E-Invoicing | Die öffentliche Verwaltung muss bis Ende 2018 Verfahren zur automatischen Bearbeitung von elektronischen Rechnungen festlegen. Davon profitiert auch die Privatwirtschaft. ❧ Sabine Koll
Das Gesamtvolumen elektronischer Rechnungen wird 2016 weltweit 30 Milliarden überschreiten – Tendenz steigend. Für die kommenden Jahre werden jährliche Wachstumsrate von 10 bis 20 % erwartet. Das ist ein Ergebnis der aktuellen Studie „E-Invoicing/E-Billing“ des Branchenexperten Billentis.
Die Berater betonen die entscheidende Rolle der öffentlichen Verwaltung bei der Digitalisierung, indem sie durch das Etablieren von Standards den Umwälzungsprozess über das E-Invoicing hinaus beschleunigt. Laut Report nutzten im Mai 2015 aber nur 8 % der deutschen Kommunen elektronische Rechnungsverfahren, lediglich 19 % planen die Implementierung bis Ende 2016. Dabei ist gerade bei der öffentlichen Hand in Deutschland das Einsparpotenzial enorm: Billentis schätzt es auf mindestens 6,5 Mrd. Euro – das ist der höchste Wert unter den ausgewerteten Staaten.
Europaweit sind durch EU-Direktiven über 100 000 öffentliche Einrichtungen angehalten, bis Ende 2018 Verfahren zur automatischen Bearbeitung von standardisierten E-Invoices festzulegen und bestimmte Procurement-Prozesse zu digitalisieren.
Um diese Vorgaben aus Brüssel in deutsches Recht umzusetzen, hat das Bundesministerium des Innern (BMI) hat am 1. Juli 2016 einen Gesetzentwurf zur elektronischen Rechnungsstellung im öffentlichen Auftragswesen veröffentlicht. „Dies bedeutet für Unternehmen, dass ihre Rechnungen an die öffentliche Verwaltung nur akzeptiert werden, wenn die relevanten Daten in maschinenlesbarer Form vorliegen, zum Beispiel als XML-Datensatz“, stellt Dr. Ulrich Kampffmeyer klar, Geschäftsführer der Project Consult Unternehmensberatung (B L01). Denn die automatisierte Rechnungsverarbeitung sei einer der großen Vorteile elektronischer Rechnungen, deren reibungslose Funktion nur durch eine standardisierte Dateneingabe ermöglicht werde. Dies werde durch die Rechnungsstellung per PDF oder ähnlicher, nicht maschinenlesbarer Verfahren „unnötig ausgebremst“.
In einem Punkt geht der deutsche Entwurf laut Kampffmeyer über die Vorgaben der EU-Richtlinie hinaus: Er sieht vor, das gesamte öffentliche Auftragswesen zu digitalisieren, nicht nur Aufträge eines gewissen Volumens. Letzteres würde zu weiterer Unterscheidungsnotwendigkeit führen, welche das Verfahren nach Meinung des BMI nur belasten würde.
Und auch auf technischer Ebene könnte es einen deutschen Sonderweg geben: Geplant ist ein national verbindlicher Standard namens XRechnung, in den Erfahrungen von Zugferd einfließen sollen. Zugferd steht für „Zentrale User Guidelines für elektronische Rechnungen in Deutschland“ und wurde vor ein paar Jahren vom Forum elektronische Rechnung Deutschland (Ferd) entwickelt – auf Basis des Langzeitarchivierungsformats PDF/A-3. Die Idee dahinter waren geringere Aufwände für die IT vor allem in kleinen und mittlere Unternehmen, die die elektronische Rechnungsabwicklung unterstützen muss. Dies betrifft zum Beispiel Schnittstellen zu ERP- und Buchhaltungsprogrammen, aber auch die rechtskonforme Archivierung der Rechnungsdaten sowie die Verwendung bestimmter Daten- und Rechnungsformate. Zugferd-konforme Rechnungen bestehen aus einem PDF/A-3-Dokument und einer XML-Datei mit Bezug auf das Dokument. Das Zugferd-Datenmodell definiert somit, wie das sicher archivierbare Belegbild einer Rechnung und deren Daten als XML in einer PDF/A-3-Datei verbunden sind.
