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Weniger ist mehr

Energieeffizienz: Handlingantriebe bieten Potenzial
Weniger ist mehr

Ob elektrische Antriebe Montageaufgaben effizienter erledigen als pneumatische, lässt sich pauschal nicht beantworten. Trotzdem lohnt sich der Blick auf die Energieeffizienz – beide Technologien bieten genügend Potenzial, um die Energiekosten bereits jetzt zu senken.

Steigende Energiepreise werfen auch im Bereich der Montage- und Handhabungstechnik die Frage nach der Energieeffizienz auf. Und da pneumatische und elektrische Antriebe hier die Hauptarbeit leisten, ist es natürlich interessant, abhängig von der Antriebsart nach der Energieeffizienz zu fragen.

Bei einer Umfrage des Industrieanzeigers kristallisierte sich aber schnell eine Erkenntnis heraus: eine pauschale Beantwortung dieser Frage ist weder möglich noch sinnvoll. Zu verschieden sind die Anforderungen hinsichtlich Taktzeiten, Stückzahlen, Robustheit, Lebensdauer oder Energiedichte – um nur ein paar Parameter zu nennen. Eine häufig zu hörende Aussage ist deshalb, dass es vorrangig darum gehe, die konkrete Aufgabe technisch zu lösen und dass die Zeit fehle, die Frage nach der besten Lösung bezüglich des Energieverbrauchs zu beantworten.
Zeit ist sicherlich in vielen Projekten Mangelware. Doch die Frage des Energieverbrauchs deswegen unbeachtet zu lassen, kann ein Fehler sein, wenn man sich die Lösungen der drei Anbieter anschaut, die hier beispielhaft zu Wort kommen. Einige technische Aspekte können dabei sehr weit in andere Bereiche hineinreichen, wie etwa das Gebäudemanagement. So bei der Wärmerückgewinnung, wie das folgende Beispiel zeigt. „Bei elektrischen Antrieben entsteht Wärme dezentral am Einsatzort, in der Pneumatik zentral beim Kompressor“, berichtet Michael Ohmer, Leiter Forschung Mechatronik bei der Esslinger Festo AG & Co. KG. Die Abwärme des Kompressors könne man – im Gegensatz zur Elektrik – zurückgewinnen und für Heizzwecke verwenden. Bei einem Kostenvergleich sei dieser Punkt zu berücksichtigen. „Zudem ist beim dezentralen Wärmeanfall der elektrischen Antriebe gegebenenfalls ein höherer gerätetechnischer sowie energetischer Aufwand erforderlich, um die Wärme abzuführen.“ Nur wer die Bilanzhülle entsprechend um das Gesamtsystem legt, wird also zu einer fairen Betrachtung des Aufwands kommen. Und weil die Anlagenkosten ebenfalls berücksichtigt werden müssen, geht es schnell um mehr als nur die energetische Sicht.
Wer also die Kosten der Drucklufterzeugung vernachlässigt, weil sie „sowieso vorhanden ist“ – so eine ebenfalls häufig zu hörende Aussage –, macht ebenso einen Fehler, als wenn er andererseits Nebeneffekte wie den der möglichen Hallenheizung über die Kompressorabwärme außer Acht lässt. Zudem gibt es Aufgabenstellungen, die zwingend einen oder beide Energieträger voraussetzen, Druckluft und Strom. „Das berührungslose Handling oder Vakuumgreifer erfordern pneumatische Aktoren und damit die Infrastruktur der Druckluftversorgung“, erläutert Dr. Karl Tragl, Vorstand Vertrieb bei der Bosch Rexroth AG in Lohr/M. „Darüber hinaus bietet die Pneumatik beim Klemmen und Spannen von Werkstücken energetische Vorteile: Sie hält Kräfte einfach über ein geschlossenes Ventil ohne weitere Energiezufuhr.“ Ein elektrischer Antrieb nimmt dagegen auch beim Halten Energie auf und wandelt sie in nicht wiederverwendbare Wärme um.
Nur im konkreten Einzelfall macht also eine vergleichende Betrachtung des Energieverbrauchs Sinn. Vorausgesetzt, dass sich sowohl Pneumatik als auch Elektrik für die Aufgabe eignen und die Bilanzhülle das Gesamtsystem umfasst. „Bei unseren Rundtaktautomaten kann das pneumatische Handling durchaus sieben bis elf Mal teurer sein als etwa ein mechanisch gesteuertes Handling, das wiederum von einem Elektromotor angetrieben wird“, betont Markus Pfuderer von der Ludwigsburger Pfuderer GmbH. „Mit der Anzahl der Bewegungen und damit der Stückzahl, zunehmender Masse und größeren Hüben steigt dieser Faktor.“ Im Vordergrund stehe aber immer zunächst die Frage, wie sich eine bestimmte Aufgabe optimal lösen lasse, gibt Festo-Spezialist Michael Ohmer zu bedenken. Neben dem Energieverbrauch müssten auch Aspekte wie Präzision, Taktzeit, Kosten, Robustheit oder Energiedichte (Platzbedarf) und viele weitere beachtet werden. Keine Antriebstechnologie erfülle alle Anforderungen in gleich guter Weise. „Die korrekte Frage lautet dann nicht, welche Technologie die energetisch günstigste ist, sondern wie sich die optimale Technologie energetisch effizient einsetzen lässt.“ Hier könnten sowohl pneumatische als auch elektrische Antriebe einen wichtigen Beitrag leisten. „Gerade in Handlingeinrichtungen ergänzen sich beide in der Praxis ideal.“
