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„Für die Branche sind wir Türöffner“

Bosch Rexroth-Vorstandschef Dr. Karl Tragl zu den Ansätzen Open Core und Cost Engineering
„Für die Branche sind wir Türöffner“

Bosch Rexroth hat sich auf der Hannover Messe als Verfechter zweier Ansätze präsentiert: Open Core und Cost Engineering. Ersteres wurde preisgekrönt, zweites ist Grundlage, um regional optimierte Systemlösungen zu entwickeln. Der Vorstandvorsitzende Dr. Karl Tragl erläutert den Zusammenhang.

Glückwunsch, Herr Dr. Tragl, für den Gewinn des Technologiepreises Hermes Award 2013. Welches Potenzial messen Sie Ihrem damit ausgezeichneten Projekt „Open Core Engineering“ bei – für die Branche, aber auch für Ihr Unternehmen?

Ich denke, dass wir für die Branche durchaus ein Türöffner sind. Schließlich bietet die neue Schnittstelle Ingenieuren und Software-Entwicklern erstmals den Zugriff auf den Kern einer Maschinensteuerung. Da Maschinenbauer wie auch Endanwender damit künftig schneller und einfacher neue Maschinenfunktionen programmieren können, ist das ein entscheidender Technologieschritt.
Wäre es bereits vor Jahren möglich gewesen, die Schnittstelle so zu programmieren?
Offene Architekturen hat sich Bosch Rexroth seit jeher auf die Fahnen geschrieben. So bieten wir bei Buskommunikation etwa diesen Einstieg ebenso seit längerem an wie bei den industriellen Programmiersprachen. Folglich haben wir die Grundarchitektur über einen langen Zeitraum hinweg entwickelt. Offenheit ist damit in der Architektur des Steuerungskerns mit angelegt. Mit offenen Schnittstellen arbeiten wir gut und gerne seit fünf Jahren. Open Core Engineering ist jetzt ein weiterer konsequenter Schritt. Wie lange es dauert, dies zu entwickeln, wenn diese Offenheit nicht vorhanden ist, vermag ich nicht abzuschätzen. Unter Umständen ist der gesamte Steuerungskern neu zu schreiben.
Andere werden also nicht sofort nachziehen?
In dieser Tiefe sicher nicht, da sie ihre Architektur umbauen müssten.
Was bedeutet das jetzt für Ihr Unternehmen?
Dass wir den Markttrend beeinflussen, wachsen und uns technologisch differenzieren können.
Ist das System bereits marktreif?
Alle von uns neu ausgelieferten Steuerungssoftwarepakete sind darauf hin ausgelegt, einschließlich der Entwicklungsumgebungen. Das Open Core Interface wird seit einigen Jahren entwicklungsintern verwendet und besitzt bereits einen hohen Reifegrad. Auf der Hannover Messe haben wir deshalb das Gespräch mit Kunden gesucht, die diese Schnittstelle in neuen Anwendungen integrieren wollen. Es ist unser Grundprinzip, dem Markt eine Technologie früh zur Verfügung zu stellen, damit unsere Kunden sich mit dieser mit- und weiterentwickeln können.
Mit dem Zugriff auf den Steuerungskern lassen Sie den Maschinenhersteller ans Steuer. Kann dieser mit der neuen Offenheit überhaupt umgehen?
Bis vor fünf oder zehn Jahren entwickelten die Marktführer unter den Maschinenbauern Steuerungen selbst. Vielfach ist dieses Know-how noch vorhanden, um neue Maschinenfunktionen zu programmieren. Der Endanwender wiederum, der sich Diagnosedaten für Service- oder Betriebszwecke anzeigen lassen will, kann dies per Smartphone oder Tablet. Also klassische IT statt spezifischer Industrietechnik. Er muss lediglich entscheiden, was er abdecken will.
Wie lösen Sie das Sicherheitsthema an dieser Stelle?
Grundsätzlich hat jeder Steuerungshersteller sicherzustellen, dass sich seine Lösung nicht von außen manipuliert lässt. Völlig losgelöst davon, ob die Steuerung offen ist oder nicht. Ein spektakuläres Beispiel, wie man über Internet auf die Steuerung zugreifen kann, um sie zu manipulieren, hat in der Vergangenheit das Schadprogramm Stuxnet gezeigt. Die Aufgabe, dies zu verhindern, stellt sich uns immer. Gleiches gilt ja auch für Maschinenhersteller und Endanwender, die ihr Netz vor Angriffen von außen absichern müssen.
