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„Der Markt startet gerade durch“

Geschäftsmodelle sind für Prof. Guy Fournier ein zentrales Element für den Erfolg der E-Mobilität
„Der Markt startet gerade durch“

„Der Markt startet gerade durch“
Dr. Guy Fournier, Professor im Bereich Wirtschaftingenieurwesen der Hochschule Pforzheim, beschäftigt sich seit Jahren in einem interdisziplinären Ansatz mit Fragen der nachhaltigen Mobilität
Mit der Elektromobilität verbindet sich ein Systemwechsel, den der Zulieferer managen muss. Dessen klassisches Geschäftsmodell gehört auf den Prüfstand, meint Prof. Dr. Guy Fournier von der Hochschule Pforzheim. Innovationen wären gefragt, doch viele OEM wie auch Zulieferer würden sich dem Thema allzu zögerlich nähern.

Wie sollte sich ein klassischer Teile- oder Systemlieferant auf dem neu entsehenden Markt positionieren?

Die Wertschöpfungskette wird sich komplett verändern. Der Elektroantrieb macht viele Komponenten teils vollständig obsolet und bringt neue wie die Batterie, Leistungselektronik oder Thermosysteme ins Spiel. Auf diesen Markt müssen sich die Zulieferer vorbereiten und ihn beobachten, da nicht genau feststeht, in welche Richtung es gehen wird. Das Elektroauto existiert ja in diesem Sinne noch gar nicht. Deshalb sollten Zulieferer beobachten, welche Tendenzen es am Markt gibt und welche sich durchsetzen werden. Zweitens kann man bei der Elektromobilität per se eigentlich nichts falsch machen, da alle Entwicklungen, beim E-Motor wie beim klassischen Verbrenner, darauf hinauslaufen, dass ein Auto künftig energieeffizienter unterwegs sein wird. Auch Leichtbau spielt hinein.
Wird der Zulieferer sein klassisches Geschäftsmodell auf den Prüfstand stellen müssen, da die IT im vernetzten Auto eine zentrale Rolle spielt?
Mit Sicherheit ja. Denn der Wechsel beim Antrieb ist nur das eine. Das andere ist die Tendenz in der Gesellschaft, dass junge Leute mehr und mehr auf den Besitz eines Autos verzichten und sich verstärkt dem iPhone oder iPad zuwenden. Damit fließt bei gleichbleibend verfügbarem Einkommen das Geld nicht mehr in Richtung des Fahrzeugs, sondern ins Internet oder Smartphone.
Ändert sich damit die Automobilindustrie in eine Mobilitätsindustrie?
Ja, etliche Prognosen besagen sogar, wenn Automobilhersteller nicht schnell genug sind, sie praktisch nicht mehr OEM sein werden, sondern Zulieferer. Das heißt aber nicht, dass sich die Mobilitätsbedürfnisse gleichzeitig ändern, sie bleiben konstant. Vielmehr werden sich neue Geschäftsmodelle entwickeln. Konkret bedeutet das, dass ein Dienstleister Mobilität verkauft und nicht mehr nur am Fahrzeug verdient. Das kann im positiven Sinn auch sehr interessant sein, da Kunden vermehrt bereit sind, Geld dafür auszugeben, und dies nicht nur einmalig, sondern längerfristig. Deshalb werden zahlreiche neue Geschäftsmodelle entstehen, die viele Möglichkeiten bieten.
Und welche Rolle spielt die IT dabei?
Apple ist das Paradebeispiel dafür. Der IT-Konzern produziert keine Musik, sondern verkauft sie nur. Das große Geld verdienen nicht die Interpreten, sondern Apple mit dem für das iPhone konzipierten App-Store. Etwas Vergleichbares könnte in der Autoindustrie passieren. Wer die Branchen Automobil und Energie zusammenführt und eine gemeinsame Plattform für Kunden anbietet, wird wichtig werden. Bei diesen neuen Geschäftsmodellen wird künftig die meiste Wertschöpfung stattfinden. Mehr und mehr Systemkompetenz liegt in der Software, die sich schnell updaten lässt, um neue Funktionen zu integrieren. An dieser Stelle erfolgt Wertschöpfung, darüber kommen wir vielleicht eher zu einem Modell, bei dem der Käufer den monetären Aufwand für sein Auto nach und nach durch Zusatzdienste dem OEM überweist. Daran mitzuverdienen ist die Herausforderung für Zulieferer. Allerdings wird viel über Innovation gesprochen, aber die Automobilhersteller und mit ihnen ihre Zulieferer gehen zu zögerlich an das Thema heran.
Macht es die alte Mobilitätsbranche nicht extrem unruhig, wenn das Auto seinen Symbolstatus verliert?
In Japan lässt sich dieser Wandel gut beobachten. 1990 wurden dort acht Millionen Autos verkauft. Unabhängig von den Auswirkungen der Atomkatastrophe von Fukushima dürften es in diesem Jahr weniger als 4,5 Millionen Fahrzeuge sein. Die Urbanisierung in Japan ist mit Grund dafür, warum die Menschen im Prinzip kein privates Auto mehr favorisieren, da die Infrastruktur sehr gut ausgebaut ist. Auch was Peugeot macht, zielt in diese Richtung. Über das Projekt µ wird im Prinzip Mobilität verkauft, das kann ein Fahrrad, eine Bahnfahrt, ein Auto oder ein Eco-Scooter sein. Und fürs Wochenende lässt sich ein Freizeitauto buchen, das nicht unbedingt ein Elektrofahrzeug sein muss. Daimlers Mobilitätskonzept car2go ist ähnlich, auch Citroën und BMW gehen diesen Weg. Der Markt startet gerade durch.
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