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Maschinendaten: Datenanalyse sagt Zündkerzenausfall hervor

Maschinendaten
Datenanalyse sagt Zündkerzenausfall hervor

Predictive Maintenance ist eines der großen Versprechen von Industrie 4.0. Mithilfe von Analyse-Software will ein Technikkonzern den Ausfall von Motoren tatsächlich vorhersehen. ❧ Markus Strehlitz

Andreas Zientek erzählt gerne seine Lieblingsgeschichte. Diese handelt von einem Techniker, der mithilfe einer Software eine Anomalie bei einem Gasmotor erkannte. Daraufhin fuhr dieser zu dem Unternehmen, bei dem der Motor im Einsatz war. Nur ein paar Minuten, nachdem er dort ankam, fiel der Motor tatsächlich aus. Und der Techniker hatte schon die passende Zündkerze parat. „Unser Kunde war begeistert.“

Zientek ist Systems Engineer beim Zeppelin-Konzern. Das Unternehmen bietet unter anderem Lösungen in den Bereichen Bau- und Bergmaschinen, Landmaschinen, Baulogistik, Antrieb und Energie, Engineering und Anlagenbau an und ist Partner des Maschinenbauers Caterpillar.

Zeppelin Power Systems, eine Unternehmenstochter des Konzerns, hat eine Lösung umgesetzt, die den Namen Predictive Maintenance laut Zientek wirklich verdient. Konkret geht es darum, Zündkerzen in Blockheizkraftwerken zu überwachen. Und mit diesem Projekt möchte Zeppelin zeigen, dass dies tatsächlich vorausschauend möglich ist.

„Wir können in 70 % der Fälle den Ausfall einer Zündkerze im Voraus erkennen“, sagt Zientek. „Wir schicken den Techniker zum Kunden, bevor dieser überhaupt weiß, dass er ein Problem hat.“

Erst Daten aus der IT – dann aus dem IoT

Sein Kollege René Ahlgrim ist Data Scientist bei Zeppelin und berichtet, dass Maschinendaten zwar schon seit längerem erfasst worden seien, diese aber zunächst nicht in dem jetzigen Umfang genutzt wurden. Um den eigenen Service aber besser und effizienter einzusetzen, machten sich die Verantwortlichen bei Zeppelin daran, die vorhandenen Daten zu analysieren.

Das Unternehmen verwendet dafür die Analytics-Techniken des US-Anbieters Splunk. Dessen Kernkompetenz liegt eigentlich darin, Log-Dateien und Metriken von IT-Geräten wie etwa Servern und Netzwerkkomponenten zu erfassen und auszuwerten. Auch bei Zeppelin war die Technologie zunächst nur in der IT im Einsatz.

„Bei uns landet jedes IT-System in Splunk“, berichtet Zientek. So wird die Technik zum Beispiel für das Monitoring der gesamten SAP-Landschaft genutzt. „Aktuell erfassen wir die Daten von 660 Geräten – das sind 100 GB pro Tag“, erklärt Zientek.

2017 habe man dann begonnen, erste Anwendungen im IoT-Bereich (Internet der Dinge) umzusetzen. „Aus meiner Sicht gibt es keinen großen Unterschied zwischen einem Server, der bestimmte Metriken sendet, und einem Motor, der auch eine Log-Datei schreibt“, so Zientek. Daher ließe sich für die Analyse der Daten die gleiche Technologie nutzen.

Da Zündkerzen zu den Komponenten zählen, die am häufigsten ausfallen, wurde deren Überwachung zur ersten Anwendung erkoren, um die Splunk-Technik für den IoT-Bereich nutzbar zu machen. Dabei arbeiteten IT-Experten und die Fachkollegen aus dem Maschinenbau Hand in Hand. Gemeinsam wurden auch die Daten identifiziert, die am aussagekräftigsten waren. Das sind laut Zientek vor allem die Zündspannung und die Abgastemperatur.

Jede Minute werden nun die entsprechenden Werte pro Zylinder gemessen. Um dabei Anomalien zu identifizieren, nutzt die Analyse-Software auch Machine Learning. So liefert das System zunehmend verlässlichere Ergebnisse.

