Die jüngste Untersuchung der Unternehmensberatung Deloitte unter 140 deutschen Finanzvorständen zeigt Anzeichen der Erholung. Ein Aber bleibt: Aus Sicht der Finanzvorstände hemmen Risiken wie Fachkräftemangel und Geopolitik die weitere wirtschaftliche Entwicklung und gefährden sie stark.
Inhaltsverzeichnis
1. Geopolitik bestimmt zunehmend die Unternehmens-Agenda
2. Politische Stabilität ist oberste Priorität bei der Standortwahl
3. Digital- und Nachhaltigkeitsbewusstsein bei CFOs wächst
4. Erhebung der Studie
„Der Tiefpunkt der aktuellen Krise scheint überwunden, negative Faktoren wie die Energiekrise sind weitgehend verschwunden, wir sehen im neuen CFO Survey eine deutliche Verbesserung bei den meisten Werten“, sagt Dr. Alexander Börsch, Chefökonom bei Deloitte. „Dennoch: Die Inflation wird nicht einfach so verschwinden, dasselbe gilt für die geopolitischen Risiken. Daher bleiben die meisten Finanzchefs eher vorsichtig optimistisch, mit Betonung auf vorsichtig. Wir sehen aktuell vor allem Maßnahmen, um die Unternehmen wetterfest zu machen. Finanzielle Resilienz ist für die Unternehmen derzeit beispielsweise wichtiger als offensive Unternehmensstrategien.“
Vor allem das neue geopolitische Umfeld treibe Unternehmen dazu, verstärkt Maßnahmen zu ergreifen, um ihre geopolitisch bedingte Resilienz zu optimieren und ihre geopolitischen Muskeln zu trainieren. „Seit letztem Jahr ist die lokale Aufstellung der Lieferketten ein wichtiges Thema in den Unternehmen, aber auch die Verlagerung von Produktion“, so Börsch. „Für zukünftige Standortentscheidungen ist damit zu rechnen, dass die politische Stabilität bei der Standortwahl stärker berücksichtigt wird. Die geopolitischen Verschiebungen zeigen sich auch sehr deutlich bei den Investitionsplänen der deutschen Unternehmen.“
Geopolitik bestimmt zunehmend die Unternehmens-Agenda
Geopolitische Risikoszenarien
Fast alle der befragten Unternehmen haben erkannt, dass geopolitische Risikoszenarien potenziell relevant für ihre Branche sind (96 %). Das Risiko einer Ausweitung des Ukraine-Kriegs wiegt dabei für die CFOs am schwersten (65 %), gefolgt von einer Ausbreitung von Cyberattacken (54 %) und einer möglichen Eskalation des Konflikts zwischen China und Taiwan (44 %).
Resilienz hinsichtlich Absatzmärkte
Vor allem bezüglich Absatzmärkte wollen die Unternehmen resilienter werden – so wollen 43 % der Unternehmen im verarbeitenden Gewerbe ihre Absatzmärkte anpassen, vor allem die Automobilindustrie. In der Konsumgüterindustrie liegt der Fokus hingegen auf eine zunehmend diversifizierte und lokalisierte Beschaffung von Vorleistungen und Rohstoffen (30 %). Für 21 % der Befragten geht es vor allem um eine Resilienz hinsichtlich der Produktionsstandorte.
Branchenspezifische Probleme
Einige Branchen sehen sich zudem mit speziellen Szenarien konfrontiert: Der Dienstleistungssektor etwa wird durch den vermehrten Digitalisierungsanteil besonders von der Ausbreitung von Cyberattacken bedroht und sieht darin das wichtigste geopolitische Bedrohungsszenario. Handel und Konsumgüterindustrie hingegen sind über ihre Lieferketten speziell von China beziehungsweise den globalen Transportwegen abhängig.
Jedes zweite deutsche Unternehmen noch immer stark beeinträchtigt
Politische Stabilität ist oberste Priorität bei der Standortwahl
Investitionen aus Deutschland
Vor allem Nordamerika und Europa, aber auch Indien und Südostasien profitieren von steigenden Investitionen aus Deutschland. Der Standort Nordamerika boomt vor allem unter Technologieunternehmen und dem verarbeitenden Gewerbe, die Konsumgüterindustrie will sich dagegen regionaler aufstellen und setzt primär auf den Standort Osteuropa.
„Aufgrund ihrer verstärkten internationalen Abhängigkeiten schätzen exportorientierte Unternehmen gegenüber dem Durchschnitt fast alle geopolitischen Risikoszenarien als relevanter ein als der Durchschnitt. Überdurchschnittlich wichtig für diese Unternehmen ist das potenzielle technologische Decoupling zwischen China und dem Westen“, so Börsch.
Südamerika sei ebenfalls wieder ins Blickfeld gerutscht, eine wichtige Rolle dürfte hier die Diversifizierung der Rohstoffbasis spielen, so Börsch.
Digital- und Nachhaltigkeitsbewusstsein bei CFOs wächst
Digitalisierung
Ein weiterer wesentlicher Punkt auf der CFO-Agenda bleibt die digitale Transformation der Finanzfunktion. Flexibilität und Skalierbarkeit sind essenziell, um die Finanzfunktion für drohende Risiken vorzubereiten – hier sind zwar Fortschritte erkennbar, wichtige Potenziale, vor allem im Bereich der fortgeschrittenen Analytics Anwendungen, bleiben aber noch unausgeschöpft.
Nachhaltigkeit
Immer mehr in ihre Rolle finden CFOs auch beim Thema Nachhaltigkeit, das zunehmend auch in traditionellen CFO-Handlungsfeldern berücksichtigt wird. Doch auch hier gibt es – vor allem im Hinblick auf zu erwartende Reporting-Anforderungen – noch einigen Nachholbedarf. So schätzen gerade mal 20 % der Befragten ihr Unternehmen als vorbereitet ein für die Anforderungen der kommenden Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD).
„In fast allen befragten Unternehmen soll Nachhaltigkeit beispielsweise in die interne Finanzberichterstattung integriert werden“, erklärt Markus Seeger, Director Deloitte und mitverantwortlich für den CFO Survey. Es gäbe keine Anzeichen dafür, dass die Relevanz von Nachhaltigkeit für die CFO-Agenda nachlässt. Das Gegenteil sei der Fall: Durch kommende Herausforderungen, denen sich Unternehmen mit Blick auf EU-Taxonomie und CSRD stellen müssen, steige der Handlungsbedarf für die Finanzfunktion noch weiter. Seeger weiter: „Insbesondere beim Sicherstellen einer integrierten Finanz- und Nachhaltigkeits-Berichterstattung sind die Kompetenzen des CFO-Ressorts gefragt. Anspruch und Wirklichkeit sind jedoch noch weit voneinander entfernt – gerade mal 6 % der befragten Firmen hat bereits eine vollständige Integration erreicht.“ (eve)
Erhebung der Studie
Die Befragung wurde online im Zeitraum zwischen dem 3. und dem 24. März 2023 durchgeführt. 140 CFOs deutscher Großunternehmen haben an der Befragung teilgenommen. 45% der teilnehmenden Unternehmen erzielen einen Umsatz von mehr als 500 Millionen Euro, 29% über eine Milliarde Euro. Bei der Branchenstruktur dominiert der Handel mit 13% der Teilnehmenden, gefolgt vom Maschinenbau und dem Bauwesen mit jeweils 11 %. Download des CFO Surveys Frühjahr 2023