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Noch Luft nach oben

Globale Einkaufsstudie: Unternehmen verschenken Potenziale
Noch Luft nach oben

Eine aktuelle Studie zeigt, welcher Handlungsbedarf in den Einkaufsabteilungen nach wie vor besteht. Es kommt darauf an, tragfähige Konzepte umzusetzen.

Den meisten Unternehmen gelingt es nicht, die Kostenreduzierungspotenziale im Einkauf umzusetzen. Kurzfristige zusätzliche Potenziale von gut 4% im Zuge der Finanzkrise werden ebenfalls nicht ausgeschöpft. Es fehlt an ausreichend qualifizierten Mitarbeitern, gleichzeitig bleiben wichtige Positionen im Einkauf, gerade im strategischen Bereich unbesetzt. In Folge können Top-Management und Einkaufsleiter wichtige Herausforderungen nicht zufriedenstellend lösen. Das hat die von der Berliner Unternehmensberatung Valueneer durchgeführte Globale Einkaufsstudie ergeben.

Mittelständische Unternehmen sind im Allgemeinen auf die Bereiche Vertrieb und Produktion fokussiert. Dies geht zulasten einer wichtigen Kernaufgabe, des Einkaufs. Die Einkaufsperformance des Mittelstands ist im globalen Durchschnitt deutlich schlechter als die von Großunternehmen. In den deutschsprachigen Ländern (Deutschland, Österreich, Schweiz) dagegen ist das Bild jedoch umgekehrt – mittelständische Unternehmen zeigen eine bessere Einkaufsperformance als Konzerne.
Durchschnittlich besteht im Einkauf ein branchenübergreifendes Kostenreduzierungspotenzial von 10 %. Durch die Finanzkrise kommen wegen gesunkener Rohstoffpreise und einer besseren Verhandlungsmacht der Einkaufsbereiche weitere 4 % hinzu. Die kurzfristige Umsetzung dieses zusätzlichen Potenzials ist mit gerade 1 % ernüchternd. Das Problem ist jedoch nicht auf die Finanzkrise beschränkt. Im globalen Vergleich zeigt sich, das Potenziale im deutschsprachigen Raum etwas geringer sind als in anderen Regionen. Ursache ist eine durchschnittlich bessere Umsetzungsfähigkeit des Einkaufs.
Dies bestätigt beispielsweise Martin Döller, Einkaufsleiter bei Sedus Stoll: „In der Finanzkrise haben wir im Unternehmen das Gros der Rohmaterialkostensenkungen erreicht. Es muss jedoch sichergestellt werden, dass so genannte Margenmitnahmen seitens der Lieferanten ausbleiben. Dies geschieht durch transparente Kalkulationen und klar vereinbarte Materialpreisklauseln.“
Der Umgang mit kurzfristig eintretenden Potenzialen wurde durch die eingeleiteten Maßnahmen in der Finanzkrise deutlich. Durch die Studie konnten die erfolgreichen Krisenmaßnahmen im Einkauf identifiziert werden. Mittelständische Unternehmen im deutschsprachigen Raum konzentrieren sich mit ihren Maßnahmen in der Finanzkrise auf die drei wichtigsten Maßnahmen:
  • Neuausschreibungen,
  • Stützung existierender Lieferanten sowie
  • Preisnachverhandlungen.
Jedoch nutzen nur 50 % der Unternehmen Neuausschreibungen als wichtigen Hebel. Der strategischen Suche nach neuen Lieferanten fällt dabei eine bedeutende Rolle zu, Unternehmen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz haben dort einen Nachteil von gut 20 %.
Wie die Studie weiter zeigt, ist Osteuropa aus westeuropäischer Sicht der am stärksten an Bedeutung gewinnende Beschaffungsmarkt, nicht China. Aus globaler Perspektive wachsen Indien und China noch stärker. Das Wachstum Indiens ist vor allem auf eine steigende Nachfrage der USA zurückzuführen. Chinas zunehmende Bedeutung als Beschaffungsmarkt wird vor allem durch eine gesteigerte innerasiatische Nachfrage getragen. Westeuropa hat global als Beschaffungsmarkt die am stärksten abnehmende Tendenz. Ursache dafür ist nicht, dass die Nachfrage nach westeuropäischen Produkten aus Nordamerika oder Asien wesentlich abnimmt – diese bleibt etwa konstant –, vielmehr dass westeuropäische Standorte vermehrt aus Osteuropa sourcen.
Der Trend zum Global Sourcing ist für Unternehmen aus dem deutschsprachigen Raum bereits größer als für Unternehmen aus dem Rest der Welt. Dieser Vorsprung wird sich in Zukunft noch weiter vergrößern. Die durchschnittliche Kostenersparnis durch Global Sourcing liegt bei etwa 14 %. Gerade beim Sourcing in Niedriglohnländern sind Unternehmen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz führend. Die häufig genannten Schwierigkeiten bei Qualität und Lieferzuverlässigkeit haben in der Vergangenheit stark abgenommen.
Unternehmen im Mittelstand sind oft vertriebslastig ausgerichtet und der Einkauf fokussiert zu stark auf das operative Tagesgeschäft. Trotz des hohen Einflusses auf die Wettbewerbsfähigkeit ist die Wahrnehmung und das Standing des Einkaufs in mittelständischen Unternehmen meist viel zu gering.
In der Folge gelingt es dem Einkauf nicht, die notwendigen Ressourcen für strategische Aufgaben zu erhalten beziehungsweise einzusetzen. Die Auswertung zeigt für den Mittelstand in deutschsprachigen Ländern, dass diesem nur ein Drittel der für strategische Aufgaben benötigten Ressourcen zur Verfügung steht. Diese Fehlallokation von Ressourcen kann vermieden und die Realisierung vorhandener Potenziale und damit einhergehend das Standing des Einkaufs im Unternehmen verbessert werden.
