Viele können den Begriff Industrie 4.0 nicht mehr hören, sie reden lieber von Digitalisierung. Warum? Darüber lohnt es nachzudenken. Industrie 4.0 wurde ja von oben her als Leitbild installiert. Wer die Idee von der intelligent verästelten Industrie und den autonom agierenden Fertigungskapazitäten schließlich verstanden hatte, konnte schon erschrecken: Wo bleibt der Mensch? Und wie soll ein Unternehmen die immensen Herausforderungen stemmen, die damit verbunden sind? „Industrie 4.0“ hat etwas Elitäres. „Digitalisierung“ hingegen ist anders. Dies ist der Prozess, der jetzt einfach dran ist, und den die Unternehmen selbst gestalten.
Worauf es ankommt, zeigen Erfahrungen, die wir als Konsumenten machen. Unternehmen wie Amazon sind in der Digitalisierung weit voraus und Vorbilder. Ihre rigoros Profit-orientierten Ansätze haben wir Europäer schon immer mit Skepsis betrachtet. Doch Amazon achtet immer mehr auf Kundenwünsche. Der Nutzer kann steuern, welche Kaufvorschläge er erhalten will und welche nicht. Sucht er den Kontakt per Mail, reagiert der Versender erstaunlich schnell – und zwar über einen Menschen aus Fleisch und Blut, der konstruktiv hilft, auch mal mit Kulanz. Man könnte sagen: Amazon relativiert die Bedeutung des Systems, um den Markterfolg zu sichern.
Dies ist ein wichtiger Fingerzeig. Nicht das System soll im Mittelpunkt stehen. Der Erfolg hängt davon ab, ob der digitale Wandel dem Kunden dient. Die Industrie steht nun vor der Aufgabe, die Digitalisierung entsprechend zu gestalten. Gelingt es, die Kundenwünsche in den Vordergrund zu stellen und generell den Menschen im System nicht zu kurz kommen zu lassen, steht Erfolgen nichts im Wege. Ob das Ergebnis dann schon Industrie 4.0 oder erst 3,5 ist, wird völlig egal sein.