Mit innovativen Serien-Komponenten könne der Anwender bereits heute die Energieeffizienz deutlich erhöhen, betont Bosch-Rexroth-Vorstand Dr. Karl Tragl. „Elektropneumatische Druckregelventile unserer ED-Serie schöpfen etwa die Vorteile der dezentralen Regelung am Aktor aus und machen die Pneumatik effizienter: Statt wie bisher Bewegungen über den gesamten Weg mit voller Kraft auszuführen, drosseln die Ventile die Energiezufuhr bedarfsgerecht, beispielsweise beim Zurückziehen eines Zylinders.“ Dazu würde die Bewegung in verschiedene Phasen aufgeteilt und die Energiezufuhr über hinterlegte Druckprofile angepasst. „Diese Ventile lassen sich auch nachrüsten und zahlen sich durch die höhere Energieeffizienz schnell aus.“
Dr. Axel-Andreas Gomeringer, Projekt Manager Programmstrategie bei Festo, verweist hinsichtlich der Pneumatik auf den hauseigenen Produktbaukasten. „Lässt eine Ventilinsel verschiedene Installationskonzepte zu und kann sie mehrere Ventilgrößen integrieren, lässt sich für jeden Pneumatikzylinder die unter energetischen Gesichtspunkten optimale Ventilgröße und vorteilhafte Nähe zur Applikation sicherstellen.“ Des Weiteren könne – wie bei elektrischen Antrieben auch – per Umkehrbetrieb Energie zurückgewonnen werden, ergänzt sein Kollege Michael Ohmer. „Dabei arbeitet der Zylinder als Kompressor, was die Effizienz bei geringen Mehrkosten erheblich steigert.“
Analog zu den pneumatischen Komponenten könnten auch Anwender elektrisch angetriebener Handlingsysteme die Energieproduktivität erhöhen, berichtet Dr. Karl Tragl von Bosch Rexroth. „Intelligente Antriebsregelungen, rückspeisefähige Versorgungsmodule und effiziente Synchronmotoren verbessern nachhaltig die Energieeffizienz von Maschinen und Anlagen.“ So erleichtere etwa der modulare Aufbau der Indradrive-Antriebsfamilie mit den Frequenzumrichtern der Baureihe Indradrive Fc den Austausch von pendelnder Prozessenergie im Antriebsverbund. „Dabei nutzen die Motoren Bremsenergie durch den Wechsel in den Generatorbetrieb“, so Tragl weiter. „Ein Energieüberschuss an einer Stelle wird nicht in nutzlose Wärme umgewandelt, sondern entweder in das Netz zurückgespeist oder in einem Zwischenspeicher gepuffert.“ Rexroth stelle dazu in der gesamten Leistungspalette netzfreundliche Versorgungsgeräte bereit. Zusatz-Kapazitätsmodule übernähmen die Zwischenspeicherung der zurückgewonnenen Energie in einen gemeinsamen Gleichspannungs-Zwischenkreis, an den alle Regelgeräte angeschlossen seien.
Festo-Mitarbeiter Dr. Axel-Andreas Gomeringer sieht vor allem in der intelligenten Konzeption des Gesamtssystems den wesentlichen Baustein, um die Energieeffizienz elektrischer Antriebe in Handlingeinrichtungen zu steigern. „Mit unserer Auslegungssoftware Positioning Drives lassen sich Fehlauslegungen und Energieverschwendung durch die richtige Auswahl der Komponenten verhindern.“ Denn durch das getrennte Auslegen von Antriebsmechanik, Getriebe und Motor würden sich die Sicherheitsfaktoren potenzieren – mit der Folge, dass die elektrischen Antriebssysteme überdimensioniert seien. „Das führt zu verschwendeter Primärenergie“, so Gomeringer abschließend. Der Anwender könne dies mit Positioning Drives vermeiden und den Energieverbrauch um bis zu 70 % senken. Dies zeigt, dass der Frage der Energieeffizienz auch bei Handlingeinrichtungen mehr Bedeutung zukommen sollte. Denn bei steigenden Energiepreisen kann dies der entscheidende Hebel sein, die Betriebskosten zu senken. Ob pneumatische oder elektrische Antriebskomponenten besser geeignet sind, hängt aber in erster Linie von den jeweiligen Anforderungen ab.
Michael Corban Fachjournalist in Nufringen
Ohne Druckluft kein berührungsloses Handling
Pneumatik: Potenzial fürs Energiesparen per Nachrüsten