Stillstandszeiten deutlich reduziert

„Früher musste uns der Kunde immer anrufen, wenn ein Motor ausgefallen war“, sagt Zientek. Dann habe der Disponent bei Zeppelin den zuständigen Techniker informiert und dieser sei zum betroffenen Unternehmen gefahren. Seitdem die Wartung vorausschauend möglich ist, laufe der Prozess umgekehrt: „Jetzt können WIR erkennen, wenn ein Problem auftritt. Und dann schicken WIR den Techniker los“, so der Systems Engineer.

Nun ließen sich auch Fälle verhindern, in denen ein Motor das ganze Wochenende über stillsteht, weil im Anwenderunternehmen der Ausfall nicht bemerkt wird. „Durch den Einsatz der Analyse-Software lassen sich die Stillstandszeiten deutlich reduzieren“, erklärt Zientek. Schließlich beruht das Geschäftsmodell von Zeppelin darauf, dass der Maschinenbauer nur Geld erhält, wenn die Anlagen laufen.

Laut Ahlgrim lasse sich der Nutzen der Datenanalyse an drei Punkten festmachen. „Zum ersten verfügen unsere Techniker über bessere Informationen“, sagt Ahlgrim. Dadurch seien sie besser vorbereitet, wenn sie beim Kunden eintreffen, und könnten sich zum Beispiel zusätzliche Fahrten sparen, um Ersatzteile zu besorgen. Das spare wertvolle Arbeitszeit, so der Data Scientist.

„Der zweite Punkt ist: Wir können unsere Disposition besser koordinieren. Denn in unseren Anlagen sind oft mehrere Motoren im Einsatz. Und wenn wir Auffälligkeiten schon im Voraus erkennen, kann sich ein Techniker nicht nur mit einem Motor beschäftigen, sondern auch einen weiteren unter die Lupe nehmen, der möglicherweise demnächst ein Problem bekommt.“ So ließe sich der Kundenservice effizienter einsetzen.

Ein dritter Nutzenaspekt sei die Verfügbarkeit. „Wir können dank der ständigen Analyse der Daten die Verfügbarkeit unserer Maschinen erhöhen. Und das ist das, was unsere Kunden vor allem interessiert.“ Ahlgrim zufolge konnten die Ausfälle pro Anlage dank der IoT-Anwendung circa um die Hälfte reduziert werden.

Lösung für Industrie 4.0 nutzt Machine Learning

Solche Vorteile könnten auch für andere Unternehmen verlockend sein. Der IT-Anbieter Splunk hat daher das Internet der Dinge als lukratives Anwendungsfeld für sich entdeckt. Anlässlich der weltweiten Anwenderkonferenz, die vor wenigen Wochen stattfand, gab der Datenanalysespezialist bekannt, dass nun ein speziell für das Internet der Dinge entwickeltes Angebot auf dem Markt sei. Mit der Lösung Industrial IoT erhielten Unternehmen aus den Branchen Fertigung, Transport sowie Energie und Versorgung die Möglichkeit, Industrieanwendungen, -daten und -anlagen leicht zu überwachen, zu optimieren und zu sichern.

Die Lösung verarbeitet Daten aus industriellen Steuerungseinheiten, Sensoren sowie Scada-Systemen. Bestandteil des Angebots ist auch ein Machine-Learning-Toolkit, um Algorithmen für Prognosen, Anomalieerkennung und Clustering zu nutzen.

Die Verantwortlichen bei Splunk sehen den Umgang mit vielen verschiedenen Datenquellen als großen Vorteil ihrer Technologie. „Maschinendaten sind quasi super messy“, sagt Matthias Maier, Technologie-Experte bei Splunk. Will heißen: Sie sind unstrukturiert und liegen in unterschiedlichen Formaten vor. Mit Splunk ließen sich sämtliche solcher Informationen verarbeiten – egal in welcher Form sie vorliegen.

