umzusetzen. Vieles geht leider durch halbherzig angegangene Anfragen und Beratungen verloren.“
An wirklich neue Technologien kommen KMU nur über Kooperationen und Netzwerke. Warum nicht mit dem Konkurrenten an einem Strick ziehen? Beispiele vorwettbewerblicher Gemeinschaftsforschung zeigen, dass die Zusammenarbeit sehr erfolgreich sein kann. So arbeitet das Fraunhofer-IKTS zurzeit für sieben Hartmetall-Firmen an optimierten Sinterzyklen und -atmosphären. Auf den Ergebnissen bauen die sieben später individuell auf.
Je enger die Entwicklungskooperation, desto penibler sollten Zusammenarbeit und Ausbeute geregelt werden, empfehlen Experten. Ganz anders funktioniert jedoch die preisgekrönte internationale Kooperation Eucopet. Ihr Initiator Stefan Kaiser bezeichnet sie als „Vertrauenskooperation“. Kaiser ist Geschäftsführer der Friedrich Freek GmbH, Menden, einem von fünf Heizelemente-Herstellern mit jeweils maximal 50 Beschäftigten. Begonnen haben die Partner damit, ihre Produkte wechselseitig zu vertreiben. „Als wir uns nach zwei Jahren als Freunde verstanden, gingen wir eine F+E-Kooperation ein“, berichtet Kaiser, „und das brachte den Durchbruch“. Neue Produkte entstanden und wurden zum Verkaufsschlager. Seit 1997 hat allein Freek seinen Kundenstamm verzehnfacht. Wer unter den fünfen welches Produkt für wen herstellt, regeln die Chefs unter sich. Kaisers Tipp: „Viel aus dem Bauch entscheiden und nicht so viel aufschreiben, sonst geht man unter.“
Für jeden Innovationsprozess braucht es Mut, eigenes und fremdes Wissen und nicht zuletzt Kreativität. Ohne gute Ideen geht gar nichts. Fraunhofer-Präsident Bullinger fordert daher eine Innovationskultur, die jeden einzelnen erfasst – und damit einen Paradigmenwechsel: „Jeder Mitarbeiter soll sich am Ende des Jahres fragen, ob er irgendetwas Neues gemacht oder nur verwaltet hat.“ Innovatives Denken soll in Fleisch und Blut übergehen. „Wir müssen Kreativität nicht nur fordern, sondern auch fördern“, verlangt Bullinger.
Wie positiv sich solche Ansätze auswirken, erlebt zurzeit die Mann+Hummel GmbH mit ihren Erfinderprämien für Mitarbeiter. 80 000 Euro hat der Filterspezialist dieses Jahr ausbezahlt. Zwar gibt es dafür eine gesetzliche Verpflichtung. Der Ludwigsburger Zulieferer hält die Information darüber aber nicht bedeckt – wie andere Unternehmen, um Kosten zu sparen – sondern setzt die Prämien aktiv als Instrument ein. Jährlich vergibt Mann+Hummel einen eigenen Innovationspreis. In Workshops werden Lehrlinge und neue Mitarbeiter motiviert. Seit damit begonnen wurde, sei die Zahl der patentwürdigen Ideen im Schnitt um jährlich 25 % angestiegen, schätzt Gerhard Voth, Leiter der Patent- und Markenabteilung. Und von den 130 Vorschlägen dieses Jahres stammen über ein Viertel aus Bereichen wie Vertrieb und Produktion und nicht direkt aus dem F+E-Sektor.
„Wir müssen den Wettbewerb der Köpfe gewinnen“, konstatiert auch Professor Dieter Spath, Nachfolger Bullingers als Leiter des Stuttgarter Fraunhofer-Institutes für Arbeitswirtschaft und Organisation (IAO). Und das bedeute vor allem, Technologien schneller in Produkte umzusetzen. „Und da gibt’s Defizite in Deutschland“, sagt der Professor. Seine Maxime: „Wir müssen mit Ideen systematisch umgehen und in den Unternehmen einen Innovationsprozess installieren.“ Methodisches Vorgehen sollte den gesamten Entwicklungsprozess kennzeichnen von der Ideenfindung, Bewertung und Vorprüfung über die Prototypenerstellung bis hin zur Markteinführung. Spath empfiehlt ein „Technologie-Monitoring“ als eine Art von Bestandsaufnahme: Welche (neuen) Technologien gibt es? Welche können wir für uns nützen? Wo haben wir selbst das Know-how und wo brauchen wir Partner? Das Ergebnis soll in eine langfristige, stragische Innovationsplanung münden mit einer „Road Map“, die auch die Aktivitäten der Partner einbezieht.
Das IAO hat dafür ein Sammelsurium an Instrumenten in petto. In der Phase der Ideenfindung geht es zum Beispiel darum, die versteckten Bedürfnisse des Kunden zu entdecken, „die er selbst noch nicht kennt“. Bohrmaschinen-Hersteller Hilti etwa beobachtete Vertrauenskunden auf der Baustelle mit einer Videokamera und fand heraus, dass viel Zeit beim Anreißen und Positionieren verloren geht. Aus dieser Beobachtung ist ein erfolgreiches Lasermesstechnik-Programm geworden.
Natürlich können neue Produkte auch zu Flops werden, nichts geht ohne Risiko. Dann heißt es, konsequent Abstand zu nehmen. Spath zitiert hier gerne eine Weisheit der Dakota-Indianer: „Wenn du entdeckst, dass Du ein totes Pferd reitest, steig ab.“ Auch große Autohersteller mussten schon von ihren toten Pferden absteigen, BMW kürzlich vom C1-Bügelroller, Audi stieg aus der A2-Produktion aus.
Innovatives Denken sollte in Fleisch und Blut übergehen
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