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Treibhausgas-Emissionen: Voller Fokus auf die Lieferkette

Treibhausgas-Emissionen
Voller Fokus auf die Lieferkette

In einer Zeit, in der Klimaneutralität und Nachhaltigkeit eine immer bedeutendere Rolle spielen, stehen Unternehmen vor der Herausforderung, ihre Treibhausgas-Emissionen zu erfassen. Ein kostenloses Web-Tool hilft bei der Ermittlung der Emissionen aus der Lieferkette.

» Dr. Christian Kühne, Geschäftsführer des Thinktank Industrielle Ressourcenstrategien

Um Scope-1– und –2-Emissionen zu bilanzieren, stehen Unternehmen in der Regel ausreichend Informationen zur Verfügung. Komplexer verhält es sich mit Scope 3, also der Lieferkette. In einer einzigen Maschine können Vorprodukte von mehreren Kontinenten verbaut sein. Woher deren Einzelteile wiederum stammen, lässt sich angesichts der globalen Handelsverflechtungen kaum nachvollziehen. Mit Inkrafttreten des Lieferkettengesetzes Anfang 2023 kommen zudem strenge Sorgfalts- und Haftungsregeln auf Unternehmen ab 3000 Mitarbeitern zu. Sie sind in der Pflicht, sich mit Arbeitsbedingungen und Produktionsverfahren ihrer Zulieferer auseinanderzusetzen und Verantwortung dafür zu übernehmen.

Es sind also Antworten auf Fragen zu finden, wie beispielsweise, ob Emissionen vornehmlich durch bestimmte Stoffe oder vermehrt durch die Zulieferung aus bestimmten Herkunftsländern verursacht werden. Hilfestellung kann der scope3analyzer leisten, ein Programm, das im Rahmen eines Projekts des Thinktank Industrielle Ressourcenstrategien von der Hochschule Pforzheim und der Systain Consulting GmbH entwickelt wurde. Es ermöglicht Unternehmen, den Treibhausgasausstoß ihrer Lieferketten einfach und berichtstauglich zu ermitteln. Da das Projekt vom Land Baden-Württemberg und vom Umweltministerium des Landes gefördert wurde, ist die Nutzung kostenlos.

Vorhandene Daten verwenden

Besonders für Unternehmen mit einer umfangreichen Lieferkette stellt das Programm eine geeignete Methode dar, ihre Scope-3-Emissionen mit vergleichsweise geringem Aufwand verlässlich abzuschätzen. Da das Tool bestimmte Gütergruppen zusammenfasst, sind Ermittlung und Eingabe der erforderlichen Zahlen einfach – ohne, dass die Aussagekraft darunter leidet: Es werden lediglich die Einkaufsdaten aus dem Wareneinkaufssystem benötigt, unter anderem Einkaufsvolumina unterschieden nach Warengruppen und Herkunftsländern. Der Anwender erhält unmittelbar die Ergebnisse und kann sie lokal abspeichern. Eine Speicherung im System erfolgt nicht, was gewährleistet, dass Nutzer anonym bleiben und die Sicherheit ihrer Daten gewahrt ist. Die Auswertungen lassen sich zwar nicht auf einzelne Produkte herunterbrechen, aber auf Standorte, Unternehmen oder Unternehmensbereiche. Deshalb gilt: Je mehr Lieferanten und Produkte ein Unternehmen hat, desto mehr profitiert es von diesem Tool. Produktionsbetriebe mit einer überschaubaren Lieferkette können die entsprechenden Emissionsdaten hingegen erheben, indem sie ihre Lieferanten direkt befragen.

Das Institut für Industrial Ecology (INEC) der Hochschule Pforzheim, das den scope3analyzer mitentwickelt hat, steuert ein zwar fiktives, aber realistisches Beispiel bei, das die Ergebnisse des Tools veranschaulicht. Die vorliegenden Daten stellen einen Mittelständler aus der Maschinenbau-Branche dar: einen Produzenten von Heizungs- und Wasserrohr-Systemen mit 200 Mitarbeitern und einem Umsatz von 43 Mio. EUR (2021), dessen wichtigste eingekaufte Materialien Aluminium, Kupfer und Stahl sind. Die Auswertung der Einkaufsdaten mit dem scope3analyzer zeigt, dass mit 9.790 t CO2 knapp 94 % der CO2-Gesamtemissionen auf den Scope 3 entfallen – und hier insbesondere auf den Einkauf von Stahl („Roheisen / Stahl, Ferrolegierungen und erste Produkte daraus“).

Die Verteilung der Emissionen nach Produktgruppen kann dem Unternehmen als Entscheidungshilfe für etwaige Veränderungen dienen. Jedoch muss abgewogen werden, wo Einsparungen oder Umstellungen überhaupt realisierbar sind. Dass das Beispiel-Unternehmen das einzukaufende Material nicht austauschen kann, liegt auf der Hand – der Stahleinkauf bietet zwar das größte Effizienzpotenzial, bleibt für den Produktionsbetrieb jedoch die elementare Komponente seines Tagesgeschäfts. Wie kann das Unternehmen dennoch Anpassungen vornehmen, um dem Ziel der Nachhaltigkeit näherzukommen? Ein Blick auf den CO2-Fußabdruck der Herkunftsländer der Zulieferer könnte sich lohnen und die Einschätzung erlauben, ob eventuell Hersteller in anderen Ländern mit moderneren und nachhaltigeren Technologien arbeiten.

Web-Tool hilft, Strategien abzuleiten

Insbesondere für Unternehmen mit vielen Vorprodukten und einer umfangreichen Lieferkette kann der scope3analyzer von Nutzen sein. Dessen Ergebnisse erlauben valide Aussagen zu Scope-3-Emissionen und ermöglichen die Ableitung von Strategien und Maßnahmen fürs Lieferketten-Management. Zudem ist es empfehlenswert, das Tool in der Lieferkette weiterzureichen. Verwenden die Lieferanten es ebenfalls, quasi rekursiv, verbessert sich die Ermittlung der Emissionen immer weiter, da sich Informationen über die Scope-1– und –2-Emissionen von Stufe zu Stufe verdichten. Somit schärft sich auch die Berichtstauglichkeit der Daten (etwa für Nachhaltigkeitsberichte) mit jeder weiteren Nutzung.

Wenn es darum geht, nationale Klimaziele zu erreichen, müssen sich Unternehmen in erster Linie um Scope 1 und 2 kümmern. Unternehmen aus dem produzierenden Gewerbe sollte jedoch angesichts des hohen Anteils von 70 % und mehr an der CO2-Gesamtbilanz klar sein, dass Verbesserungen im Scope 3 auf globaler Ebene viel mehr dazu beitragen, das Klima zu schützen. Der scope3analyzer gibt eine Hilfestellung, um diesen Überblick im eigenen Unternehmen zu erhalten.

Kontakt: 

Thinktank Industrielle Ressourcenstrategien

angesiedelt am Karlsruher Institut für Technologie (KIT)
c/o UBW – Unternehmer Baden-Württemberg e.V.
Türlenstrasse 2
70191 Stuttgart

http://www.thinktank-irs.de/

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