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Zwischen Stundensatz und Flatrate

Service-Produkte im Maschinenbau kundengerecht entwickeln
Zwischen Stundensatz und Flatrate

Zwischen Stundensatz und Betreibermodell – was sollte ein Maschinenbauer tun, um das Packaging der Dienstleistung kundengerecht zu entwickeln? Dr. Rainer Vanck, Geschäftsführer der Bobst Group Deutschland GmbH, antwortet darauf.

Die in Lausanne beheimatete Bobst Group ist Hersteller von Verpackungsmaschinen, die weltweit vertrieben werden. Wer jetzt gerade seine Zigarettenschachtel in der Hand hält und dann nach Gummibärchen greift, hat gute Chancen, dass die Verpackungen durch die Anlagen des Schweizer Unternehmens gelaufen sind. Stanzen, Falten/Kleben, Inline-Verarbeiten und Drucken, das sind die vier Hauptproduktgruppen, die weiter untergliedert sind. Auch wenn diese Gruppe von Maschinen nicht zu den Werkzeugmaschinen gehört, so ist sie, wenn es um das Thema Service geht, dennoch sehr interessant. Denn die Verpackungshersteller arbeiten im wahrsten Sinne des Wortes immer hochtourig. Man braucht sich nur vorzustellen, wieviele Tonnen Süssigkeiten pro Schicht und Band eingetütet werden müssen. Und was es heißt, wenn Service benötigt wird.

