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Transparente Lieferketten werden wettbewerbsentscheidend

Compliance
Transparente Lieferketten werden wettbewerbsentscheidend

Eine transparente Lieferkette ist nicht nur nötig, um Compliance-Anforderungen gerecht zu werden, sie ist auch der erste Schritt hin zur Kreislaufwirtschaft.

Jörg Walden
Gründer und CEO von iPoint in Reutlingen

Compliance-Anforderungen an Unternehmen sind in den letzten Jahren deutlich gestiegen. Gerade in den Bereichen Umwelt, Materialien und Soziales. Insbesondere dadurch, dass Rohstoffe und Komponenten international und in immer längeren Lieferketten beschafft werden.

In komplexen Industrieprodukten stecken eine Vielzahl unterschiedlicher Komponenten. Die Frage, was genau in einem Produkt enthalten ist, ist demnach oft schwierig zu beantworten und stellt Unternehmen nicht selten vor einige Herausforderungen.

In vielen Compliance-Anforderungen geht es jedoch nicht nur um inhaltliche Angaben zu Stoffen und Materialien, sondern auch darum, wie diese beschafft oder unter welchen Bedingungen sie abgebaut wurden. Skandale um den Abbau sogenannter Konfliktmineralien in Krisengebieten haben die Öffentlichkeit für die Thematik nachhaltig sensibilisiert. Die einwandfreie Nachweisbarkeit der verarbeiteten Stoffe und Materialien steht daher bei vielen produzierenden Unternehmen ganz oben auf der Compliance-Liste. Eine aktuell durchgeführte, weltweite Umfrage zur Einschätzung der Bedeutung von Compliance unter entsprechenden Experten, sieht die Bedeutung von Compliance und Nachhaltigkeit bei der Sourcing-Strategie auch klar steigend.

Doch es geht nicht nur um die Frage von sozialen Standards und einer möglichst genauen Aufschlüsselung von Inhaltsstoffen: eine transparente Lieferkette und deren wirtschaftliche Einbindung in die Produktentwicklung werden zukünftig wettbewerbsentscheidend für die hiesige Industrie sein.

Rund eine Million chemische Komponenten und
Stoffe in einem durchschnittlichen Pkw

Aufwendige industriell hergestellte Produkte enthalten eine große Zahl einzelner Bauteile. Je nach Komplexität können das mehrere Tausend sein. Diese einzelnen Teile bestehen wiederum aus unterschiedlichen Materialien und chemischen Bestandteilen. So stecken in den etwa 2500 Bauteilen eines durchschnittlichen Pkws etwa eine Million chemischer Komponenten und Stoffe, die identifiziert werden müssen. Die Folge ist, dass Compliance-Beauftragte sich mit einer regelrechten Datenflut konfrontiert sehen, die es zu bewältigen gilt, wenn sie den gesetzlichen Anforderungen entsprechen wollen.

Eine der größten Schwierigkeiten beim Abgleich der Daten hinsichtlich gesetzlicher Regularien und Auflagen besteht darin, dass die Daten nicht zentral gespeichert sind. Lieferanten und Zulieferer sind verpflichtet, die entsprechenden Daten anzulegen, jedoch nicht in einer gemeinsamen Datenbank. Das heißt, sie sind zwar theoretisch vorhanden, aber allein das Zusammentragen der benötigten Informationen bindet große zeitliche und personelle Ressourcen.

Die Praxis hat gezeigt, dass die Zusammenführung und das Einspeisen sämtlicher Daten in eine Datenbank kritische Punkte sind, um die Geschwindigkeit beim Abgleich mit Compliance-Anforderungen zu erhöhen. Entsprechende IT-Lösungen sorgen für eine zentral organisierte Datenstruktur, auf die alle Geschäftsbereiche zugreifen können. Bei international tätigen oder über mehrere Geschäftsfelder hinweg organisierten Unternehmen ist dies ein immenser Vorteil.

