Innerhalb von 30 Tagen hat ein Hamburger Fördertechnik-Spezialist 1,6 Millionen Euro von privaten Investoren eingesammelt. Die Eine-Million-Euro Marke war bereits nach wenigen Tagen geknackt. „Im aktuellen Niedrigzins-Umfeld erfreuen sich Schwarmfinanzierungen einer steigenden Beliebtheit, zumal mit Direktinvestments in deutsche Unternehmen über Crowdfunding-Plattformen in der Regel für den Anleger keine Gebühren verbunden sind“, begründet Nico Reimers, Geschäftsführer der Elbe Industrietechnik GmbH, den Erfolg seines Finanzierungsprojektes.
Unter dem Dach der Elbe Industrietechnik GmbH sind vier Tochterfirmen mit insgesamt rund 300 Mitarbeitern vereint, die zusammen über mehr als 250 Jahre Erfahrung verfügen. Die traditionsreiche Hamburger Unternehmensgruppe entwickelt, produziert, betreut und optimiert Produktionsanlagen, insbesondere im Bereich der Fördertechnik. Dazu zählen etwa Förderbandsysteme und Greifertechnik. Die Kunden stammen aus den unterschiedlichsten Industriezweigen, wie der Schüttgut verarbeitenden Industrie, der Lebensmittel- und Futtermittelindustrie, der Energieerzeugung oder aus dem Recyclingbereich.
Offenheit ist Pflicht
Um in Zukunft noch stärker wachsen zu können, soll die Unternehmensgruppe in zwei Schritten erweitert werden: „Anfang 2018 werden wir eine weitere Niederlassung am Standort in Bayern eröffnen und im Laufe des Jahres wollen wir im Norden neue Kundengruppen erschließen“, erläutert Reimers die Expansionspläne. Mindestens eine halbe Million Euro sind dafür notwendig. Um die neuen Projekte möglichst rasch umsetzen zu können, entscheidet sich der Unternehmer für eine Crowdkampagne über den Finanzdienstleister Kapilendo.
Das Berliner Fintech sucht online Investoren und präsentiert auf seiner Homepage zur Finanzierung stehenden Projekte. Inklusive relevanter Angaben wie Anlagebetrag, Zinssatz, Laufzeit und Rating. Über Anzeigen in sozialen Medien geht es dann auf die Suche nach potentiellen Geldgebern. So werden neben Investoren auch mögliche Kunden auf eine Firma aufmerksam. Gleichzeitig sind Informationen, über die sonst Stillschweigen vereinbart ist, prominent platziert und für jedermann lesbar. Etwa Umsatz und Betriebsergebnis des Geldsuchers. Bankgeschäfte so öffentlich zu machen, ist für viele Mittelständler gewöhnungsbedürftig. Für die Geschäftsführer der Elbe Industrietechnik GmbH war diese Offenheit kein Thema: „Die Zahlen wären auch über andere Wege zu finden, wir unterliegen der Offenlegungspflicht“, so Reimers, der weitere Anleger-Fragen sogar in einem Webinar beantwortet hat.
Keine Alternative für Start-ups
Kapilendo-Gründer Christopher Grätz hat mit seinem Fintech seit Sommer 2015 insgesamt 77 Projekte finanziert, dafür mehr als 18 Millionen Euro von der Crowd eingesammelt (Stand 13. Dezember 2017). Seine Kunden kommen ausschließlich aus dem deutschen Mittelstand. Neben den digitalen Finanzierungen des Fußball-Bundesligisten Hertha BSC, den Biosuppen-Köchen von Little Lunch, der Modemarke von Floerke und dem 3D-Kamerahersteller Raytrix ist das Projekt der Elbe Industrietechnik das fünfte Unternehmen, das über Kapilendo Wachstumskapital in einer Größenordnung von mehr als einer Million Euro eingesammelt hat. Grätz will mit seinem Kreditmarktplatz die Hausbank nicht ablösen: „Unser Angebot ist eher ein komplementäres Produkt, mit dem ein Unternehmen Öffentlichkeit bekommt.“ Er könne sich auch vorstellen, dass Mittelständler einen Teil einer geplanten Investition über einen Bankkredit und einen Teil über die Crowd finanzieren. Neugründer schließt der ehemalige KPMG-Berater allerdings von einer Finanzierung über sein Portal aus. „Junge Firmen können noch kein erprobtes Geschäftsmodell vorweisen“, erklärt Grätz. Daher sei das Risiko, Investoren für Startups zu suchen, zu hoch.
Crowdfinanzierer wie Fintura oder Funding Circle sehen das ähnlich. Mittelständler müssen Mindestumsätze nachweisen und seit mindestens zwei Jahren am Markt bestehen. Wird das Ausfallrisiko als zu hoch bewertet, lehnen auch die Geldbeschaffer aus dem Internet Kreditanfragen ab. Das Wagnis für Investoren bewerten die Online-Plattformen anhand von Risikoklassen. Ein Hinweis auf das Ausfallrisiko ist gesetzlich vorgeschrieben. Geringerer Zins geht mit einer geringeren Ausfallgefahr einher und umgekehrt.