Europäischen Forschenden ist ein wichtiger Schritt bei der Entwicklung eines Materials gelungen, das Energierückgewinnung auf dem Mikrochip in Zukunft möglich machen könnte. Bei ihrer Legierung aus Germanium und Zinn handelt es sich um ein sogenanntes thermoelektrisches Material, das geeignet erscheint, die Abwärme von Computerprozessoren in Elektrizität umzuwandeln. Die neue Halbleiterlegierung kann leicht in den Prozess der Chipfertigung integriert werden.
In Europa gehen jährlich etwa 1,2 Exajoule aus IT-Infrastrukturen und Rechenzentren sowie Geräten wie Smart Devices verloren. Dies entspricht in etwa dem Primärenergieverbrauch von Österreich oder Rumänien. Diese Wärme unter 80°C ist traditionell nur schwer nutzbar wegen der schlechten thermodynamischen Effizienz und technologischen Einschränkungen. Ideal wäre es daher, die Niedertemperaturwärme wieder zurückzuführen. Doch es gibt nur sehr wenige Materialien, die in der Lage sind, die Wärme in elektrische Energie umzuwandeln, und keines davon ist mit der aktuellen Technologie in Halbleiterfertigungsanlagen kompatibel.
Eine Kooperation zwischen
- dem Forschungszentrum Jülich und
- dem IHP – Leibniz-Institut für innovative Mikroelektronik in Deutschland,
- der Universität Pisa und der Universität Bologna in Italien sowie
- der Universität Leeds in Großbritannien
hat nun jedoch einen Meilenstein bei der Entwicklung eines solchen Materials erreicht, das für die Energiegewinnung auf Chips geeignet und mit dem CMOS-Prozess der Chipfertigung kompatibel ist.
Thermoelektrische Werkstoffe – Eigenschaften und Verwendung
Thermoelektrische Elemente wandeln Temperaturunterschiede direkt in elektrische Energie um. Ein bestehendes Temperaturgefälle regt dabei einen Fluss von elektrischen Ladungsträgern an und erzeugt so einen elektrischen Strom. Dieser Prozess kann genutzt werden, um Abwärme in elektronischen Geräten zu verwerten, wodurch sie in nutzbare Energie umgewandelt und der gesamte Energieverbrauch reduziert wird.
Für thermoelektrische Materialien ist eine geringe Wärmeleitfähigkeit wünschenswert, da diese ein größeres Temperaturgefälle ermöglicht, was wiederum für eine effiziente Energieumwandlung entscheidend ist. GeSn-Legierungen erscheinen mit ihrer geringen Wärmeleitfähigkeit besonders geeignet, ein solches Temperaturgefälle zu erzeugen, was wiederum ihrer thermoelektrischen Effizienz zugutekommt.
Elemente der Gruppe IV im Periodensystem, auch bekannt als Siliziumgruppe, bilden die Grundlage eines jeden elektronischen Geräts. Indem man sie zu Legierungen kombiniert, erweitern sich die Anwendungsbereiche auf Thermoelektrik, Photonik und Spintronik. Langfristig rückt damit die Integration von Photonik, Elektronik und Thermoelektrik auf demselben Chip mit siliziumbasierter Technologie in Reichweite. Dies würde nicht nur die Leistung der Geräte verbessern, sondern auch die Entwicklung nachhaltigerer Technologien unterstützen.
„Das Hinzufügen von Zinn zu Germanium reduziert die thermische Leitfähigkeit erheblich, während die elektrischen Eigenschaften beibehalten werden.“
– Dr. Dan Buca, Forschungszentrum Jülich
„Das Hinzufügen von Zinn zu Germanium reduziert die thermische Leitfähigkeit erheblich, während die elektrischen Eigenschaften beibehalten werden – eine ideale Kombination für thermoelektrische Anwendungen“, erklärt Dr. Dan Buca, Leiter der Forschungsgruppe am Forschungszentrum Jülich. Die – experimentell bestätigte – niedrige thermische Leitfähigkeit des Kristallgitters unterstreicht das große Potenzial der GeSn-Legierungen als thermoelektrisches Material.
Die Idee dahinter: Indem man es in siliziumbasierte Mikrochips integriert, wird es möglich, die im Betrieb erzeugte Abwärme zu nutzen und in elektrische Energie rückzuwandeln. Dieses „Energy Harvesting“ auf dem Chip könnte den Bedarf an externer Kühlung und Strom erheblich reduzieren und so die Effizienz elektronischer Geräte steigern.
„Unsere gemeinsame Forschung kann erhebliche Auswirkungen auf den Bereich der ‚Green IT‘-Infrastrukturen haben.“
– Prof. Giovanni Capellini, IHP
„Mit dieser Veröffentlichung ist uns ein sehr wichtiger Schritt gelungen. Wir haben einen der kritischsten Parameter für ein thermoelektrisches Material, die thermische Leitfähigkeit, bewertet, indem wir eine Reihe verschiedener experimenteller Techniken an Proben mit unterschiedlichen Legierungszusammensetzungen und Dicken angewendet haben“, erklärt Prof. Giovanni Capellini, Projektleiter am IHP. „Unsere gemeinsame Forschung kann erhebliche Auswirkungen auf den Bereich der ‚Green IT‘-Infrastrukturen haben.“
Weitere Forschung am thermoelektrischen Werkstoff geplant
Die Forschungsgruppen am Forschungszentrum Jülich und am IHP setzen ihre erfolgreiche Zusammenarbeit fort, um das Material weiterzuentwickeln. Ziel ist es, die Zusammensetzung der Legierung auf Silizium-Germanium-Zinn, SiGeSn, sowie die ultimative Gruppe-IV-Legierung unter Hinzunahme von Kohlenstoff, CSiGeSn, zu erweitern und damit ein funktionales thermoelektrisches Gerät herzustellen, mit dem sich das Potenzial der Energiegewinnung durch Gruppe-IV-Legierungen demonstrieren lässt.
Die Aktivität wird finanziell durch einen neu vergebenen DFG-Zuschuss „SiGeSn-Legierungen für die Energiegewinnung bei Raumtemperatur“ gefördert. Zusätzlich werden die Arbeiten durch das kooperative Promotionsprojekt „CMOS-Energiegewinnung für Big Data-Anwendungen“ unterstützt.
Publikation der Ergebnisse
Die Ergebnisse schafften es auf das Titelblatt der renommierten wissenschaftlichen Zeitschrift ACS Applied Energy Materials. Originalpublikation: Room Temperature Lattice Thermal Conductivity of GeSn Alloys, by Omar Concepción, Jhonny Tiscareño-Ramírez, Ada Angela Chimienti, Thomas Classen, Agnieszka Anna Corley-Wiciak, Andrea Tomadin, Davide Spirito, Dario Pisignano, Patrizio Graziosi, Zoran Ikonic, Qing Tai Zhao, Detlev Grützmacher, Giovanni Capellini, Stefano Roddaro, Michele Virgilio*, and Dan Buca, ACS Appl. Energy Mater. 2024, 7, 10, 4394–4401; DOI: 10.1021/acsaem.4c00275 (eve)