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Worauf sich Zulieferer einstellen müssen

Zwischen Abgesang und Aufbruch
Worauf sich Zulieferer einstellen müssen

Worauf sich Zulieferer einstellen müssen
Dr. Jan Dannenberg, Principal bei Mercer Management:
Gefahr und Chance liegen in der Automobilindustrie offensichtlich nahe beisammen – vor allem für die Zulieferer. Für manche Beobachter stehen sie am Abgrund. Andere sehen in ihnen Gipfelstürmer des Erfolges.

Von unserem Redaktionsmitglied Thomas.Baumgärtner – Thomas Baumgärtner@konradin.de

Erst kürzlich hatte Hans Schardt seine Zuhörer mit düsteren Aussichten beunruhigt. Auf dem Zuliefertag Baden-Württemberg beschrieb der Europa-Chef der Ford-Fahrzeugfertigung einen Konsolidierungsprozess der Branche, der für die Zulieferer nichts Gutes verheißt: Die Anzahl der eigenständigen Fahrzeughersteller würde weltweit von derzeit rund 15 auf 9 oder gar 6 absinken. Und während noch vor zehn Jahren rund 30000 Zulieferer direkt an die OEM verkauften, würden davon bis zum Jahre 2010 nur noch rund 3000 übrig bleiben.
In ihrer Eigenständigkeit bedroht sind vor allem mittelständische Zulieferbetriebe. Für sie verschärft sich die Situation durch Pay-on-Production-Strategien der OEM. Die dadurch verlangte Vorfinanzierung von Teilen und Komponenten kann nur von großen, finanzstarken Zulieferkonzernen erbracht werden.
Diesen eher düsteren Prognosen setzt die Unternehmensberatung Mercer Management Consulting geradezu rosige Aussichten entgegen: Die Automobilindustrie und ihre Zulieferer wären eine „Schrittmacherbranche der Zukunft“, prognostizieren die Berater in der gemeinsam mit der Hypo-Vereinsbank erstellten Studie „Automobiltechnologie 2010“. Nach „den Dekaden der Informationstechnologie und der Kommunikationstechnik als technologische Schrittmacherbranchen bricht nun das Jahrzehnt der Automobilindustrie an“, lautet die frohe Zukunfts-Botschaft.
Grund für die Euphorie: in der Branche steckt noch viel Entwicklungspotenzial. „Die Motoren für die Veränderungen am Fahrzeug sind neben dem ständigen Kosten- und Wettbewerbsdruck insbesondere die steigenden Anforderungen der Kunden bezüglich Komfort und Sicherheit sowie eine zunehmende Individualisierung der Fahrzeuge.“ Wer an der Entwicklung teilhaben möchte, so die Empfehlung, müsse bei den Technologie-Trends der Zukunft mitgestalten (s. Kasten). Dr. Jan Dannenberger, Zulieferspezialist bei Mercer, empfiehlt Zulieferern, nicht so sehr auf die Position innerhalb der Zuliefererpyramide zu schielen. „Entscheidend für den Erfolg ist die Konzentration auf ein definiertes Geschäftsmodell“, mahnt der Berater. Dr. Guido Schacht von der Hypo-Vereinsbank pflichtet bei: „Die Neuerungen im Fahrzeug und im Automobilbau sind dramatisch. Nur wer als Automobilzulieferer oder -ausrüster eine klare Antwort auf die technologischen Veränderungen hat, wird langfristig überleben.“
Dannenberger und Schacht ordnen Zulieferer vier Geschäftsmodellen zu:
  • 1. Volumenanbieter operieren in Segmenten mit vergleichbaren, einfachen Standardprodukten in hoher Stückzahl. Sie verfolgen eine Kostendegressions-strategie, um in ihren Segmenten hohe Marktanteile zu erzielen. Das Beispiel des Scharnierherstellers Edscha zeigt, dass auch mit diesem Geschäftsmodell profi-tables Wachstum realisierbar ist.
  • 2. Nischenanbieter wie der Bremsenhersteller Brembo profitieren von der Fokussierung auf ausgewählte Abnehmer und der Spezialisierung auf maßgeschneiderte Kundenlösungen. Sie sind in der Umsetzung ihrer Geschäftsmodelle bisher am weitesten vorangeschritten.
  • 3. Die Komponentenspezialisten sind die zukünftigen Innovationsschmieden der Automobilindustrie. Über technologisch führende Produkte profilieren sich die Zulieferer bei Systemintegratoren und Automobilherstellern. Hauptaufgabe dieser Zulieferergruppe ist die Einrichtung eines permanenten Innovationsmanagements.