kosteneffizienz
Die Entscheidung für den Einsatz pneumatischer oder elektrischer Antriebe hängt in erster Linie von der Machbarkeit der geplanten Handlingeinrichtung ab. Doch auch die Energieeffizienz sollte eine Rolle spielen. Beide Technologien bieten hierzu bereits serienreife Komponenten an. Der für die Planung erforderliche Zeitaufwand mag schmerzen, rechnet sich aber besonders bei hohen Stückzahlen schnell.

Augen auf, Kosten runter

Rund zwei Drittel des gesamten Energieeinsparpotenzials der Industrie sollen auf Nebenprozesse entfallen, so der Tenor der Sonderschau „Energie-Effizienz in industriellen Prozessen“ auf der Hannover Messe. Je nach Anwendung seien hier Einsparungen zwischen 20 und 40 % möglich.
Einer dieser Nebenprozesse, die den Hauptprozess unterstützen, aber energietechnisch eigene Systeme darstellen, ist die Drucklufterzeugung. Druckluft ist in vielen Unternehmen „einfach da“, die Kompressorstation und ihre Energiebilanz deswegen oft nicht im Anwender-Fokus. Zu Unrecht, kann doch allein der Einsatz der Drehzahlregelung den Energieverbrauch erheblich senken. Dabei erzeugt der Verdichter nur genau die Menge Druckluft, die auch wirklich benötigt wird.
Die Kompressorenhersteller sprechen je nach Anwendung sogar von bis zu 50 % weniger Strom, die sich mit einem durchdachten Druckluftkonzept und drehzahlgeregelten Verdichtern erreichen lassen.
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