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Grüner Wasserstoff in der Industrie

Grundlagen zu grünem Wasserstoff
Grüner Wasserstoff in der Industrie

Grüner Wasserstoff in der Industrie
Grüner Wasserstoff ist ein vielversprechender Baustein für die Umgestaltung der Industrie. Bild: cykybe/stock.adobe.com

Grüner Wasserstoff gilt als zentraler Schlüssel im Kampf gegen die fortschreitende Klimakatastrophe und für den Übergang zu einer klimaneutralen Industrie. Mit sauberem Wasserstoff als Energieträger können Prozesse CO2-neutral oder zumindest CO2-arm gestaltet werden, die nur schwer oder gar nicht auf nachhaltige, erneuerbare Energiequellen umgestellt werden können.

» Hagen Wagner, Redakteur Industrieanzeiger

Inhalt:

1. Was ist Wasserstoff?
2. Wasserstoffarten und ihre Farben
3. Herstellung: Wie funktioniert die Elektrolyse?
4. Anwendungen von grünem Wasserstoff in der Industrie
5. Herausforderungen und Hindernisse

Was ist Wasserstoff?

Wasserstoff steht an erster Stelle des Periodensystems und ist das einfachste und häufigste Element im Universum: Der Anteil von Wasserstoff von allen Elementen „da draußen“ beträgt 90 %. Oder konkreter: Von 1000 Atomen sind 900 Wasserstoffatome. Das Element Nummer eins tritt in chemischen Verbindungen wie Wasser, Säuren und Kohlenwasserstoffen auf. In reiner Form kommt Wasserstoff in der Natur nicht vor. Die Abspaltung von Wasserstoff aus Molekülen erfordert Primärenergie und wird daher als Sekundärenergie bezeichnet.

Als Energieträger bietet er die Möglichkeit, Energie zu speichern und zu transportieren. Wasserstoff wird hauptsächlich durch die Elektrolyse von Wasser gewonnen. Bei der Elektrolyse wird Wasser mit Hilfe von elektrischem Strom in Wasserstoff und Sauerstoff aufgespalten. Dieser Prozess kann entweder mit fossilen Brennstoffen oder, im Falle von grünem Wasserstoff, mit erneuerbaren Energiequellen wie Sonnen- oder Windenergie durchgeführt werden. Der Energiegehalt eines Kilogramms Wasserstoff beträgt ca. 33 kWh (Benzin ca. 8,5 kWh pro Liter).

Wasserstoffarten und ihre Farben

Wasserstoff ist ein geruchloses, geschmackloses und eigentlich auch farbloses Gas. Um jedoch die Unterschiede in der Herstellung und den Einfluss auf die Umwelt zu kennzeichnen, wird er mit Hilfe einer Farbpalette klassifiziert. Diese Einteilung ist keine offizielle Definition, sondern dient lediglich der Veranschaulichung der Umweltaspekte von Wasserstoff. Die Einteilung nach potentiellen Anwendungsgebieten erfolgt nach anderen Kriterien wie beispielsweise der Reinheit.