  • 4. Modul-/Systemspezialisten fällt die Aufgabe zu, Komponenten und Teile in Module oder Systeme zu Kundenlösungen zu integrieren und dabei permanent die Funktionalität ihres Systems oder Moduls zu optimieren. Erfolgsentscheidend ist hierbei, Veränderungen des Fahrzeug-designs zu antizipieren beziehungsweise aktiv voranzutreiben. Auch müssen neue Modul- und Systemdefinitionen frühzeitig erkannt und als Chance zum eigenen Wachstum genutzt werden.
Trotz aller Zuversicht verkennen die Autoren der Studie nicht, dass auch die Unternehmen gefährdende Veränderungen ins Haus stehen: In der heute etwa 2450 Mrd. Euro umsetzenden Branche wird es demnach zu massiven Verschiebungen zwischen den Marktteilnehmern sowie einer weiteren Konsolidierung kommen. Behaupten werden sich nach Erkenntnissen der Studie nur Unternehmen, die neue Kompetenzen aufbauen: Softwareentwicklung, Mechatronik oder digitale Supply Chains, aber auch neue soziale und kulturelle Kompetenzen im Rahmen der Globalisierung.
Die Technologie-Trends: Wo Zulieferer in Zukunft mitmischen sollten
Modulspezifische Innovationen
Mehr als 250 Neuerungen wurden von der HypoVereinsbank und Mercer im Rahmen ihrer Studie identifiziert und bewertet: So zum Beispiel: Pre-Crash-Sensorik, Seitenwandtorsionssensoren für Reifen, Nightvision in den Windschutzscheiben, Steer-by-Wire oder Fußgängerschutzsensorik.
Elektrik/Elektronik als Schlüsseltechnologie
Elektrik, Elektronik und Software werden Mechanik und Hydraulik im Fahrzeug zurückdrängen und damit zur Schlüsseltechnologie im Fahrzeugbau aufsteigen. Der Wert der Elektrik und Elektronik im Auto wird von heute 22% (durchschnittlich 2250 Euro) auf 35% (durchschnittlich 3870 Euro) steigen. In nur 10 Jahren wird das Marktvolumen 270 Mrd. Euro(+115%) erreichen. Nahezu jedes Modul im Fahrzeug wird durch diese Technologien intelligenter.
Vernetzung und Funktionalitäts-erweiterung durch Software
Um die Vielzahl der Elektronikkomponenten und Fahrzeugsysteme zu verknüpfen, wird die Softwareentwicklung
zur Schlüsselkompetenz im Fahrzeugbau. Der Automobilsoftwaremarkt wird bis zum Jahr 2010 mehr als 100 Mrd. Euro betragen. Bussysteme, Betriebssystem und Applikationen müssen intelligent miteinander verknüpft werden. Ein praktisches Beispiel: Ein Sensor im Rückspiegel erkennt Regentropfen auf der Windschutzscheibe und gibt die Information ans Bremssystem weiter. Durch regelmäßiges leichtes Aufsetzen der Bremsbacken auf die Bremsscheiben werden diese trocken gehalten, was zu einer deutlichen Reduzierung des Bremsweges führt.
Modularisierung des Karosseriefahrzeugbaus
Der steigenden Modell- und Variantenvielfalt begegnen die Automobilhersteller mit neuen Antworten im Fahrzeugbau: „Quartering the Car“ oder „Mosaik“ heißen die Konzepte, die nach dem Baukastenprinzip versuchen, Kombis, Limousinen oder Coupés zu kombinieren.
Alternative Antriebskonzepte
Die Brennstoffzelle kommt – allerdings erst im Jahr 2015. Bis dahin werden Kleinstserien die neue Technologie testen. Insgesamt wird der Anteil alternativer Antriebskonzepte (Gas, Elektro, Brennstoffzelle) bis zum Jahr 2010 jedoch nur 10% betragen.
Innovativer Werkstoffeinsatz
Ein um 100 kg leichteres Fahrzeug reduziert den Kraftstoffverbrauch um rund 0,8 l auf 100 km. Innovative Werkstoffkonzepte (zum Beispiel durch hochfeste Stähle, Metallschäume, Magnesium, Keramik oder Aluminium) sind deshalb erforderlich. Bis 2010 wird das Gewicht um 17% oder durchschnittlich 250 kg je Fahrzeug abnehmen.
Veränderte Fertigungs-technologien
Maschinenbauer in Deutschland und Japan haben entscheidenden Einfluss auf den Erfolg der heimatlichen Automobilindustrie: Der ständige Wettbewerb zwischen den Fertigungstechnologien, die Bauteil- und Funktionsintegration, produktionsprozessübergreifende Optimierungen und eine kontinuierlich steigende Präzision versetzen die nationalen Automobilindustrien in die Lage, dem Rest der Welt immer einen Schritt voraus zu sein.
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