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Wo ist noch Fleisch am Knochen?

Materialflussanalyse deckt Schwachstellen auf und optimiert die Prozesse
Wo ist noch Fleisch am Knochen?

Überflüssige Stapler, umständliche Wege und viele Leerfahrten bremsen die innerbetriebliche Logistik und sind Gift für die Wettbewerbsfähigkeit. Mit einer computergestützten Materialflussanalyse kann der Chef sein Unternehmen auf Vordermann bringen.

Von unserem Redaktionsmitglied Uwe Böttger uwe.boettger@konradin.de

Es gibt sie noch, die Staplersammler. Vor allem in größeren Unternehmen stößt Ole Dodeck regelmäßig auf dieses Phänomen. „Auch wenn zum Beispiel Werke zusammengelegt werden, kommen automatisch Fahrzeuge dazu“, beschreibt er seine Erfahrungen. „Die stehen fortan in einer Ecke der Halle, sozusagen historisch bedingt“, ist sich der Marketingreferent von der Jungheinrich AG sicher. „Genutzt werden sie selten, wenn überhaupt.“
Doch die Tage der Staplersammler sind gezählt. Der enorme Wettbewerbsdruck zwingt die Firmen dazu, Optimierungsansätze zu suchen und umzusetzen: Wie kann die Fahrzeugstruktur verbessert werden? Wo lassen sich Abläufe verändern, um Kosten zu sparen? Das sind die Fragen, mit denen sich die Unternehmen heute beschäftigen müssen, wenn sie morgen noch am Markt präsent sein wollen. „Die computergestützte Materialflussanalyse ist ein ideales Werkzeug, um Prozesse zu durchleuchten und Schwachstellen aufzudecken“, weiß Dodeck. Die Simulation zeigt auf, wo noch Fleisch am Knochen ist.
Jungheinrich bietet die Materialflussanalyse als kostenpflichtige Dienstleistung an. Viele Kunden des Hamburger Staplerherstellers nutzen diese Möglichkeit, um ihre Kosten zu senken. So auch die MM Packaging Behrens GmbH & Co. KG in Alfeld an der Leine. Der weltweit größte Hersteller von Recyclingkarton und Europas führender Produzent von Faltschachteln ist alles andere als ein Staplersammler. Im Gegenteil: Das Unternehmen suchte für seine Staplerflotte mit 37 Fahrzeugen ein zukunftsweisendes Fuhrparkkonzept. Ansatzpunkt für die Optimierung war unter anderem der Einsatz einer verbesserten Fahrzeugtechnik. Zudem sollte Jungheinrich die Verkehrswege optimieren und die Transportaufgaben im Werk teilweise reorganisieren und zusammenlegen.
Mit der gemeinsamen Aktion suchte man die Antworten auf unternehmensstrategische Fragen:
  • Wie viele Fahrzeuge werden für die zukünftigen Prozesse gebraucht?
  • Welchen Leerfahrtanteil verursachen die Fahrzeuge und wie lässt sich dieser reduzieren?
  • Welchen Vorteil bringen neue Lagerflächen und Lagerorte?
  • Wie viele Betriebsstunden verursachen die zu bewältigenden Transportaufgaben?
Am Anfang des Projekts stand die Datenaufnahme, die zusammen mit dem Kunden durchgeführt wurde. Die Basis für die Erhebung ist der aktuelle Werkplan, der wichtige Informationen über alle genutzten Fahrwege, Ladestellen und Platzverhältnisse liefert. In der Software werden die Fahrzeuge den einzelnen Bereichen des Werks zugeordnet und mit entsprechenden Leistungsdaten wie Hubhöhe, Ausstattung und etwaigen Anbaugeräten belegt. „Für uns war es auch wichtig zu wissen, ob den Fahrzeugen ein fester Fahrer oder eine feste Abteilung zugeordnet ist“, beschreibt Dodeck das Vorgehen. „Auf diese Weise entwickelten wir schrittweise ein realistisches Abbild des Unternehmens im Rechner.“
Der Datenaufnahme folgt die so genannte Ist-Analyse. Nun wird jeder einzelne Arbeitsprozess im Materialfluss als Transportaufgabe definiert und bewertet. Dabei sind nicht nur die Wege zwischen den Start- und Zielladestellen oder die Fahr- und Hubleistung der einzelnen Stapler relevant. Auch alle Ein- und Auslagerhöhen, Zeitzuschläge und notwendige Leerfahrten werden mit ins Kalkül gezogen. Insgesamt 35 Kennzahlen bietet das Software-System der Hamburger.
Schließlich werden die Transportaufgaben mit Hilfe der Netzplantechnik verknüpft. Pausenzeiten sind dabei ebenso berücksichtigt wie andere Faktoren, die den Materialfluss stören – zum Beispiel Wartungsarbeiten an den Fahrzeugen. Auf diese Weise lassen sich der Tagesablauf im Unternehmen nachbilden und der Materialfluss bewerten. Aus den unterschiedlichen Berechnungen können am Ende Optimierungsvarianten abgeleitet werden.
