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Ohne Umweltbezug geht (fast) gar nichts

Forschungsförderung: Umweltberechungen sollten Teil des Förderantrags sein
Ohne Umweltbezug geht (fast) gar nichts

Die Industrie muss zunehmend fundierte Umweltaussagen machen, wenn sie bei Anträgen zur Innovations- und Investitionsförderung erfolgreich sein will. Aber wie beschaffen? Für die Ermittlung griffiger Zahlen braucht es spezifisches Know-how.

Der Nachweis von Umwelteffekten wie Energie- und Ressourcen-Einsparpotenzialen ist inzwischen fester Bestandteil von nationalen und europäischen Förderprogrammen – und das nicht nur bei Industrieprojekten mit direktem Umweltbezug. Auch bei öffentlichen Zuschüssen für die Entwicklung von innovativen Produkten und Verfahren gewinnen Umweltaussagen an Bedeutung.

„Dieser Trend lässt sich bereits bei den meisten Förderprogrammen ablesen, die für deutsche Firmen interessant sind“, sagt Innovationsmanagerin Sonja Stockhausen. Die Geschäftsführerin der Unternehmensberatung Gewi* nennt in diesem Zusammenhang die Umweltschutzförderung der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU), das Umweltinnovationsprogramm UIP des Bundesumweltministeriums und das 5. Energieforschungsprogramm, das von den drei Bundesministerien für Wirtschaft und Technologie, Umwelt und Forschung getragen wird. International seien Umweltberechnungen bei so attraktiven Programmen wie Eco Innovation, Intelligente Energien Europa (IEE), NER 300 oder bei dem 7. EU-Forschungsrahmenprogramm zum Themenbereich 5 (Energie) ein wesentliches Antragskriterium neben Aussagen zur Wirtschaftlichkeit.
Dr. Klaus Jansen, Chef des Forschungskuratoriums Textil, stützt diese Einschätzung: Selbst wenn Umweltberechungen vom jeweiligen Förderprogramm nicht explizit gefordert sind, können sie nach seiner Erfahrung quantitative Aussagen liefern und damit bei der oft wettbewerblichen Vergabe der Fördermittel zu einem wichtigen Bewertungskriterium werden. Findet der Gutachter im Projektantrag entsprechende Zahlen „und sind diese vernünftig ins Verhältnis mit aktuellen Belastungen gesetzt“, könne damit der monetäre Vorteil für ein Unternehmen dargestellt werden. „Als Ex-Gutachter würde ich einer solchen Betrachtung höhere Punktzahlen geben als schwammigen Aussagen ohne Zahlen“, unterstreicht Jansen.
Was den meisten Unternehmen bei der Beantragung von Projektzuschüssen zunächst eher lästig erscheint (weil die Inhouse-Kompetenz für diese Berechnungen oft fehlt), kann sich als sehr nützlich erweisen, wenn die Umweltentlastungspotenziale in Sachen Energie- und CO2-Einsparung erst einmal auf dem Tisch sind. Ein Beispiel dafür gibt das Schomäcker Federnwerk in Melle. Es plante die Entwicklung eines energiereduzierten Teilschrittes zur Herstellung von Lenkfedern. Nachdem die Umwelteffekte mit Hilfe von Gewi exakt prognostiziert wurden, unterstützte der DBU das Vorhaben mit Fördergeldern.
Nach den gemeinsam erarbeiteten Umweltberechnungen lassen sich mit dem nun seit 2009 laufenden „EnRed“-Verfahren pro Kilogramm Werkstückgewicht 36,2 %Primärenergie einsparen. Bezogen auf die allein in Europa benötigten 1,4 Mio. Lenker pro Jahr ergäbe sich bei konsequenter Anwendung dieser Technologie eine Reduktion des Energiebedarfs um 32,1 GWh. Gelingt es, den neuen Umformprozess europaweit auch für die Produktion von Parabelfedern anzuwenden (einer Weiterentwicklung von Trapezfedern), würde ein zusätzliches Einsparpotenzial von 96,7 GWh erschlossen. Ähnlich beeindruckend ist die ermittelte CO2-Bilanz im Vergleich zum konventionellen Herstellprozess. Das energiereduzierte Verfahren reduziert demnach den CO2-Ausstoß pro Kilogramm Endprodukt um 0,145 kg (36,7 %). Bezogen auf die genannten Produktionsmengen von Lenkerfedern ist damit europaweit eine Reduktion des CO2-Ausstoßes um 7105 t/a möglich.