Ein Business Case mit einem international agierenden Fortune-500-Industrieunternehmen zeigt deutlich die bisherigen Probleme und die Benefits einer Datenbank auf. Bis zur Einführung der zentralen Datenbank, in der alle einzelnen Materialströme zentral erfasst wurden und die jeweiligen Supplier die genaue chemische Zusammensetzung der gelieferten Materialien und Produkte hinterlegten, lief der Erfassungs- und Abgleichprozess zu großen Teilen manuell. Das heißt, kaum noch zu pflegende Excel-Sheets wurden zwischen Abteilungen und Standorten hin und her gesendet.

Durchgehende Digitalisierung ist absolute
Notwendigkeit

Allein die Menge der Daten sorgte dafür, dass es für die Compliance-Beauftragten ausgesprochen schwierig war, Anfragen und Antworten zu koordinieren und diese mit den jeweiligen Leitlinien abzugleichen. Eine durchgehende Digitalisierung und Automatisierung dieser Prozesse ist daher der erste Schritt und eine absolute Notwendigkeit, um mit den aktuellen Entwicklungen im Compliance-Bereich Schritt zu halten.

Für das Stücklistenmanagement ergibt sich durch die zentrale Erfassung die Möglichkeit, im Falle eines Konfliktes mit einem verwendeten Stoff, diesen unmittelbar zu orten und zu erfassen. Das Unternehmen kann insgesamt seinen umfassenden Reporting-Verpflichtungen einfacher nachkommen, wenn die Compliance-Abteilung auf digitale Auswertungen zurückgreifen kann. Hinzukommt, dass ein solches System oft das erste IT-System im Unternehmen ist, das Zulieferer, Materialien und die Produktion in einem System zusammenführt. Dieses System lässt sich über die Compliance hinaus auch für weitere Optimierungsprozesse nutzen.

Eine durchgehend digitalisierte und transparente Supply Chain bietet jedoch noch weitere entscheidende Möglichkeiten. Dies gilt insbesondere auch dann, wenn das Unternehmen auf Ressourcen angewiesen ist, die begrenzt sind. Ein Beispiel dafür sind die sogenannten seltenen Erden. Bedingt durch den Elektromobilitätstrend und den Einsatz im High-End-Elektronikbereich ist es wahrscheinlich, dass es in naher Zukunft zu Lieferengpässen von Kupfer, Nickel oder Kobalt kommen wird. Deren Preise haben in den letzten Jahren deutlich angezogen. Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) warnte gar kürzlich vor einer möglichen Rohstoffknappheit und deren dramatischen Folgen für den Standort „Made in Germany“.

Diese ressourcenökonomische Herausforderung macht es nötig, dass die Industrie die raren Rohstoffe konsequent recycelt. Durch das Recyclen erhöht sich die Ressourceneffizienz drastisch. Proportional dazu sinkt der Rohstoffbedarf aus Primärquellen. Das hat zur Folge, dass Wirtschaftswachstum und Rohstoffverbrauch nicht mehr direkt miteinander gekoppelt sind. Gerade was die Verarbeitung seltener Rohstoffe anbelangt, kann durch das Recycling die unter Umständen zukunftsentscheidende Abhängigkeit von Importen drastisch verringert werden. Erste Geschäftsmodelle, die darauf beruhen, gibt es bereits in der Elektronik- und Automobilbranche.

Für die Entwicklung neuer Produkte ist dies ein kritischer Punkt, denn ohne die Sicherheit, dass die benötigten Rohstoffe dauerhaft und in ausreichender Menge verfügbar sind, kann die Industrie Innovationen nicht entwickeln.

Wandel von Linear- zu Kreislaufwirtschaft

Denkt man diesen Ansatz konsequent zu Ende, bedeutet er die Abkehr von der bisherigen Linearwirtschaft hin zu einer Kreislaufwirtschaft. Das heißt, Rohstoffe werden nach ihrem ersten Lebenszyklus nicht wie bisher oft entsorgt, sondern weiter verwertet. Die Grundlage für ein umfassendes Recycling und eine gleichwertige Wiederverwertung ist eine vollkommen transparente Lieferkette, die Aufschluss über die verwendeten Materialien und Stoffe gibt.

