Viele verbinden das Thema Lieferkettenfinanzierung immer noch primär mit der Finanzierung basierend auf Rechnungen und Akkreditiven. Aber in den letzten Jahren hat sich ein vollständiger Wandel in der Abwicklung der Finanzprozesse innerhalb der Lieferkette vollzogen.
Wo damals die Abwicklung von Rechnungen die Zahlungsinteraktionen zwischen Käufern, Lieferanten und Finanzinstituten dominierten, revolutionieren heute Cloud-basierte Plattformen sowohl die Zahlungsprozesse, als auch Finanzierung. Daten sind dabei der Treiber und sorgen für beispiellose Transparenz über alle in der Supply Chain stattfindenden Transaktionen und Interaktionen. Die Cloud als zentrale Informationsdrehscheibe dient nicht nur als Host und bildet Daten in Echtzeit ab, sie kann diese auch langfristig vorhalten. Diese Entwicklung bringt Vorteile auf allen Ebenen. Auch Finanzinstitute profitieren, denn sie bekommen eine bessere Möglichkeit, Risiken zu bewerten.
In der Vergangenheit haben Finanzdienstleister die Risiken rein auf der Kreditwürdigkeit eines Unternehmens basierend bewertet. Allerdings hängt die Kreditwürdigkeit von einer Vielzahl von Faktoren ab – und nicht nur, wie zuverlässig ein Lieferant die Waren bereitstellt oder wie pünktlich ein Käufer zahlt. Außerdem war dieser Prozess oft langwierig und teuer. Dank Big Data hat sich das nun geändert. Eine Finanzierung ist heute viel schneller möglich, denn für Finanzdienstleister war es lange Zeit schwierig, Risiken anders als anhand der Bonität zu bewerten. Heute können Geldgeber bei der Risikobewertung tatsächliche Transaktionshistorien zur Entscheidungsfindung und Berechnung von Konditionen heranziehen. Und hierbei zählt dann oftmals auch die Bonität des Käufers, auch wenn der Lieferant die Finanzierung erhält.
So ist beispielsweise heute Lieferantenfinanzierung basierend auf tatsächlichen Prozessdaten aus der Cloud-Plattform von GT Nexus möglich. Diese Daten bestehen, da das Cloud-basierte Netzwerk über mehr als ein Jahrzehnt detaillierter Transaktionshistorie verfügt. Messzahlen auf der Käufer- und Verkäuferseite, wie Auftragserbringung, verspätete Lieferungen, Rückforderungen, pünktliche Zahlung oder stornierte Aufträge bestimmen das Risiko oder fließen als Kriterien in die Kreditwürdigkeit mit ein. So kann ein Finanzdienstleister Konditionen basierend auf dem tatsächlichen historischen Verhalten von Lieferanten oder Käufern festlegen.
Diese Art der leistungsorientierten Finanzierung ist für Käufer und Lieferanten sehr vorteilhaft. Die leistungsorientierte Kreditaufnahme ermöglicht eine erfolgsorientierte, bilanzneutrale Finanzierung. Big Data ist nur ein Bestandteil eines viel größeren Umbruchs, der in der Lieferkettenfinanzierung gerade stattfindet: Es ist heute möglich, an jedem Punkt in der Supply Chain Liquidität zu injizieren. Diese Schnittpunkte, an denen Geld in die Lieferkette fließen konnte, waren früher begrenzt. Kleine Lieferanten bekamen in der Vergangenheit häufig überhaupt keine Kredite oder sie mussten auf Kredite von lokalen Banken zurückgreifen, deren Darlehen naturgemäß sehr teuer waren. Der Umbruch in der Lieferkettenfinanzierung wird erst durch die gemeinsame Zusammenarbeit der Käufer, Lieferanten und Logistikdienstleister in einem einzigen Netzwerk möglich. Aber nicht nur die Lieferanten und Käufer wollen mehr Möglichkeiten zur Finanzierung ihrer Operationen. Auch die Finanzinstitute sind auf der Suche nach neuen Geschäftsmodellen. Schon jetzt unterstützen Cloud-basierte Plattformen Unternehmen bei der Entwicklung von Lösungen zur frühzeitigen Bezahlung (Early-Payment-Programme), bei denen Lieferanten die Möglichkeit haben, von ihren Käufern frühzeitig bezahlt zu werden. Die Käufer erhalten dafür wiederum einen Rabatt auf die Rechnung. Mit Big Data als Treiber zur finanziellen Entscheidungsfindung wird die Fähigkeit, Liquidität an jedem Punkt in der Lieferkette zu injizieren, Realität. Diese neue Art der Zusammenarbeit führt zu einer Win-Win-Situation für Käufer, Lieferanten und Finanzdienstleister.
Die finanzielle Lieferkette lässt sich mit der physischen verbinden. Auch Bestände, die sich gerade auf dem Transportweg befinden, spielen eine erhebliche finanzielle Rolle. Eine datenbasierte Finanzierung kann den Grundstein für Dinge wie die Bestandsfinanzierung legen, bei der ein Finanzinstitut das Transaktionsinventar zur Verringerung der Bilanz des Lieferanten übernimmt. Vom Procure-to-Pay-Prozess über Transit und Zustellung gibt es Möglichkeiten, in denen Käufer und Finanzanbieter die Transparenz von Netzwerkplattformen nutzen können, um die Lieferketten durch innovative Finanzierungen zu festigen. Seit der Zeit der Akkreditive hat sich also etwas getan. Schon die Automatisierung hat viele Prozesse in der Supply Chain vereinfacht. De Idee, Netzwerkpartner über Cloud-Plattformen miteinander zu vernetzen, führt zu neuen Geschäftsmodellen. Das leistungsorientierte Finanzierungsmodell über die GT Nexus Plattform dient als Beispiel dafür, wie weit die traditionelle Idee der Lieferkettenfinanzierung weiterentwickelt wurde. Es geht nicht mehr nur um die Finanzierung von genehmigten Rechnungen. Cloud-basierte Plattformen revolutionieren Lieferketten und stellen sie so auf, dass die Finanzierung – basierend auf transparenten Transaktionen – so genutzt werden kann, dass alle Partner davon profitieren.
Stefanie Wagensonner, Supply Chain Expertin DACH, GT Nexus, Hamburg
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