Stolz ist Jungheinrich auf die 3D-Visualisierung der Abläufe am Bildschirm, die mit einem Flug auf das Lager beginnt. „Das ist etwas fürs Auge“, so Dodeck. Per Mausklick navigiert er in die Hallen hinein. Der Kunde erkennt sein Lager auf dem Bildschirm wieder. Auch seine Stapler, die zwischen den Regalen auf und ab fahren.
Wenn verschiedene Optimierungsvarianten durchgerechnet und auf ihre Alltagstauglichkeit hin überprüft worden sind, wird sich MM Packaging Behrens wohl für eine Lösung entscheiden, die auch Jungheinrich favorisiert und mit der sich am Ende die Fahrzeugflotte in Alfeld um 25 % reduzieren lässt.
Auch die Heinz Arens GmbH im nordrhein-westfälischen Attendorn konnte Defizite im Logistik-Bereich ausmerzen. Das Unternehmen mit seinen 250 Mitarbeitern zählt zu den renommierten Automobilzulieferern für Oberflächen-Fullservice. Als Kai-Uwe Rippe Anfang 2004 die Logistikleitung übernahm, konnte seine Abteilung mit den ansonsten prosperierenden Unternehmensbereichen nicht Schritt halten. Geringe Verfügbarkeit, zu viele Gewaltschäden und zu hohe Betriebskosten attestierte der Logistikfachmann der vorhandenen Staplerflotte. Schließlich hat sich die Geschäftsleitung für eine sukzessive Investition in ein neues Stapler-Equipment entschieden.
Zum Einsatz kam das Linde-Fahrzeugdaten-Managementsystem, kurz LFM, der Linde AG aus Aschaffenburg, das mittlerweile zu einem unverzichtbaren Handwerkzeug der Attendorner geworden ist. Jeder neue Linde-Stapler wird mit LFM ausgestattet. Das System besteht aus einer robusten Hardware-Einheit und zwei Softwaremodulen. Mit der Fahrer- und Fahrzeugverwaltung LFM-Access wird der Zugang zu den Fahrzeugen gesteuert. Der Fuhrparkverantwortliche kann sich kontinuierlich über den Betriebszustand informieren und die Wartungen systematisch planen. Das Modul LFM-Basic stellt Einsatz- und Nutzungsanalysen zur Verfügung, mit denen sich unproduktive Prozesse identifizieren und die Effizienz der Flotte steigern lassen. Dazu wertet die Software die erfassten Fahrzeugdaten wie Einsatz- und Standzeit oder Dauer für Instandhaltung und Wartung aus. Die Berichte für den Nutzer enthalten auch grafische Darstellungen von Nutzung, Zustand und Leerlauf der einzelnen Fahrzeuge. Auf diese Weise lassen sich Verbesserungspotenziale des Flotteneinsatzes faktisch untermauern und Einsatzoptimierungen herbeiführen.
„Zunächst ging es mir um Transparenz“, erzählt Kai-Uwe Rippe. Der Logistikleiter wollte wissen, wann ein bestimmtes Fahrzeug von welchem Fahrer benutzt wurde. Je länger sich Rippe mit dem Softwaresystem beschäftigte, desto mehr tendierte er zur Vollversion. „Heute bin ich über die Verfügbarkeit meiner Fahrzeuge informiert“, freut sich Rippe. Falls etwas aus dem Ruder läuft, lassen sich Gegenmaßnahmen einleiten. So können etwa die Aufgaben schlecht ausgelasteter Geräte von anderen Staplern übernommen werden. „Inzwischen liegt die Auslastung der Fahrzeuge bei 90 Prozent“, so Logistikprofi Rippe.
Auch bei der Wartung hat sich viel getan. Früher musste sich ein Mitarbeiter ständig darum kümmern, dass die Wartungsintervalle eingehalten werden. „Heute genügt ein Blick auf den Bildschirm“, sagt Rippe. Das System generiert vorausschauend Wartungsvorschläge und fasst dabei Wartungstermine für alle Fahrzeuge der Flotte zusammen, was wiederum Kosten spart.
Die Auswertung aller wichtigen Kennzahlen, die das LFM liefert, beansprucht Kai-Uwe Rippe nicht länger als 2 h pro Woche. Früher war ein Mitarbeiter jeden Tag 4 h damit beschäftigt, Fahrzeuge auf Schäden zu kontrollieren, Betriebsstunden zu erfassen und Wartungsintervalle festzulegen. Dieser Aufwand fällt heute unter den Tisch. „Das Einsparpotenzial liegt deutlich im sechsstelligen Eurobereich“, ist die Bilanz von Logistikleiter Rippe.
Transportaufgaben werden mit der Netzplantechnik verknüpft
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