  • Grüner Wasserstoff: wird durch Elektrolyse unter ausschließlicher Verwendung erneuerbarer Energien hergestellt, erzeugt keine CO2-Emissionen und gilt als die sauberste Form von Wasserstoff.
  • Blauer Wasserstoff: wird aus fossilen Brennstoffen hergestellt, wobei das dabei entstehende CO2 aufgefangen und unterirdisch gespeichert wird und nicht in die Atmosphäre gelangt. Dadurch entstehen zwar keine CO2-Emissionen, aber die Speicherung (Carbon Capture and Storage) ist sehr energieintensiv und umstritten, da die Sicherheit der Endlager nicht nachgewiesen ist. Ein weiteres Problem des blauen Wasserstoffs sind flüchtige Methanverluste bei der Herstellung. Methan ist ein Gas mit einem 86-mal höheren Treibhauseffekt als CO2, weshalb diese Art von Wasserstoff noch einmal 20 % schädlicher ist als brauner und schwarzer Wasserstoff.
  • Grauer Wasserstoff: wird durch Dampfreformierung aus fossilen Brennstoffen wie Kohle und Gas hergestellt. Als Nebenprodukt entsteht Kohlendioxid (CO2). Dies ist die am weitesten verbreitete Art der Wasserstofferzeugung und gleichzeitig die umweltbelastendste. Auch hier besteht die Methanproblematik wie bei der Herstellung von blauem Wasserstoff.
  • Brauner Wasserstoff: wird durch Dampfreformierung mit Braunkohle als Energieträger hergestellt. Gehört wie alle aus fossilen Energieträgern hergestellten Wasserstoffsorten zu den schmutzigen, d.h. nicht klimaneutralen Wasserstoffsorten.
  • Schwarzer Wasserstoff: entsteht durch Dampfreformierung mit Steinkohle als Energieträger.
  • Türkiser Wasserstoff: die Herstellung erfolgt durch Methanpyrolyse. Dabei wird das im Erdgas enthaltene Methan in Wasserstoff und festen Kohlenstoff aufgespalten, der allerdings auch endgelagert werden muss. Die für die Methanpyrolyse benötigte Energie muss aus nachhaltigen Quellen stammen, jedoch werden für diesen Wasserstoff fossile Energieträger benötigt, weshalb er ebenfalls nicht zukunftsfähig ist.
  • Pinker, roter, violetter Wasserstoff: mit diesen drei Farben wird Wasserstoff aus einer Elektrolyse bezeichnet, die mittels elektrischer Energie aus Atomkraft betrieben wird. Gilt als weitgehend klimaneutral, aber es fallen radioaktive Abfälle an.
  • Gelber Wasserstoff: die Produktion erfolgt ebenfalls durch Elektrolyse, die dafür benötigte Energie stammt aus dem Stromnetz. Gilt nicht als klimaneutral, wenn im Strommix, Strom basierend auf fossilen Energieträgern enthalten ist. Bei Kernenergie besteht natürlich auch hier das Abfall- bzw. Endlagerproblem.
  • Weißer Wasserstoff: fällt als Nebenprodukt bei chemischen Prozessen an, gilt daher als zukunftsfähig, ist aber derzeit nur in geringen Mengen nutzbar.
  • Oranger Wasserstoff: Wasserstoff, der natürlich in der Erdkruste vorkommt. Oranger Wasserstoff existiert derzeit hauptsächlich auf dem Papier, seine Gewinnung könnte über umstrittene Fracking-Verfahren erfolgen, die einen massiven Eingriff in die Umwelt darstellen.

Herstellung: Wie funktioniert die Elektrolyse?

Das Verfahren zur Herstellung von grünem Wasserstoff heißt, wie bereits erwähnt, Elektrolyse. Wasser (H2O) wird hierbei mit Hilfe von Elektrizität in seine Bestandteile Wasserstoff (H2) und Sauerstoff (O2) aufgespalten. Es gibt zwei gängige Verfahren: die alkalische Elektrolyse und die PEM-Elektrolyse (PEM = Proton Exchange Membrane oder Protonen-Austausch-Membrane).

  • Alkalische Elektrolyse: Die alkalische Elektrolyse erfolgt in einer Elektrolysezelle, die aus einer Anode (positiver Pol) und einer Kathode (negativer Pol) besteht. Diese befinden sich in einer wässrigen Lösung eingetaucht, typischerweise Kalilauge (Kaliumhydroxid, KOH) oder Natronlauge (Natriumhydroxid, NaOH). Durch die Zelle wird eine elektrische Spannung geleitet, die das Wasser in Wasserstoff (an der Anode) und Sauerstoff (an der Kathode) spaltet. Dieser Prozess kann mit kostengünstigen Materialien durchgeführt werden, was zu einer robusten und weit verbreiteten Methode zur Wasserstofferzeugung führt, erfordert jedoch hohe Betriebstemperaturen und ist weniger effizient als die PEM-Elektrolyse.
  • PEM-Elektrolyse: Bei der PEM (Proton Exchange Membrane)-Elektrolyse wird Wasser ebenfalls elektrochemisch gespalten, jedoch unter Verwendung einer Protonenaustauschmembran als Elektrolyt. Diese Membran ermöglicht den Transport von Protonen, verhindert jedoch den Durchtritt von Gasen wie Sauerstoff und Wasserstoff. Die PEM-Elektrolyse benötigt weniger Energie, ist also effizienter, und hat eine schnellere Reaktionszeit im Vergleich zur alkalischen Elektrolyse, was sie besonders für Anwendungen in Bereichen wie der Mobilität oder der dezentralen Energieerzeugung attraktiv macht.