Um diese Transparenz zu erreichen, ist der Einsatz technologischer Innovationen wie digitale Zwillinge nötig. Systemische digitale Zwillinge sind Simulationsmodelle, die ein physisches Produkt digital spiegeln; inklusive sämtlicher verwendeter Rohstoffkomponenten und deren Herkunft. Sie aktualisieren sich außerdem in Echtzeit. Das bedeutet, wenn sich das reale Produkt verändert – etwa durch Gebrauch abnutzt – bildet der digitale Zwilling dies unmittelbar digital ab und macht es nachvollziehbar.

Mit den Informationen kann die Rückführung der verwendeten Rohstoffe in den Wirtschaftskreislauf mittels Recycling umfassend und antizipierend geplant werden. Auch lassen sich so Produkte bereits während der Entwicklungsphase vorrausschauend gestalten. Ohne digital erzeugte Transparenz ist der Aufwand nicht zu meistern. Die Einführung der Kreislaufwirtschaft würde für die Industrie einen Paradigmenwechsel bedeuten, der jedoch nötig ist, um die Zukunftsfähigkeit zu sichern.

Datensicherheit und Datenhoheit bleiben erhalten

Transparenz ist dabei nicht gleichbedeutend mit einer völligen Offenlegung der Lieferantenbeziehungen eines Unternehmens. Diese sind oft wohlgehütete Geschäftsgeheimnisse, die für den Unternehmenserfolg wichtig sind und die es zu schützen gilt. Eine Möglichkeit, sie zu wahren und die logistische Kette trotzdem transparent zu gestalten sowie die Transaktionskosten zu minimieren, ist der Einsatz der Blockchain-Technologie. Zum jetzigen Stand ist sie die effektivste Möglichkeit, um verifizierte, kryptografisch abgesicherte Verbindungen zu erhalten. Gleichzeitig bietet ihre dezentrale Struktur die Möglichkeit, Zugriffsrechte so zu verwalten, dass diese eindeutig verteilt werden. Datenhoheit und Datensicherheit sind somit jederzeit gewährleistet.

Der Einsatz der Blockchain-Technologie für Rückverfolgungsprozesse etwa bei Kon- fliktmineralien oder anderen seltenen Rohstoffen ist keine reine Zukunftsmusik. Derartige Projekte zur Transparenz laufen bereits mit großem Erfolg.

Wechsel zur nachhaltigen
Kreislaufwirtschaft bietet enormes Einsparpotenzial

Der Wechsel zur nachhaltigen Kreislaufwirtschaft bietet neben der Reduzierung der Abhängigkeit von Importen für die Industrie und den positiven Auswirkungen auf die Umwelt durch Ressourcenschonung auch ein enormes Einsparungspotenzial. Die EU-Kommission hat in einer Studie ausgerechnet, dass die Kreislaufwirtschaft Kosteneinsparungen von bis zu 600 Milliarden Euro möglich machen würde. Und das nur bis zum Jahr 2030. Gleichzeitig hat die Studie ergeben, dass mit dem Paradigmenwechsel bis zu 580.000 neue Arbeitsplätze in Europa entstehen würden.

Die Kreislaufwirtschaft bietet für die deutsche Industrie eine große Chance. Wird sie mit entsprechender Priorität vorangetrieben und umgesetzt, wird nicht nur der Abbau von Ressourcen nachhaltig zurückgefahren, sie ist auch eine strategische Antwort auf die befürchteten Lieferengpässe von seltenen, dafür aber umso dringender benötigter Rohstoffe. Und damit ein zentraler Punkt in der Sicherung der Zukunftsfähigkeit des Industriestandortes Deutschland.


Compliance leichter managen

Compliance-Beauftragte sehen sich mit einer wachsenden Zahl an Regularien und Gesetzen für Lieferketten konfrontiert. Um den hohen Anforderungen gerecht zu werden, ist es nötig, Daten bezüglich der Supply Chain in einer Datenbank zentral abrufbar zu machen. Dies erleichtert das Handling, spart Ressourcen und ist die Basis für eine Kreislaufwirtschaft und neue Geschäftsmodelle.

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