Die klassische Fertigungsfeinplanung ist von einer hohen Komplexität geprägt. Bereits bei 30 Arbeitsgängen entstehen mehr Anordnungsmöglichkeiten, als es Wassermoleküle auf der Erde gibt. Hinzu kommen zahlreiche Randbedingungen und weitere Abhängigkeiten von Faktoren wie die wechselnde Dauer von Arbeitsgängen, variierende Rüstzeiten und schwankende Ressourcenverfügbarkeiten. Digitale Plantafeln liefern hier solide Entscheidungsgrundlagen für Planer in Industriebetrieben. Wozu braucht es dann noch die Unterstützung einer KI, wenn doch bestehende Planungstools gut performen und man auf das Wissen des Fertigungsplaners setzen kann? Die Antwort darauf ist vielschichtig.
Der MES-Softwareanbieter Industrie Informatik sucht gemäß dieser Frage gemeinsam mit der österreichischen Forschungseinrichtung RISC Software in einem aktuellen Projekt nach den ‚Planungsalgorithmen der nächsten Generation’. „Es war und ist unser Bestreben, bestimmte Entscheidungsstrukturen von Menschen mittels KI nachzubilden, um diese dann in der Fertigungsfeinplanung anzuwenden. Vereinfacht gesagt geht es – wie so oft – um die Extraktion von Wissen aus Daten“, erklärt Bernhard Falkner, CTO des Softwarehauses und Hauptverantwortlich für das Forschungsprojekt.
Am Anfang der KI steht das Lernen
Die Basis für eine KI-Anwendung ist Wissen beziehungsweise künstlich generiertes Wissen, das aus realen Abläufen und Erfahrungen in der Produktionsplanung stammt. Beim sogenannten maschinellen Lernen werden Planungsaktionen und deren Ergebnisse berechnet und anschließend im ‚Optimizer‘ bewertet. Diese Bewertungen erfolgen anhand komplexer Algorithmen, die verschiedene Zielfunktionen als Grundlage nutzen. Feinplaner können dabei auf ein breites Spektrum dieser Zielfunktionen wie Kostenreduktion, Verkürzung der Auftragsdurchlaufzeit, Optimierung der Rüstdauer und -kosten oder Minimierung von Auftragsverzug zurückgreifen.
„Industriebetriebe verfolgen in der Regel mehr als nur ein Optimierungsziel. Diese müssen mittels gewichteter Zielfunktionen aufeinander abstimm- und parallel verfolgbar sein. Nur dann kann eine KI-Lösung den komplexen Anforderungen einer Smart Factory gerecht werden“, präzisiert Falkner.
KI erkennt automatisch nicht-optimale Strukturen im Prozess
Mit einer initialen Planungssituation und der definierten Gesamtzielfunktionen als Basis kann sich der ‚Optimizer‘ nun an die Arbeit machen. Das bedeutet, dass nicht-optimale und kritische Situationen im Prozess automatisch erkannt und analysiert werden. Genau an dieser Stelle werden mit sogenannten Nachbarschaftsoperatoren Verbesserungen durchgeführt und auf deren Basis ein neues Planungsbild berechnet.
Planungsoptimierung durch Lerneffekt
Verbessert sich nun das Ergebnis mit dem eingesetzten Nachbarschaftsoperator, so wird dieser positiv bewertet und kommt bei künftigen Simulationen mit höherer Wahrscheinlichkeit wieder zum Einsatz. Das gleiche Prinzip gilt auch in die andere Richtung. Verbessert sich eine Situation durch die Anpassungen nicht, so wird dieser Nachbarschaftsoperator seltener genutzt. Falkner sieht darin die Möglichkeit einer nahezu perfekten Fertigungsfeinplanung: „Je länger man den ‚Optimizer‘ laufen lässt, desto mehr Planungsszenarien durchläuft er und desto höher ist die Wahrscheinlichkeit eines optimalen Planungsergebnisses.“
Wie setzt man KI und im speziellen Fall den ‚Optimizer‘ nun in der Praxis ein? Die neuen Technologien sollten dabei nicht als Ersatz für Planungspersonal angesehen werden, sondern den Mitarbeitern die Arbeit erleichtern und dabei die Effizienz signifikant erhöhen. Vielmehr initiiert man mit dem ‚Optimizer‘ einen Hintergrundprozess, der parallel zur laufenden Produktion seine Arbeit aufnimmt, Szenario für Szenario anhand aktueller wissenschaftlicher Algorithmen durchspielt und mittels Zielfunktionen bewertet. Als User hat man die Möglichkeit, jederzeit den aktuellen Stand der Planung und die Bewertung der Zielfunktion einzusehen und zu entscheiden, ab wann man diese in den Echtbetrieb übernimmt. Je mehr Zeit man dem ‚Optimizer‘ gibt, desto näher kommt man dem ‚perfekten’ Planungsergebnis. „Die Anwendungsmöglichkeiten sind vielschichtig. So kann man beispielsweise auch verschiedene Zielfunktionen in parallel laufenden Simulationen verfolgen und so weitere Vergleiche aufstellen“, sagt der Projektverantwortliche.
Anwender benötigen kein gesondertes KI-Know-how
Ein wesentlicher Erfolgsfaktor ist die globale Lösungssuche des ‚Optimizers‘: Das heißt, er beschränkt sich nicht auf ein lokales Optimum, sondern bezieht Lösungswege mit ein, die ein menschlicher Planer von Hand nicht erfassen könnte. „Das Ziel und der Nutzen der künstlichen Intelligenz ist es, die Fertigungsfeinplanung technologisch gestützt – wie einen intelligenten Planer – selbstlernend agieren zu lassen“, fasst Falkner zusammen.
Einen weiteren Vorteil sieht er vor allem in der integrativen Umsetzung der KI im Hintergrund. Gut gemachte KI brauche beim Endanwender kein Know-how. Zwar muss der User eine Zieldefinition erstellen – aber dazu brauche man auch kein KI-Know-how, lediglich Know-how in der Planung. Konkret bedeutet das: KI ist als zusätzliches ‚Modul’ zur cronetwork-Feinplanung des MES-Anbieters zu sehen. Es läuft parallel dazu, die Bedienung geschieht über die bestehende Plantafel. Während des Laufbetriebs könne normal in cronetwork-Feinplanung gearbeitet werden. Es ist also kein Prozedere der Produkt-Integration – schon gar nicht für den Endanwender – notwendig.
Kontakt:
Industrie Informatik GmbH
Wankmüllerhofstraße 58
4020 Linz, Österreich
Tel.: +43 7326978–0
E-Mail: info@industrieinformatik.com
Im Überblick
Verbessert sich das Planungsergebnis mit dem ‚Optimizer‘, kommt er bei künftigen Simulationen mit höherer Wahrscheinlichkeit wieder zum Einsatz.
Daten zum Forschungsprojekt:
- Laufzeit: 3 Jahre, das Projekt ist noch nicht abgeschlossen
- Forschungseinrichtung: Unabhängiges Forschungsunternehmen RISC, Hagenberg, Österreich
- Budget: keine Angaben