Anwendungen von grünem Wasserstoff in der Industrie

Grüner Wasserstoff hat sich als zentrales Element in der Debatte um erneuerbare Energien und die Umstellung auf nachhaltige Energiequellen etabliert und gilt als vielversprechender Kandidat, um die industrielle Landschaft zu revolutionieren und den Weg in eine kohlenstoffarme Zukunft zu ebnen.

  • Chemische Industrie: Wasserstoff ist ein wichtiger Ausgangsstoff für die Herstellung von Ammoniak, Methanol und anderen chemischen Produkten. Grüner Wasserstoff verringert die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen und reduziert die Kohlenstoffemissionen in der chemischen Produktion erheblich.
  • Energie: Wasserstoff kann als Energiespeicher dienen, um erneuerbare Energiequellen zu stabilisieren und eine kontinuierliche Energieversorgung zu gewährleisten. Brennstoffzellen, die Wasserstoff nutzen, können zur Stromerzeugung in verschiedenen Industrien eingesetzt werden.
  • Stahlproduktion: Der Einsatz von Wasserstoff als Reduktionsmittel anstelle von Kohle in der Stahlproduktion kann dazu beitragen, den CO2-Ausstoß deutlich zu reduzieren und die Stahlindustrie nachhaltiger zu gestalten.
  • Mobilität: Brennstoffzellen-Fahrzeuge, die Wasserstoff als Kraftstoff nutzen, könnten eine emissionsfreie Alternative zu herkömmlichen Fahrzeugen darstellen und so die Umweltbelastung durch den Verkehrssektor verringern. Wasserstoff soll in diesem Sektor überall dort zum Einsatz kommen, wo der Einsatz von Elektroantrieben nicht sinnvoll oder möglich ist.

Herausforderungen und Hindernisse

Der Wandel zu einer klimaneutralen Industrie ist für die Abschwächung der Klimakatastrophe wie eingangs erwähnt von zentraler Bedeutung. Die Herstellung des dafür benötigten grünen Wasserstoffs ist derzeit jedoch noch teurer als die konventionelle Herstellung aus fossilen Brennstoffen. Die Senkung der Produktionskosten ist eine große Herausforderung für die breite Akzeptanz von grünem Wasserstoff.

Die für die Verbreitung von grünem Wasserstoff erforderliche Infrastruktur, existiert noch nicht. Es besteht Bedarf an einem umfangreichen Netzwerk von Wasserstoffproduktions-, Speicher- und Transportinfrastrukturen, um grünen Wasserstoff in großem Maßstab effizient zu nutzen. Außerdem sind noch Fortschritte in der Elektrolysetechnologie und anderen Verfahren notwendig, um die Effizienz der grünen Wasserstoffproduktion zu steigern und die Wirtschaftlichkeit zu verbessern.

Das Fraunhofer-Institut für System und Innovationsforschung ISI ist in einer im August 2023 veröffentlichten Studie der Frage nachgegangen, wie viel grünen Wasserstoff die europäische Industrie im Jahr 2050 benötigt. Obwohl es möglich ist, die Treibhausgasemissionen in Europa bis 2050 um mindestens 95 % zu reduzieren, muss bis dahin noch viel getan werden. Die Studie zeigt, dass die europäische Industrie selbst bei einer weitgehenden Elektrifizierung der Prozesswärme erhebliche Mengen an grünem Wasserstoff und die erwähnte Transportinfrastruktur benötigen wird.

Weltweit arbeiten Regierungen, Industrie und Forschungseinrichtungen daran, die Produktion und Nutzung von grünem Wasserstoff zu skalieren, um den Übergang zu einer kohlenstoffarmen Zukunft zu beschleunigen. Die Einführung von grünem Wasserstoff erfordert einen ganzheitlichen Ansatz und weltweite Zusammenarbeit. Investitionen in Forschung, Infrastruktur und politische Rahmenbedingungen spielen eine entscheidende Rolle, um die Vision einer grünen Wasserstoffwirtschaft Wirklichkeit werden zu lassen.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass grüner Wasserstoff ein vielversprechender Baustein für die Umgestaltung des Energiesektors und der Industrie ist, um langfristig eine nachhaltigere und umweltfreundlichere Welt zu schaffen.

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