„Obwohl wir erfahrene Techniker und Konstrukteure sind, hätten wir bei solchen Umweltprognosen passen müssen. Daran wäre womöglich die ganze Förderung gescheitert“, erinnert sich Schomäcker-Geschäftsführer Dr. Torsten Bispink. Auch bei Gewi, mit 26 Jahren Markterfahrung eine der ältesten Fördermittelberatungen in Deutschland, weiß man: Viele Anträge fallen durch, weil eine fundierte und quantitative Abschätzung der erzielbaren Umwelteffekte fehlt. Selbst größeren Unternehmen fehle oft schlichtweg die Kenntnis, „wie so etwas geht“, sagt Sonja.
Bei einem Förderantrag müssen vor allem die Energieeinsparpotenziale (oder andere Umwelteffekte) verglichen mit dem Stand der Technik in einem Kosten-Nutzen-Rahmen aufgezeigt werden. Zunächst wird eine Energiebilanz erstellt – bei Gewi vorzugsweise anhand eines „Sankey“-Diagramms. Dabei werden alle Größen auf ein einheitliches Zeitmaß und auf die gleiche Einheit (zum Beispiel CO2) gebracht und dann anhand eines Flussdiagramms mengenproportional dargestellt. Insbesondere ist zu beachten, dass Bezugsgrößen und Systemgrenzen der Betrachtung klar definiert werden. Was darüber hinaus beim Förderantrag besonders wichtig ist und beispielsweise bei der viel aufwändigeren Ökobilanz nach ISO-Norm nicht betrachtet wird, sind die möglichen Multiplikationseffekte der für den Einzelfall ermittelten Umweltwirkungen.
Ein wichtiges Kriterium ist auch die Potenzialerkennung. DBU-Referent Dr.-Ing Jörg Lefèvre nennt sie als „spekulative Daten mit physikalischem Aussagewert“. Dabei gelte es – durch den Antragsteller selbst, mit Hilfe externer Dienstleister oder Branchenverbänden – beispielsweise folgende Frage zu beantworten: Wie viel CO2 würde eingespart, wenn die im Förderprojekt skizzierte Verfahrensentwicklung innerhalb von fünf Jahren eine Marktdurchdringung von X Prozent erreichte in Deutschland bzw. Europa? An dieser Stelle, so der Umwelttechnik-Experte, gehe es schon nicht mehr allein um den Antragsteller selbst, sondern um die Abschätzung des Umweltentlastungspotenzials, das bei Übertragung der Projektergebnisse erfolgt. Zugegebenermaßen sei das eine schwierige Fragestellung.
Gewi-Geschäftsführerin Stockhausen betont den Mehrfachnutzen solcher überbetrieblichen Sichten. Umweltberechnungen sollten so praxisnah (industrienah!) wie möglich erfolgen, um damit mehrere Ziele gleichzeitig zu unterstützen: nicht nur die aktuelle Antragerstellung selbst, sondern auch die nachfolgende Vermarktung der Idee unter Umwelt-Gesichtspunkten und eventuell auch die „Potenzialerkennung“, welche Technologie- und Investitionsprojekte im Weiteren angegangen werden können. „Gewi ist einer der wenigen privaten Dienstleister, der zur Fördermittelbeantragung technisches, umwelttechnisches und betriebswirtschaftliches Know-how zusammenbringt und zudem losgelöst von Förderverfahren die Umweltpotenziale für die Industrie ermittelt.“ Im Gegensatz zu Wissenschaftlern und Instituten, die solche Berechnungen ebenfalls anbieten, wisse man als Innovationsbegleiter des Mittelstands und der Großindustrie ziemlich genau, wie die Wirtschaft arbeite und „was hier relevant“ sei.
Hans-Werner Oertel Journalist in Berlin
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