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Zollreform bietet Gelegenheit zum Bürokratieabbau

Freihandelsabkommen
Zollreform bietet Gelegenheit zum Bürokratieabbau

Das Freihandelsabkommen zwischen der EU und den USA birgt für Einkäufer viel Potenzial: Zum einen könnte sich die Abwicklung der Beschaffung vereinfachen, zum anderen würde die größere Lieferantenauswahl die Verhandlungsposition ver- bessern. Wegen der NSA-Affäre liegen die Pläne jedoch auf Eis.

Sie werden sich nicht davon trennen: von ihren Inches, Ounces und Fahrenheit. Sie werden weiterhin für Druck, Leistung oder Drehmoment an ihren eigenen, für europäische Maßstäbe unlogischen und vor allem unpraktischen Einheiten festhalten. Daran wird auch das geplante Freihandelsabkommen der USA mit der EU nichts ändern. So es denn kommt, denn der Abhörskandal um die NSA belastet die Verhandlungen und hat den Vertrag wieder in weite Ferne rücken lassen. Dabei wäre er ein Gewinn für beide Seiten.

Auch wenn die USA für die EU und speziell für Deutschland eher Absatzmarkt als Lieferant ist, könnte das Abkommen den Einkauf deutlich erleichtern: „Die Beseitigung von tarifären und nicht-tarifären Handelshemmnissen würde sich sehr positiv auf die Beschaffung auswirken“, glaubt Sebastian Schröder, Leiter Recht & Compliance beim Bundesverband Materialwirtschaft, Einkauf und Logistik e.V. (BME). Der Vorteil liege nicht allein im Wegfall der Zölle, denn die finanzielle Belastung halte sich in Grenzen. Es gehe vielmehr darum, die Anzahl der Formulare und Behördengänge zu reduzieren, die bei der Einfuhr aus unterschiedlichen Freihandelszonen entstehen. „Oft stellt der Zoll die gleichen Fragen, die bereits im Rahmen der Produktsicherheit beantwortet werden müssen“, weiß Schröder. Das heißt: Der Einkäufer muss zwei ähnliche Fragebögen ausfüllen, was je nach Komplexität der Rohstoffe, Produkte, Maschinen oder Bauteile sehr aufwändig werden kann: „Man könnte stattdessen die Fragebögen zusammenführen und vereinheitlichen.“
Dass eindeutige Fragebögen bares Geld einsparen können, sieht man zum Beispiel beim Einkauf von Reparaturleistungen: Wenn bei der Ausfuhr der Verwendungszweck nicht angegeben wird, können bei der Wiedereinfuhr hohe Zölle fällig werden. „Noch ist der Import aus den USA kompliziert“, so Schröder, „bei einem Freihandelsabkommen könnte man die Vorschriften durchforsten.“ Denn es gebe unterschiedliche Anforderungen für identische Güter, je nach dem, aus welchem Land sie bezogen werden.
Schwierigkeiten bei der Deklaration machen auch immaterielle Güter wie etwa Softwareprodukte. „Die lassen sich schwierig in Zollkategorien einordnen“, so Schröder. Internationale Konzerne betrifft das nicht, da sie ihren Einkauf durch Tochtergesellschaften vor Ort im jeweiligen Ursprungsland tätigen und es als lokaler Einkauf gilt. Wer IT-Produkte bei hiesigen US-Töchtern kauft, ist zwar auch nicht betroffen, aber der Wegfall der Zölle könnte die Produkte günstiger machen.
Da die USA durch das Abkommen Zugang zu einem größeren Markt erhielte, könnten sich am Ende doch einige technische Spezifikationen der EU durchsetzen. „Wenn US-Anbieter ihre Teile nur in die USA verkaufen und nach Europa lediglich vereinzelt exportieren, lohnt es sich nicht, auf EU-Normen einzugehen“, sagt Schröder, „wenn sich die EU jedoch zum großen Absatzmarkt entwickelt, können sie auf die Wünsche ihrer Kunden eingehen.“ Dazu gehören beispielsweise technische Spezifizierungen zur Sicherheit wie etwa Vorschriften zur Leuchtkraft und Positionierung von PKW-Scheinwerfern. Auch die Arbeitssicherheit im Maschinenbau wird durch einheitliche Normen verbessert. Da deutsche Unternehmen hochwertige Elektronik für Maschinensteuerungen sowie innovative Werkstoffe aus Metall oder Kunststoff beziehen, wird die Erfüllung solcher Vorgaben immer wichtiger. „So kann ein Freihandelsabkommen allerdings auch zu einer Marktverengung führen“, so Schröder, „nämlich wenn Details immer strenger reguliert werden.“
Die Marktöffnung gen Westen bietet Einkäufern auch finanzielle Vorteile – jenseits von Zoll- und Logistik: Mit der größeren Auswahl entsteht mehr Konkurrenz unter den hiesigen Lieferanten. „Das bedeutet eine bessere Verhandlungsposition“, betont Schröder. Neben dem Endpreis sollten die Einkäufer aber weiterhin auf Leistung, Qualität, Liefertreue und After-Sales-Service achten.
Organisatorisch hätten Einkäufer von Unternehmen mit Standorten in der EU und den USA bei einer Marktöffnung mehr Möglichkeiten als bisher. Wenn beispielsweise drei Firmen in der EU und eine Tochter in den USA das gleiche Produkt benötigen, erfolgt der Einkauf oft getrennt. „Wenn die Einfuhrzölle wegfallen, ist es egal, welches Land der Lead Buyer ist“, betont Schröder. Dann lassen sich Einkäufe bündeln und Konditionen dank größerer Kontingente verbessern.
Beim Einkauf von Cloud-Leistungen (Software-as-a-Service; SaaS) bestehen Herausforderungen hinsichtlich Datenschutz und Datensicherheit (Know-how-Schutz). Dies gilt etwa, wenn Firmendaten auf US-Servern gehostet werden. Doch selbst innerhalb der EU ist der Datenschutz nicht einheitlich geregelt, auch wenn es nach außen so dargestellt wird. „Ein Freihandelsabkommen ist immer ein Katalysator für Vereinheitlichung“, so Schröder, „deshalb wäre es wünschenswert, wenn dabei datenschutz- und datensicherheitsrechtliche Aspekte integriert würden.“ Mit diesem Zugeständnis ist in absehbarer Zeit jedoch nicht zu rechnen.
Kirsten Seegmüller Freie Journalistin in Leinfelden
Industrieanzeiger
Titelbild Industrieanzeiger 6
Ausgabe
6.2024
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