Dieser ist bei dem Traditionsunternehmen deswegen so interessant, weil in Deutschland rund 1500 Maschinen im Einsatz sind, 65 Mitarbeiter im Service arbeiten und die gemittelte Wegstrecke bei einem Einsatz rund 250 km beträgt. Was die Komplexität des Service fördert ist, dass die Hälfte der hiesigen Maschinen über zwölf Jahre alt sind, aber auch, dass eine Stückliste von 400 000 Stücknummern für sämtliche weltweit installierten Anlagen gepflegt wird. Sie umfasst logischerweise alles vom Kleinteil bis zur Walze, die stets so schnell wie möglich vor Ort installiert sein müssen, was eine Frage zügiger Logistikprozesse und auch des zielgerichteten Personaleinsatzes ist.
Für einen Hersteller stellt sich immer wieder die Frage, was für ihn selbst und den Kunden gleichermaßen das Beste ist: das Stundensatz- oder das Betreibermodell?
Laut Dr. Rainer Vanck, Geschäftsführer von Bobst Deutschland, ist der Stundensatz so definiert, dass er „die Berechnung des Wartungsaufwandes auf Basis der erbrachten Leistung“ ist. Auf der anderen Seite ist das Betreibermodell „charakterisiert durch das Investitionsvolumen und den Wartungsaufwand als Funktion einer Produktionskenngröße“. Vanck verdeutlicht das übertragbare Prinzip an einem Bürokopierer, den man entweder kaufen oder betreiben kann. „Was sie wollen, das ist eigentlich Cent pro Seite. Es ist egal, wie groß das System ist, wie es heißt und wie es läuft – Hauptsache, es läuft!“. Im Gegensatz hierzu kommt dem Maschinenführer einer Verpackungsanlage Bedeutung zu, weil er durch seine Arbeit direkt die Kosten beeinflusst, indem er die Maschine zu langsam oder zu schnell laufen lässt, sie besser oder schlechter wartet und putzt.
Alles Dinge, die ein Hersteller, der ein Betreibermodell anbieten will, bedenken muss. Denn direkt sind im Wesentlichen die Ersatzteilverfügbarkeit, die Servicereaktionszeit und die Maschinentechnik vom Hersteller steuerbar. Nicht aber die Dinge, die der Kunde selbst veranlasst, was es schwer macht, das Modell umzusetzen. Beispielweise Stanzwerkzeuge, die der Kunde in Eigenregie kauft und einsetzt.
Ein Betreibermodell, bei dem der Hersteller als Systemlieferant fungiert, die Maschine installiert, betreibt und finanziert, ist für den Kunden sicherlich das stressfreieste Modell. Für den Hersteller heißt das aber, finanziell in Vorlage treten zu müssen, um letztendlich eine Anlage schlüsselfertig in die Hallen zu stellen. Bei Summen von 6, 7 oder 8 Mio. Euro schlägt das im wahrsten Sinne des Wortes zu Buche, sprich in der Kostenrechnung und der Bilanz, was wiederum für die Aktionäre von Bedeutung ist.
Vanck: „Beim Betreibermodell kommt es extem darauf an, dass die Maschinen natürlich auch vernünftig gewartet werden können.“ Das heißt, die Konstruktion muss so gestaltet sein, dass die Nebenzeiten minimiert werden, das Thema „serviceability“. Man bewegt sich also im Unternehmen dazwischen, was heißt, sowohl Stundenmodelle als auch Tests für Betreibermodelle anzubieten. Bei Neumaschinen ist nach seinen Ausführungen neben dem Wettbewerbsdruck auch darauf zu achten, dass Verkäufer in Sachen Service im Dienstleistungsverkauf gut ausgebildet sind. Aber auch das so genannte „obsolescence risk“ gilt es bei den Modellen zu bedenken. „Während bei einer 30 Jahren alten Maschine innerhalb von zwei oder drei Tagen ein mechanisches Teil nachgebaut und geliefert werden kann, sieht das bei modernen Maschinen anders aus“, betont Vanck. Denn die Antriebshersteller arbeiten mit Produktzyklen von 18 Monaten, vergleichbar auch die Software. So passt bei einer drei Jahre alten Maschine der neue Antrieb nicht mehr oder die Software hakt, weil bereits die übernächste Antriebstechnik-Generation in den Startlöchern wartet. Diese Rand- und Rahmenbedingungen müssen logischerweise zuverlässig in den Service-Modellen abgebildet werden. Ein weiterer, nicht unerheblicher Kostenfaktor ist die Hotline, die mit rund 1 Mio. Euro pro Jahr zu Buche schlägt, weil Kunden im Maschinenbau gewohnt sind, nichts für diese Dienstleistung zu bezahlen. Anders als beispielsweise bei der Software-Branche. Hier sieht Vanck einen Handlungsbedarf, sich mit der Bepreisung von Hotline-Dienstleistungen auseinanderzusetzen.
Für ihn ist der Weg vom Stundensatz- zum Betreibermodell ein Weg in mehreren Stufen, die dadurch charakterisiert sind, Tagessätze, Pauschalen, Garantieverlängerungen oder All-inclusive-Pakte zu entwickeln, anzubieten und letztlich dem Kunden zu verkaufen.
Beim Thema vertraglich fixierter Verfügbarkeit einer Anlage weist Vanck auf die Schwierigkeit der Zuordnung des Verursachers bei unproduktiven Zeiten hin. Er empfiehlt, den Ansatz zu prüfen, etwa von der technisch bedingten Stillstandszeit geplante Inspektions- und Reparaturzeiten abzuziehen, womit man eine Aussage der Verfügbarkeit hat. Aber auch hier tritt das Dilemma zu Tage, dass ein zu enges zeitlich angedachtes Intervall für Inspektion und Reparatur vom Kunden als Beeinträchtigung des Betriebes empfunden werden kann. Weiter gedacht, führt das wiederum zu Konstruktionen mit besserer „serviceability“, sprich Inspektion und Wartung einfach und schnell zu konstruieren.
Im Zeichen der Telekommunikationsbranche, die die Welt mit Flatrates beglückt, können bei Kunden ähnliche Begehrlichkeiten entstehen, nämlich ihre Anlagen mit einer Pauschalbepreisung betreiben zu wollen. Was für den Kunden im Sinne von Total Cost of Ownership und Transparenz ideal ist. Aber auch im Sinne des „All-in-Verhaltens“ können die Modelle Folgen haben. Denn wenn ein großer Auftrag von Montag bis Donnerstag eingeplant ist, die Maschine am Montagmorgen quietscht, der Betreiber weiß, dass der Hersteller im Rahmen des Pakets alles zahlt, so führt das zu einem anderen Verhalten, als wenn eine Eigenbeteiligung zu bedenken ist. Da jeder Kunde anders ist, ist auch klar, eine „one size fits all-Lösung“ kann es nicht geben.
Die Anpassung des Geschäftsmodells ist kein Projekt, sondern bleibt stets ein Prozess.
Herbert J. Joka Freier Journalist in Aachen
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