Datenvielfalt ist eine Herausforderung

Trotzdem bleibt die Heterogenität der Daten eine Herausforderung. „Man verbringt in solchen Projekten bis zu 85 % der Zeit damit, die Daten verfügbar zu machen und in das richtige Format zu bringen“, erklärt Zientek.

Seien die Daten aber erst mal im Analysesystem, könne die Visualisierung der Informationen sehr einfach umgesetzt werden. „Wenn die Technologie erst einmal implementiert ist, entwickelt sich eine eigene Dynamik“, so Zientek. „Dann überlegt man, ob es noch weitere Daten gibt, die ausgewertet werden können“.

Ahlgrim und Zientek sind bereits sehr zufrieden damit, wie weit Predictive Maintenance bei Zeppelin umgesetzt wurde. Doch Ahlgrim sieht noch Optimierungspotenzial. „Wir können im Moment noch nicht exakt – quasi auf die Minute genau – sagen, wie lange ein Teil noch funktionstüchtig ist. Daran arbeiten wir aber.“

Der Zeitraum zwischen dem Erkennen einer Anomalie und dem Ausfall einer Komponente variiere sehr stark, ergänzt Zientek. „Manchmal erkennen wir das erst eine Stunde, manchmal schon Tage vorher.“

Grundsätzlich seien die Muster, die identifiziert werden, sehr verschieden. Schließlich kann ein Problem unterschiedliche Ursachen haben. „Aber selbst wenn wir einen Austausch erst eine Stunde vorher erkennen, stellt das immer noch einen Vorteil dar, weil wir den Kunden warnen können und er sich nicht bei uns melden muss“, so Zientek.

Übergreifende Zusammenarbeit

Um eine Anomalie zu bewerten, wird stets ein Fachtechniker hinzugezogen. „Das ist sehr spannend, weil auf diese Weise Menschen aus unterschiedlichen Disziplinen zusammen arbeiten“, meint Zientek.

Eine solche übergreifende Zusammenarbeit sei auch Ziel der Shared-Services-Abteilung, die Zeppelin gerade in München aufbaue, erklärt Ahlgrim. In dieser sollen mit den Kollegen aus den Fachabteilungen weitere Anwendungen entwickelt werden, die möglicherweise auch Grundlage für neue Geschäftsmodelle sein könnten.

„Wir haben insgesamt 60 potenzielle Projekte für die Datenanalyse mit Splunk in der Pipeline“, berichtet Ahlgrim. „An vier davon arbeiten wir gerade konkret.“

Dazu zählt eine Condition-Monitoring-Anwendung für Baumaschinen. In diesem Fall wäre der vorhandene Daten-Pool noch größer, betont Ahlgrim. „Wir reden hier von circa 20.000 Baumaschinen.“


70 Blockheizkraftwerke, die von Zeppelin Power Systems bereit gestellt werden, seien bei den Kunden im Einsatz, berichtet René Ahlgrim. Die Zahl der unplanmäßigen Ausfälle pro Anlage und Jahr liegt bei 7 bis 15. Wenn sich davon 5 bis 7 pro Anlage und Jahr frühzeitig erkennen ließen, ergebe das ein Einsparungspotenzial von 150.000 Euro pro Jahr.


Firmen wollen in die Glaskugel schauen

93 % der europäischen Hersteller- und Verkehrsunternehmen halten die Wartungsprozesse ihrer Industrieanlagen und -fahrzeuge für nicht sehr effizient, so das Ergebnis einer Studie des Marktforschungs- und Beratungshauses PAC. Abhilfe sollen digitale Lösungen schaffen. So planen 90 % der Firmen, in Technologien zu investieren, die eine vorausschauende Wartung ermöglichen. Dazu zählen zum Beispiel Daten- und Predictive-Maintenance-Plattformen, eine Netzwerk-Infrastruktur, das Internet der Dinge sowie Edge-Analytics. Die Unternehmen arbeiten dafür vor allem mit Anbietern von Netzwerkdiensten, Hardware-Herstellern sowie Telekommunikationsfirmen zusammen. Für die Studie wurden 230 leitende Entscheider aus IT-Abteilungen und Fachbereichen befragt.

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