Neben Open Core Engineering propagieren Sie auch das so genannte Cost Engineering. Gibt es eine Schnittmenge zwischen beiden Ansätzen?
Open Core ist durchaus ein Baustein des Cost Engineering. Schließlich hat jede Region ihren eigenen Kostenfokus. Asiaten legen hohen Wert auf minimale Anschaffungskosten, Amerikaner eher auf den Abwicklungsprozess und die Transaktionskosten. In Europa setzt sich die Betrachtung der Lebenszykluskosten durch, in die wiederum der Engineering-Aufwand erheblich einfließt. Dieser Aufwand ist für den, der selbst programmiert, deutlich kleiner, als wenn dies über eine komplexe Programmiersprache und den Steuerungshersteller erfolgt. Deswegen passt der Open-Core-Ansatz durchaus in die Cost-Engineering-Strategie, da er ein wichtiger Baustein ist, um die Lebenszykluskosten zu minimieren.
Was wird konkret in Asien gefordert?
Ein Minimalset an Funktionalität, definiert zu minimalen Anschaffungskosten.
Aber China hat sich zu einem kompletten Markt gewandelt, es finden sich dort gleichermaßen Low- wie Hightech…
… mit einem sich deutlich entwickelnden mittleren Segment. Warum? Weil exakt nur das bezahlt wird, was wirklich gebraucht wird. Dennoch ist dieser Mittelbereich technisch gut, also kein minderwertigeres Segment. Er bietet aber eben nur die Funktionalität, die unbedingt nötig ist, und das zu einem deutlich günstigeren Preis.
Das reine Weltprodukt gibt es bis auf wenige Ausnahmen nicht?
Es wird mehr und mehr regionalisierte Produkte geben.
Übertragbar auf andere Wachstumsmärkte wie etwa Brasilien?
Absolut. Das mittlere Segment ist nicht rein asiatisch geprägt. Es wird sich über die Schwellenländer, von Südamerika über Osteuropa bis nach Afrika, weltweit durchsetzen.
Dann nützt der Kostenansatz nur einem globalisierten Unternehmen, nicht aber, wer sich nur auf Europa konzentriert?
Das denke ich nicht. Allein die Betrachtung Osteuropa zu Westeuropa oder Nordeuropa gegenüber Südeuropa zeigt Unterschiede hinsichtlich Anwendungsphilosophie, technischen Anforderungen und Preis. Deshalb bin ich davon überzeugt, dass sich die jeweiligen Segmente in verschiedensten Regionen durchsetzen werden.
Mit Cost Engineering entstehen also auch komplett neue Produkte, die lediglich auf ein Segment abzielen?
Genau. Ein Beispiel ist unsere Hydraulic Crude Oil Pump. In Asien, speziell in China, werden heute zur Ölförderung überwiegend mechanische Pumpen eingesetzt. Hierfür haben wir eine neue hydraulische Ölpumpe entwickelt, die über einen Zylinder mit einem einfachen Aggregat ein Stück mehr Automatisierung bietet. Diese Lösung ist deutlich besser und funktionaler als die rein mechanische „Pferdepumpe“ und exakt auf diesen Markt zugeschnitten. Und ich glaube, dass man dies nun auch in anderen Ländern auf den Markt bringen kann, beispielsweise in Afrika oder Südamerika.
Klingt plausibel, auf den ersten Blick aber nicht als Herausforderung. Was ist so brisant am Thema Cost Engineering?
Es sind die Elemente, die zusammen kommen. Vor allem anzuerkennen, dass es Sinn macht, ein regionales Produkt rein für einen Markt zu entwickeln. Das Neue daran ist die Akzeptanz, dass das mittlere Segment wichtig wird. Wenn ich das akzeptiert habe, ist der Rest eine Ableitung bekannter Dinge. Dazu gehört, sich die Kosten sehr genau anzuschauen und nur die Funktionen zu entwickeln, die der Kunde auch bezahlt. Es gibt verschiedene Methoden wie etwa QFD, also Quality Function Deployment, zur Ermittlung der Kundenanforderungen und deren direktes Umsetzen in technische Lösungen. Entscheidend wird jedoch die Erkenntnis sein, dass unterschiedliche Regionen unterschiedliche Schwerpunkte setzen, und dass in Wachstumsregionen das mittlere Segment das größte Potenzial besitzt. Das ist der neue Treiber für die neue Entwicklung.
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