Faszinierend, wie schnell so manches virtuelle Format aufgebaut wurde. Unternehmen, Institute, Webinar-Anbieter und auch Messegesellschaften arbeiteten daran, das Informationsdefizit abzufangen, das durch die Pandemie-bedingte Absage der Messen entstanden ist. Firmen organisierten digitale Events, um ihre Kunden zu erreichen. Und teils funktionieren die Formate sehr gut – so gut, dass man sich wünschte, Deutschlands Schulen könnten etwas davon abbekommen und profitieren.
Aber dieser Digitalisierungserfolg hat auch eine Kehrseite. Nicht nur, weil der persönliche Kontakt fehlt und nicht zu ersetzen ist. Wer im Büro sitzt, weiß es: Jeden Tag könnte man sich in eine digitale Tagung einloggen und Informationen einholen, eventuell sogar kommunizieren. Aber wer hat schon täglich Zeit dafür?
Vor Jahren, als die Kirchen für den arbeitsfreien Sonntag kämpften, entwickelten sie eine ans Geniale heranreichende Parole: „Ohne Sonntag gibt’s nur noch Werktage.“ Auf jetzt übertragen, könnte sie lauten: „Ohne Messen gibt’s täglich Tagungen.“ Wir brauchen aber nicht täglich eine Tagung. Wir brauchen den gemeinsamen Termin, an dem sich die Branche trifft und dann wieder arbeitet. Es ist daher auch keine gute Idee, wenn ein Dritter (wie ein bekannter Verlag im letzten Jahr) mit einer eigenen Digital-Messe den Rahm der abgesagten Live-Messe abschöpft.
Die Industrie sollte sich „ihre“ Messen nicht nehmen lassen. Und die Messegesellschaften selbst sollten die digitalen Events entwickeln. Ein Vorschlag: Wie wäre es, wenn die Unternehmen den gebeutelten Veranstaltern jetzt unter die Arme greifen, damit sie überzeugende hybride Formate entwickeln können? Finden die Präsenz-Messen dann eines Tages wieder statt, bekommen sie ihre Investition in Form von Naturalien zurück – echten Messeständen.