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Spielregeln beachten!

Geschäftserfolg in Frankreich - Teil 3
Spielregeln beachten!

Interkulturelle Unterschiede sind in Frankreich stärker zu beachten, als gemeinhin angenommen. Fürs Neugeschäft braucht es Geduld und Verständnis. Wer sich den Gepflogenheiten anpasst, kommt jenseits des Rheins schneller zum Erfolg.

Konzerne wie VW, Mercedes, Philips, Thyssen oder Lufthansa geben jährlich beachtliche Summen für interkulturelle Schulungen ihrer Mitarbeiter aus – für etwas also, was mittelständische Unternehmen oftmals in ihrer Bedeutung unterschätzen. Zumal interkulturelle Probleme nicht als solche betitelt daher marschieren, sondern sich vielmehr in unerquicklichen Zusammenarbeiten, verpatzten Terminen, geplatzten Hoffnungen und menschlicher Entfremdung offenbaren.

Interkulturelle Missverständnisse entspringen Fehldeutungen des Verhaltens von Menschen anderer Kulturen. Körpersprache, Sprache und Einstellungen sind Haupt-Signalgeber. Den Unterschieden zwischen Deutschen und Franzosen liegen unterschiedliche Zeitauffassungen zugrunde. Beispielsweise werden in monochronen Kulturen (wie im germanischen Sprachraum) Pläne strikt verfolgt und eine Aufgabe nach der anderen erledigt und in polychronen Kulturen (wie im romanischen Sprachraum) Pläne häufig geändert und etliche Aufgaben gleichzeitig bearbeitet.
Französische Manager verstehen sich eher als Einzelkämpfer denn als Teamworker. Sie betrachten Wissen als Macht und voreilige Kompromissangebote als Schwäche. Sie sind logisch-analytische, harte Verhandler. Anders als Deutsche unterhalten Franzosen eine gänzlich unverklemmte Beziehung zur Macht. In Deutschland redet man verschämt von „Einfluss“ und „Gestaltung“. Mitglieder der französischen Elite bekennen sich ganz unverblümt zur Macht. Elite ist erwünscht. Wer eine der Elitehochschulen (grandes écoles) absolviert hat, hat den Marschallstab im Tornister.
„Franzosen gehen jedes Sachproblem auch unter dem Gesichtspunkt an: Wie kann ich mein Gegenüber dominieren“, meint Markus Kerber, Professor an der TU Berlin und einer der raren deutschen Absolventen der französischen Kaderschmiede École Nationale d’Aministration (ENA). Eine Studie ergab kürzlich, dass von jenen 80 französischen Topmanagern der 40 größten börsennotierten Unternehmen 63 eine „grande école“ absolviert haben. Nur einer winzigen Minorität der gallischen Abiturienten gelingt es, die überaus selektiven Aufnahmeprüfungen zu bestehen.
In Frankreich benötigen Sie nicht nur französischsprachiges, sondern vor allem dem französischen Markt angepasstes Werbematerial. Vertrauen Sie dabei keinem deutschen Übersetzer allein, so sehr überzeugt Sie von dessen Fähigkeiten auch sein mögen. Es geht gar nicht so sehr um die akkurate Übersetzung, sondern vielmehr um die markt- und mentalitätsgerechte, also die „akkulturierte“ französische oder deutsche Übertragung. Lassen Sie werbliche Unterlagen für den französischen Markt am besten von einer französischen Werbeagentur bearbeiten, und zwar möglichst in Abstimmung mit Ihrer deutschen Hausagentur. Und lassen Sie alle Publikationen durch einen möglichst marketingversierten Muttersprachler (der vorwiegend in Frankreich lebt) gegenlesen. Das Papier französischer Prospekte ist übrigens gemeinhin dicker als in Deutschland und in Hochglanz. Umweltpapier wird Erstaunen hervorrufen.
Wer den französischen Markt erobern will, braucht Geduld und Verständnis. Es lohnt: Branchenübergreifend kann ein deutscher Mittelständler – grobe Faustregel – darauf zählen, binnen eines Zeitraumes von anderthalb bis drei Jahren 15 bis 30 % seines deutschen Umsatzes in Frankreich zusätzlich zu erzielen.
Französische Manager schätzen an Deutschen Zuverlässigkeit, Präzision, Höflichkeit, Gründlichkeit, Pragmatismus, Effizienz, Professionalität. Bringen Sie diese Tugenden in Ihre Verkaufsverhandlungen mit ein.
Noch ein Wort zu den berühmt-berüchtigten französischen Arbeitsessen, die im Zuge von Verhandlungen eine wichtige Rolle spielen. Wir Deutsche wissen vor allem von langen französischen Mittagessen, die sich über mehr als drei Stunden hinziehen, zu berichten. Keine Sorge, so schlimm kommt es nicht mehr. Anderthalb bis zwei Stunden tun es für gewöhnlich auch. Ihr französischer Partner wird Ihre nachmittäglichen Termine sorgsam beachten. Die französischen Endlosmahlzeiten finden nur an Festtagen und zu besonderen Anlässen statt. Franzosen haben übrigens die Gewohnheit, neue Geschäftskontakte mit einer Essenseinladung einzuleiten, wohingegen wir Deutsche eher nach dem Motto „Erst die Arbeit, dann das Spiel“ handeln.
Dennoch: So mancher deutsche Geschäftsmann wurde – ob der langen Mahlzeit, die er durch Hinunterschlingen französischen Köstlichkeiten entscheidend zu verkürzen gedachte – schon ungeduldig und fragte sich, ob er nun zum Essen oder zum Arbeiten angereist sei. Benahm er sich deshalb ein wenig unziemlich – was jede complicité (Komplizenschaft, Vertrautheit) ausschließt – so war sein Geschäft geplatzt. Hatte er doch dabei eine grundlegende Weisheit übersehen: Wenn man sich beim Essen zwei Stunden über frische Trüffeln, (die von den Parisern geliebte) Steffi Graf und die unterschiedliche Höhe französischer Kathedralen (Metz hat die höchste Scheitelhöhe) sowie die familiäre Situation freundlich und tiefschürfend, aber keinesfalls zu tiefgehend (sprich: indiskret und neugierig) unterhalten hat, dann nur darf man in der Tat hoffen, dass am Ende, manchmal ganz beiläufig in einem kurzen Nebensatz, das Geschäft abgeschlossen wird. So einfach ist das, und doch so schwierig …
Norbert J. Breuer Deutsch-französischer Berater für Exportmarketing und interkulturelles Management in Wallerfangen, Kreis Saarlouis
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