Für eine optimale Einbindung des Einkaufs und aller weiteren relevanten Unternehmensfunktionen setzt Cinterion Wireless Modules beispielsweise auf eine „intensive crossfunktionale Zusammenarbeit inklusive der Abstimmung der Material- und Lieferantenstrategie“, wie Akhan Urgun, COO bei Cinterion Wireless Modules, betont. Sedus Stoll wiederum nutzt eine organisatorische Trennung des operativen- und strategischen Einkaufs. „Die operativen Beschaffungstätigkeiten und Überwachungen haben wir ausgelagert in die Disposition, um die strategischen Einkäufer mehr auf ihr eigentliches Geschäft zu konzentrieren“, beschreibt Martin Döller.
Gerade die mittelständischen Unternehmen aus dem deutschsprachigen Raum haben in der Studie gezeigt, dass es ihnen teilweise gelingt, einen exzellenten Einkauf zu etablieren und manchem Großunternehmen voraus zu sein. Die Ergebnisse machen deutlich, worin sich ein Einkauf in durchschnittlichen Unternehmen von einem Einkauf in exzellenten Unternehmen unterscheidet.
Durchschnittlichen mittelständischen Unternehmen fehlt es oft an einer klar formulierten Einkaufsstrategie. Dies spiegelt sich im Einkaufsverhalten wider, bestellen doch in vielen Fällen alle möglichen Abteilungen des Unternehmens, was sie gerade benötigen nach dem Prinzip des Maverick-Buying. Dadurch gehen Bündelungspotenziale verloren.
Um diese nutzbar zu machen, greift Sedus Stoll auf eine Koppelung von Matrixorganisation und Lead-Buyer-Konzept zurück. „Alle Einheiten haben eine Konzerneinkaufsfunktion unter einer Konzernleitung, diese berichtet direkt an den Vorstandsvorsitzenden des Unternehmens“, erklärt Martin Döller. „Unternehmensstrategien wirken so direkt auf den Einkauf und seine Einkaufsstrategien.“
Das Problem beginnt in vielen Fällen bereits bei der organisatorischen Aufhängung. So berichtet der Einkauf häufig an den auf Versorgungssicherheit bedachten COO, der minimale Einkaufskosten nicht als Hauptziel definiert hat und in den seltensten Fällen an den Einkaufskosten oder den erzielten Einsparungen gemessen wird. Unternehmen, bei denen der Einkauf an den CFO berichtet, haben die beste Performance. Fast genau so gut schneiden Unternehmen ab, bei denen der Einkauf direkt am CEO aufgehängt ist. Mit Abstand am schlechtesten ist die Leistung, wenn er dem COO unterstellt ist. Dennoch ist sie die häufigste Organisationsform, die in etwa der Hälfte der Fälle gewählt wird.
Einfluss und Stellenwert des Einkaufs sind deutlich zu gering – die Möglichkeiten des Einkaufs, zum Unternehmenserfolg beizutragen, werden unterschätzt. Der Einkauf wird in mittelständischen Unternehmen viel zu häufig als Ort der Bestellabwicklung verstanden, der die von den Fachabteilungen ausgewählten Lieferanten beauftragt. Gerade die Aufstellung des strategischen Einkaufs und dessen Wirkung kommen entsprechend zu kurz.
Mitarbeiter des Einkaufs profitieren zu wenig und zu selten von erzielten Kostensenkungen. Die Motivation ist daher deutlich geringer als etwa bei Vertriebsmitarbeitern, bei denen ein Großteil des Gehalts einem Zielvereinbarungssystem unterliegt.
Das Resultat fehlender Incentivierung lässt sich auch im Verhalten der mittelständischen Unternehmen bei Ausschreibungen deutlich erkennen. So werden viel zu selten breite Ausschreibungen mit einer hohen Anzahl teilnehmender Lieferanten und insbesondere mit zu wenigen potenziell neuen Lieferanten durchgeführt. In der Hälfte der Ausschreibungen nehmen lediglich zwei bis vier Lieferanten teil, in 20 % der Ausschreibungen findet man keinen einzigen neuen Lieferanten. Dies sind im eigentlichen Sinne keine Ausschreibungen mehr. Damit ist einer der wichtigsten Kostensenkungshebel – die regelmäßige breite Ausschreibung – unzureichend genutzt.
Der Stellenwert eines spezifischen Controlling von Einkaufsaktivitäten ist deutlich zu gering. Nicht so bei Cinterion, dort werden Zielvorgaben pro Materialfeld unter Berücksichtigung der Marktverhältnisse und durch ein konsequentes Einkaufscontrolling unterstützt. Das Controlling unterstützt ebenfalls die Lieferantenbeurteilung und -entwicklungsprozesse inklusive Zielvereinbarungen.
  • Dr. Thorsten Makowski Direktor bei der Berliner Unternehmensberatung Valueneer
  • Michael Clauß Unternehmensberater bei Valueneer

  • Globale Einkaufsstudie

    Die Globale Einkaufsstudie wurde von Valueneer unter der Leitung von Dr. Thorsten Makowski in Kooperation mit der Internationalen Handelskammer (ICC Deutschland), den wichtigsten deutschen Auslandshandelskammern sämtlicher Kontinente, dem Bundesverband für Materialwirtschaft, Einkauf und Logistik in Österreich (BMÖ), dem deutschen Bundesverband Großhandel, Außenhandel und Dienstleistungen (BGA) und dem Lorange Institute of Business durchgeführt. Weltweit haben sich knapp 800 Unternehmen aller Branchen aus 62 Ländern beteiligt.
    Informationen: http://valueneer.com
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