Die Krux dabei: „Das in Deutschland favorisierte hybride Zugferd-Format erfüllt die Anforderungen von EU und deutscher Umsetzung eigentlich nur eingeschränkt, beinhaltet aber zusätzlich die Rechnung als Dokument im PDF-Format“, so Kampffmeyer. Auf europäischer Ebene werde an einem einheitlichen XML-Datenformat gearbeitet, das als europäische Norm für elektronische Rechnungen für alle Verwaltungen Europas verbindlich wird. Der Berater ist überzeugt, dass sowohl XRechnung als auch das europäische Format Auswirkungen auf die XML-Profile von Zugferd haben werden.
Wirklich durchgesetzt hat sich Zugferd allerdings nicht. „Die Entwicklung von technischen Formaten wie Zugferd ist ein wichtiger Schritt. Dies allein wird allerdings nicht ausreichen, um der elektronischen Rechnungsstellung auch in der mittelständischen Wirtschaft zum Durchbruch zu verhelfen“, mahnt Professor Georg Rainer Hofmann, Leiter der Kompetenzgruppe E-Commerce im Verband der Internetwirtschaft Eco.
Vielmehr müssten laut Hofmann zusätzliche Akzeptanzfaktoren und Nutzeneffekte für die Unternehmen geschaffen werden, die darüber hinausgingen, dass „die bisherigen Papierrechnungen jetzt eben elektronisch vorliegen“. Die weitaus größte Zahl der elektronischen Rechnungen besteht derzeit lediglich aus einem PDF-Dokument als elektronischem Abbild einer Papierrechnung. Laut Billentis-Report betrug 2015 in den deutschsprachigen Ländern der Anteil dieser PDF-Rechnungen am Gesamtaufkommen von E-Invoices 75 %.
„Weitreichende Interoperabilität ist der Schlüssel zur Akzeptanz von E-Invoicing – das gilt für Dateiformate, Rechnungsadressen oder Access-Point-Exchange-Daten der Provider. Als Anbieter ist es unsere Aufgabe, dafür zu sorgen, dass beispielsweise Lieferanten sich nicht mit technischen Fragen befassen müssen und E-Invoicing so selbstverständlich wie E-Mail-Verkehr wird. Dann wird E-Invoicing zum Wegbereiter für umfassende Digitalisierung“, sagt Jarkko Kerkola, Head of Sales von Opus Capita, einem Anbieter von Lösungen und Services rund um die Rechnungsabwicklung.
Schneller, günstiger, weniger fehleranfällig
Auf der IT & Business demonstriert die Datev im ECM Solutions Park des Bitkom (Halle 1, Stand B31) am Beispiel der Rechnungsprüfung, wie sich die Prozessschritte zu einem digitalen Workflow verbinden lassen: In der Dokumentenmanagement-Lösung DMS Classic wird die Eingangsrechnung zunächst in digitaler Form archiviert. Die DMS-Komponente zur Texterkennung ordnet dann in Verbindung mit einem Werkzeug zur Rechnungsprüfung Daten wie Rechnungsdatum und -nummer den richtigen Kategorien zu und übergibt sie als Vorschlag in die Ablagemaske. Handelt es sich bei der Eingangsrechnung um ein elektronisches Dokument im Zugferd-Format, werden die enthaltenen Daten automatisch importiert und weiterverarbeitet. Für die notwendige Prüfung auf Richtigkeit führt das Tool DMS Rechnungsprüfung Classic die Rechnung durch einen vom Unternehmen definierten Prozess. Ist die Prüfung abgeschlossen und die Buchungsfreigabe erteilt, belegt der Buchungsassistent Teile des Buchungssatzes automatisch vor. Informationen wie Betrag oder Kostenstelle werden dabei an das Programm Datev Mittelstand Faktura und Rechnungswesen übergeben. Nach der Buchung wird im Programm ein Beleglink erzeugt und die Buchungszeile mit dem DMS-Belegbild verknüpft.
Unsere Webinar-Empfehlung
Teilen: