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Digitaler Zwilling erleichtert durchgängigen Informationskreislauf

Durchgängiger Informationskreislauf erleichtert Nachhaltigkeits-Reporting
Mit dem Digital Twin zum digitalen Produktpass

Mit dem Digital Twin zum digitalen Produktpass
Mit dem digitalen Zwilling kann ein durchgängiger Datenkreislauf entstehen, der auch Aufschluss über Nachhaltigkeits-Aspekte gibt. Bild: MangKangMangMee/stock.adobe.com
In wenigen Jahren wird der digitale Produktpass kommen und schon jetzt wächst der Druck, den CO2-Fußabdruck zu verringern. Ohne fundierte Nachhaltigkeitsdaten geht wohl bald nichts mehr. Die Vorbereitung auf den digitalen Zwilling in der Wertschöpfungskette wird deshalb zum Game Changer.

» Udo Ramin, Director of Competence Center Industry 4.0 & IoT, Cosmo Consult Group

Schon bald gilt es, neue Vorgaben an das Nachhaltigkeits-Reporting und die Kreislaufwirtschaft zu erfüllen. Die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) der EU wird ab 2026 auch Mittelständler ab 250 Mitarbeitenden dazu verpflichten, einen Nachhaltigkeitsbericht zu erstellen. Zudem steht der digitale Produktpass in den Startschuhen. Über den Lebenszyklus hinweg sollten künftig Daten verfügbar sein, die Aufschluss über den Zustand von Produkten und Materialien geben und Wiederverwertung oder Recycling erleichtern. Unternehmen wie beispielsweise Bosch haben erkannt, welches Potenzial der Digital Twin (DT) für diese Nachhaltigkeitsthemen mitbringt.

Nachhaltigkeitsdaten werden zum Wettbewerbsfaktor

Gerade in vielen Ausrüstungsteilen ist der Energieverbrauch hoch, insbesondere wenn ein Motor oder Rotating Equipment zum Einsatz kommt. Damit ergibt sich ein erhebliches CO2-Einsparpotenzial: Die Betreiber von Maschinen und Anlagen werden hier von ihren Lieferanten echte Anstrengungen erwarten. Doch um die Nachhaltigkeit und die richtige Dimensionierung von Ausrüstung zu prüfen, müssen alle Daten aus dem Produktlebenszyklus auf einer Plattform zusammenkommen.

In den letzten Jahren hat das Konzept des digitalen Zwillings mit der fortschreitenden Entwicklung von Sensorik und IoT bereits an Bedeutung gewonnen. Das Ziel besteht bisher meist darin, die Leistung und Lebenszeit der physischen Assets zu erhöhen. Oft fürchten Unternehmen die vermeintliche Komplexität oder nehmen den DT nur als Konzept im Engineering oder der Instandhaltung wahr, bei dem sich alles um 3D und Predictive Maintenance dreht. Doch dies sind nur Teilaspekte. Für Unternehmen geht es vor allem um die Lebenszyklusdaten, die hinter dem physischen Objekt stehen. Ausrüstungshersteller, Maschinen- und Anlagenbauer sind die ersten in der Produktherstellungskette. Derzeit sind es jedoch die Betreiber am Ende der Kette, die sich durch zusätzlichen Sensorik-Retrofit schlauer machen wollen.

Heute sind die Welten nicht verzahnt

Derzeit ist der Datenaustausch über den klassischen Lebenszyklus von Anlagen und Ausrüstung hinweg immer wieder unterbrochen. Die im Engineering entstandenen Daten werden am Abschluss der Capex-Phase übergeben, doch die Informationen stehen meist nicht digital zur Verfügung. Herstellerinfos zu Ausrüstungen im Feld sind fast immer noch nur auf Papier vorhanden. In der Digitalisierung der Fertigung, der Baustelle oder der Brownfield-Umgebung baut dann jeder Betreiber seine eigene Informationswelt auf.

In der Praxis finden sich neben dem Engineering und der Konstruktion viele weitere disparate Datentöpfe: Die digitalen Leitsysteme in der Produktion und die Prozesssteuerungswelt sind oft ebenso wenig verbunden wie die ERP-Systeme. Um also über alle Stationen hinweg die später für den digitalen Produktpass notwendigen Daten zusammenzutragen, wäre heute ein erheblicher manueller Aufwand nötig. Um für die Zukunft gerüstet zu sein, sollten alle Systeme und Daten in einer gemeinsamen Plattform zusammenkommen – und genau hier kann der digitale Zwilling ansetzen.

Umdenken für die Nachhaltigkeit

Der Hersteller prüft sein Produkt und gibt es mit den entsprechenden Zertifikaten weiter, zu denen künftig wohl auch ein Energieeffizienz-Label gehören wird. Dann geht es an den Anlagenbauer, der eine Abnahmeprüfung macht, schließlich wird die Anlage vom Betreiber in Betrieb genommen und an Prozessleit- und Fabriksteuerungssysteme angebunden. In aller Regel fließen die Daten aus dem Livebetrieb nicht zurück, weder an den Anlagenhersteller, noch an die Ausrüstungszulieferer. Nur im Problemfall wird der Hersteller kontaktiert. Auch Wartungsteams oder Instandhaltungsdienstleister bleiben derzeit meist außen vor. Aus Nachhaltigkeitssicht – und hier spiegeln sich die Anstrengungen der EU – muss das Ziel ein durchgängiger Informationskreislauf im Rahmen des digitalen Produktpasses sein. Darin sollen die Daten aus dem Lebenszyklus des Produkts zusammenfließen. Auf welche Daten es künftig ankommt und wie mit den Daten umzugehen ist, wird sicherlich der EU Data Act regeln. Doch auf dem Weg dahin muss noch viel getan werden: Die Technologieplattformen dafür sind zwar vorhanden, doch die Geschäftsmodelle noch nicht darauf ausgerichtet.

Es lohnt sich jedoch, bereits jetzt mit der Vorbereitung zu starten. Die Hersteller sollten also zum einen auf mehr Sensorik setzen und zum anderen als erste den digitalen Zwilling für ihre Ausrüstung ins Leben rufen. Das ist bei weitem kein Hexenwerk: Grundlegende Daten für den DT sind die Auslegungsdaten aus den Datenblättern und die Ergebnisse vom Prüfstand. Sie müssen in digitale Modelle eingepflegt werden. Diese Aufgabe kann durch einfache Apps automatisiert werden. Für den DT werden meist Modellgrafen als Datenmodelle gewählt. Unternehmen sollten dabei auf eine der großen Cloud-Plattformen setzen.

Die Plattformen für den Digital Twin sind vorhanden

Microsoft Azure etwa stellt bereits Cloud-Lösungen zur Verfügung, die das Aufsetzen von Digital Twins deutlich vereinfachen. Microsoft hat die Bedeutung von IoT-Technologie für die Industrie früh erkannt und die Azure-Plattform unter anderem mit kognitiven KI-Services darauf ausgerichtet. Hier steht jetzt auch mit Azure Digital Twin der digitale Zwilling als Cloud-Service zur Verfügung. Die Plattform ist in der Lage, die Daten der DT aus unterschiedlichsten Datenquellen aufzunehmen und zu verwalten. Mit der DT Definition Language von Microsoft lässt sich jedes beliebige physische Objekt beschreiben, etwa digitale Abbilder von physischen Umgebungen wie Ausrüstung, Anlagen, Maschinen, Gebäuden und vielem mehr. Die Beschreibungen füllen den Modellgraf, aus dem verschiedenste digitale Zwillinge erzeugt werden, die sich wiederum für die Visualisierung und Simulationen zusammenfügen lassen. Hier können auch Produkteigenschaften aus Nachhaltigkeitssicht beschrieben werden.

Der wohl wichtigste Vorteil der Azure-Welt ist die offene Architektur und der hohe Integrationsgrad. Über den DT-Service lassen sich die notwendigen Systeme und die Sensorik für Life-Cycle-Daten anbinden. Auch 3D-Konstruktionsmodelle aus CAD-Umgebungen fließen ein. Mit KI-Services und Analytics können Erkenntnisse aus den Daten gewonnen werden. Zugleich lassen sich auf dieser Basis Apps für Kunden erstellen, mit denen zum Beispiel der nachhaltigste Wirkungsgrad einer Ausrüstung erfasst werden kann. Die Azure-Technologie kann die Verwaltungsschale der Digital Twins bilden, wie sie beispielsweise in Deutschland von der Plattform Industrie 4.0 definiert wurde. Die bereits erfassten Daten werden also künftigen Anforderungen der Datenbereitstellung und des Datenaustauschs gerecht. Wer früh mit dem Thema startet, geht deshalb kein Risiko ein – sichert sich jedoch einen Vorsprung im Wettbewerb.

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