Für einen Zulieferer wie Festo geht es darum, digitale Produkte und Services zu entwickeln, die sowohl den Endkunden als auch den OEMs einen entscheidenden Mehrwert bieten. Die Voraussetzung hierfür schafft die unternehmensinterne digitale Transformation, die mit informationstechnologischer Infrastruktur und dem Bereich Personal verbunden ist.
Eng verknüpft damit sind neue Vertriebs- und Kommunikationsstrategien, um Kunden bereits online abzuholen und ihnen den Mehrwert digitaler Funktionen zu vermitteln. Kunden sollen mit den Möglichkeiten digitaler Produkte und Services vertraut gemacht werden. Wiederum profitieren Hersteller beziehungsweise Zulieferer und OEMs von den Erfahrungen ihrer Kunden im Bereich Digitalisierung, wenn die Erfahrungswerte aus dem Feld zurück in die Produktentwicklung fließen können.
Festo richtet sich ganzheitlich digital aus
Heiko Geng, Head of Product Management Digital Business bei Festo, spricht von einer „Digitalstrategie auf mehreren Säulen“: Das Unternehmen richte sich ganzheitlich digital aus – eng verknüpft mit den Bereichen Sales, IT und Human Resources (HR). „Die Geschäftsbereiche Electric Automation, Process Automation, Pneumatic Automation sowie Life Tech entwickeln smarte Produkte, die es uns ermöglichen, digitale Produkte und Services nachzuschalten“, beschreibt Geng die Digitalstrategie innerhalb der Produktentwicklung. Hierfür seien vor allem die Fähigkeiten der Konnektivität, der Datengewinnung und des Datensammelns maßgeblich. All dies brächten neue Produkte als infrastrukturelle Voraussetzungen mit.
Als „Digital Customer Journey“, als digitale Kunden-Reise, beschreibt Geng die Aufgabe, „Kunden entlang einer Online-Experience zu führen, um ihnen die Auswahl an Produkten intuitiv online zu ermöglichen“. Das Unternehmen habe früh erkannt, neue Kanäle zu nutzen, um digitale Produkte und Services auf den Markt zu bringen, die sich von der bisherigen Vertriebswelt unterscheiden. Für die Mitarbeiter im Vertrieb bedeute dies, über die Antriebslösungen hinaus vor allem Software zu verkaufen. Software-Vertrieb sei allerdings eine deutlich andere Herausforderung, sagt Eberhard Klotz, Head of Industry 4.0 Campaign bei Festo: „Die Kunden denken anders als jene, die bisher rein Pneumatik eingekauft haben.“
Untrennbar: IT und Fertigung
Der klassische Pneumatiker, der kundenseitig pneumatische Lösungen wie Ventilinseln konzeptionell erstellt und festgelegt hat, ist eher Vergangenheit als Gegenwart. Auch die
Integration von Ventilinseln in Elektronik sowie die Feldbusintegration – verbunden mit der wichtigen Rolle der Elektro-Ingenieure – hat sich gewandelt.
„Heute sind IT-Ingenieure und Applikationsprogrammierer maßgeblich. Sie treffen die Entscheidung darüber, wie einen Maschinenkonzept aussieht“, sagt Festo-Applikationsingenieur Frank Bayer. Um die IT nun stärker an Fertigungsbelange heranzuführen, wird IT-Personal bereitgestellt, das die Fertigung langfristig betreut, um Lernprozesse auf beiden Seiten zu unterstützen. Durch eine agile Produktentwicklung ist Festo bei digitalen Produkten und Services in der Lage, permanente Updates der Software darzustellen wie sie aus dem Consumer-Bereich bekannt sind. Fehlerbehebungen werden über App-Stores verfügbar gehalten. Durch die agile Produktentwicklung haben Kunden die Möglichkeit, Einfluss auf die Produktentwicklung im Entwicklungsprozess zu nehmen – das Stichwort ist Co-Creation: Mit Kunden und Partnern wie Lieferanten und Bildungsinstituten werden Dialoge und Innovations-Laboratorien (Inno-Labs) aufgebaut, um die verschiedenen Stakeholder an einer gemeinsamen Idee mitwirken zu lassen.
