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Der richtige Takt für eine effiziente Produktentwicklung

Serie „Pictures of the Future des Innovationsmanagements“ (Teil 6)
Der richtige Takt für eine effiziente Produktentwicklung

Synchronisation & Taktung | Kürzere Produktlebenszyklen, zunehmender Konkurrenzdruck und komplexer werdende Produkte führen in vielen Unternehmen zu einer steigenden Anzahl von Entwicklungsprojekten. Eine übergreifende Planung und Steuerung dieser Projekte hält den Mehraufwand gering.

Prof. Dr.-Ing. Dipl.-Wirt. Ing. Günther Schuh Lehrstuhl für Produktionssystematik, Werkzeugmaschinenlabor WZL der RWTH Aachen Dr.-Ing. Dipl.-Wirt. Ing. Stefan Rudolf, M.Eng. Abteilungsleiter Innovationsmanagement, Werkzeugmaschinenlabor WZL der RWTH Aachen Frederic Diels, M.Sc. RWTH Abteilung Innovationsmanagement, Werkzeugmaschinenlabor WZL der RWTH Aachen

Mit der steigenden Anzahl an kundenindividuellen Produkten steigt letztlich auch die Anzahl parallel laufender Projekte in den Entwicklungsbereichen der Unternehmen. Die steigende Anzahl an Entwicklungsprojekten erschwert naturgemäß auch die gesamte Koordination der Projekte. Der in der Praxis oftmals praktizierte Stage-Gate-Prozess kann, bezogen auf die Erzielung eines Gesamtoptimums in der Projektkoordination, dabei sogar einen negativen Einfluss auf die Steuerung von Einzelprojekten haben. Das ist unter anderem dadurch begründet, dass die Koordinationsprobleme oftmals erst zum Gate-Termin (im Durchschnitt nach sechs Monaten) sichtbar werden und die notwendigen Entscheidungen erst zu spät getroffen werden können.
Zudem tritt bei langen Entwicklungszyklen oft das Phänomen des „Studentensyndroms“ auf. Dieses beschreibt, dass 2/3 der zu bearbeitenden Aufgaben erst im letzten Drittel des verbleibenden Bearbeitungszeitraums begonnen werden, was häufig zu einem Umdisponieren der Unternehmenskapazitäten führt. Um diesen Problemen entgegentreten zu können, ist eine stringente Steuerung der Projekte durch kürzere Zeiträume zwischen den Gates notwendig. Auf dieser Schlussfolgerung baut der Ansatz von Synchronisation und Taktung auf.
Unter Synchronisation in Entwicklungsprojekten wird die zeitliche Abstimmung von Aktivitäten verstanden. Gerade bei parallel laufenden Prozessen muss eine Koordination der Inhalte erfolgen, um den reibungslosen Ablauf des Gesamtprozesses nicht zu gefährden. Dabei muss immer dann eine Synchronisation erfolgen, wenn eine Tätigkeit auf den Ergebnissen mehrerer Vorgängertätigkeiten aufbaut.
Bei der Taktung von Entwicklungsprozessen steht die zeitliche Steuerung der Arbeitsumfänge im Vordergrund, indem der Zeitraum zwischen zwei Gates in mehrere einheitliche Takte geteilt und ein strukturelles Grundraster erzeugt wird. Dieses Vorgehen der Dekomposition von Arbeitsumfängen wird bereits erfolgreich in der Softwareentwicklung mithilfe der SCRUM-Methodik angewendet. Diese Methodik unterteilt die gesamte Entwicklungsaufgabe in einzelne Takte, die sogenannten Sprints, die durch ihre einheitliche Taktlänge typischerweise zwischen 5 und 20 Arbeitstagen ein Grundraster bilden. Am Ende eines solchen Takts werden kurze Abstimmungstreffen (Review-Meetings) durchgeführt, was einen einheitlichen Arbeitsfluss für die eigenverantwortliche Bearbeitung von Entwicklungstätigkeiten schafft. Dadurch wird die Erreichung der Synchronisationspunkte gewährleistet.
Auch wenn die Umsetzung der Inhalte von Synchronisation und Taktung auf den ersten Blick als durchaus trivial erscheint, gibt es viele produzierende Unternehmen, die mit einer Anwendung des Ansatzes zögern. Für sie sind eine Vielzahl an Fragestellungen noch ungeklärt. So muss initial geprüft werden, ob und wenn ja in welchem Umfang die Produkte in kurzzyklischen Takten entwickelbar sind. Das schließt auch die Dekomposition der Entwicklungsumfänge in kleine Arbeitspakete ein, um am Ende eines Taktes ein bewertbares Inkrement liefern zu können. Darüber hinaus muss auch die Festlegung einer Taktlänge, die eine Synchronisation aller Teilprozesse unter Berücksichtigung der jeweiligen Teilprozessrestriktionen ermöglicht, betrachtet werden.
Auch der Faktor Mitarbeiter spielt bei dieser „neuen“ Art zu entwickeln eine entscheidende Rolle. So müssen Führungskräfte vermehrt Verantwortung an die Entwickler abgeben, die wiederum selbstbestimmend entscheiden, wie viele Arbeitspakete sie während des nächsten Takts entwickeln werden. Zukünftig gilt es, die Akzeptanz und Anwendung von Synchronisation und Taktung in produzierenden Unternehmen durch Anwendung von Erfolgsfaktoren zu steigern. So kann durch eine konsequente Kommunikation im Vorfeld der Anwendung sowohl den Führungskräften die Angst zum Verlust der Verantwortung als auch den Entwicklern die Zweifel zur Bewältigung der gestiegenen Verantwortung genommen werden. Zudem kann durch eine klare Strukturierung des Produktes, nach den Gedanken der Architekturgestaltung (siehe Infokasten Seite 24), in einzelne Bausteine mit klar definierten Schnittstellen und Abhängigkeiten die Gestaltung und Bewertung von Inkrementen sichergestellt werden, was wiederum die Definition eines einheitlichen Taktzyklus erleichtert.
Die Steuerung von Entwicklungsprojekten mithilfe von Synchronisation und Taktung ermöglicht einen durchgängigen Arbeitsfluss zur Erreichung der gesteckten Gesamtziele. Das zentrale Steuerungselement sind die zu erreichenden Synchronisationspunkte, welche die Meilensteinphase in übersichtliche Einheiten unterteilt.
Darüber hinaus wird durch das Vorgehen ein Betrachtungswechsel bei der Aufgabenbearbeitung von „Wie viel Zeit pro Aufgabe“ zu „Wie viel Aufgabe pro Zeit“ gefördert, da die Taktlänge die zentrale Steuerungseinheit ist. Auch wenn bis dato hochiterative Methoden wie die der Synchronisation und Taktung in der produzierenden Industrie eher die Ausnahme bilden, so werden diese zukünftig weiter an Bedeutung gewinnen, um in immer komplexer werdenden Systemen langfristig handlungsfähig bleiben zu können. In diesem Zusammenhang gilt es in der industriellen Praxis weiter zu validieren, inwieweit die hochiterativen Ansätze von Synchronisation und Taktung in bestehende Prozesse wie den Stage-Gate-Prozess integriert werden können. •
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