In der Produktentwicklungsphase werden Richtungsänderungen möglich. Agile Produktentwicklungsteams, die nach der Scrum-Methodik vorgehen und sich über Sprints schnell und agil bewegen, treiben eine mechatronische Produkt- und Fertigungswelt mit klarem Software-Schwerpunkt voran. Teil der Teams sind neben Konstrukteuren sowohl Experten mit Software- und KI-Know-how sowie Elekronikwissen als auch User-Experience- und User-Interface-Designer. Mechatronik-Entwickler im Produktmanagement für Ventilinseln nutzen die Digitalstrategie konsequent – verbunden mit Fragestellungen wie: Welche Sensorik und Prozessorleistung braucht eine Geräte-Generation beispielsweise, um entsprechend analysefähige Daten generieren zu können? Oder in welchen Zyklenzeiten werden Daten für Anwendungen künstlicher Intelligenz (KI) benötigt?
Digitalstrategie: Multi-IoT-Plattform-Ansatz
Mit wenigen Schritten sollen Kunden in der Cloud arbeiten – verbunden mit zentraler Datenhaltung, weltweit verfügbarer Daten und im nächsten Schritt auch Data Analytics. Die Daten sollen gegeneinander vergleichbar und optimiert sein. Schwächen in den Prozessen sollen identifiziert und aufgelöst werden. Festo unterstützt mit diesem Mechanismus die eigene Cloud, die auf Microsoft Azure aufsetzt und deren Services nutzt. Andere Plattformen wie Siemens Mindsphere oder Plattformen, die im asiatischen Raum gängig sind, sollen ebenfalls unterstützt werden. Mit Rockwell ist eine On-Premises-Lösung vorbereitet. Weitere On-Premises-Lösungen mit einer individuell konfigurierbaren IoT-Gateway sind ebenfalls geplant.
Die IT-Infrastruktur, aber auch die Akzeptanz und das Wissen um Daten sind heute derart ausgeprägt, um bloße Datenmengen in intelligente Dateninformationen überführen zu können. Früher wurden zum Beispiel Datenlogger aufwändig durch Spezialisten ausgewertet, die für jede Anlage Algorithmen entwickeln mussten, um Wartungsintervalle setzen zu können.
Trend geht dahin, die Rechenleistung on the edge laufen zu lassen
Über das Dashboard und die Kanalisierung der Daten wird die Hemmschwelle zur Datenauswertung für Kunden niedriger. Tiefergehende Programmierkenntnisse sind bei den Dashboards aufgrund der intuitiven Benutzeroberfläche nicht notwendig. „Der Endkunde – und das ist für den Vertrieb wichtig – ist auch bereit, Geld dafür auszugeben, weil er den Nutzen erkennt“, sagt Bayer. Kunden bekämen ein intelligentes System, das präventives Eingreifen und eine
optimierte Produktion ermögliche. Klotz erklärt: „Hier hilft die neue Technologie. Wenn die Standardisierung der IT-Infrastruktur vorangetrieben ist, wird die Datenanalyse einfacher, weil die Daten bezahlbar zu speichern, zu analysieren und zu visualisieren sind. Systemintegratoren werden an der Stelle verzichtbar.“
Derzeit agiert Festo cloudbasiert. Der Trend gehe aber in die Richtung, die gesamte Rechenleistung on edge laufen zu lassen, da die Datenkommunikation in die Cloud teuer ist. Möglichst viel Rechenleistung soll daher komponentenseitig stattfinden. Dann würden nur noch Signale zu Anomalien in die Cloud weitergegeben. Damit würde die Datenmenge reduziert, die in die Cloud geht. Der Kunde könnte vom einfachen Teaching bei der Inbetriebnahme profitieren.