Grüner Wasserstoff und seine Folgeprodukte dienen als Träger für Strom, um diesen aus weiter entfernten Regionen energieeffizient nach Europa zu transportieren. Gleichzeitig sind viele Industrien, die nicht direkt Strom einsetzen können, zukünftig auf diese klimaneutralen Alternativen zu fossilem Gas und Öl angewiesen. Wo können solche Power-to-X-Produkte bis zum Jahr 2030 in Verbindung mit dem Transport nach Deutschland am günstigsten hergestellt werden? Mit dieser Frage befasst sich eine Studie des Fraunhofer ISE und der Stiftung H2Global.
Inhaltsverzeichnis
1. Was kostet die Erzeugung von gasförmigen Wasserstoff?
2. Kombination von Wind und PV sorgt für hohe Auslastung
3. Power-to-X Simulationen als Teil der Methodik
Die Stiftung H2Global hat zwölf Länder ausgewählt, die das Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme ISE mit Blick auf die Fragestellung „Woher könnten Deutschlands Importe für Wasserstoff und Power-to-X-Produkte kommen?“ untersucht hat. Das Ergebnis:
- Für den Import grünen Ammoniaks, Methanols und Kerosins bieten Brasilien, Kolumbien und Australien besonders gute Bedingungen.
- Importe von gasförmigem grünem Wasserstoff könnten aus Südeuropa oder Nordafrika stammen, sofern dafür rechtzeitig Pipelines zum Transport zur Verfügung stehen.
„Nachhaltig erzeugter Wasserstoff und seine Derivate werden in bestimmten Teilen des Energiesystems unverzichtbar sein“, sagt Prof. Dr. Hans-Martin Henning, Institutsleiter am Fraunhofer ISE. „Nach unseren Berechnungen sind Importe eine notwendige und wirtschaftlich sinnvolle Ergänzung zur lokalen Wasserstofferzeugung.“
Die Power-to-X-Projekte im Gigawatt-Leistungsmaßstab, die diese Studie betrachtet, haben lange Planungs- und Bauphasen, so dass eine Realisierung erster Großprojekte in geeigneten Produktionsländern schon jetzt eingeleitet werden sollte. Nach Berechnungen des Fraunhofer ISE benötigt Deutschland bis 2030 sowohl heimisch hergestellte wie auch Importe von Power-to-X-Energieträgern mindestens im einstelligen Terawattstunden-Bereich.
Was kostet die Erzeugung von gasförmigen Wasserstoff?
Transport per Schiff
„Die lokalen Produktionskosten für gasförmigen grünen Wasserstoff sind laut unseren Berechnungen für die 12 von H2Global vorausgewählten Länder nirgendwo so niedrig wie in Brasilien, Australien und dem Norden Kolumbiens. Zwischen 96 und 108 Euro kostet dort die Produktion einer Megawattstunde grünen Wasserstoffs, das sind rund 3,20 bis 3,60 Euro pro Kilogramm“, sagt Dr. Christoph Hank, Hauptautor der Studie. „Wird der Ferntransport per Schiff entweder in Form von Flüssigwasserstoff oder Ammoniak berücksichtigt, ergeben sich unter bestmöglichen Bedingungen Bereitstellungskosten für Deutschland von 171 Euro pro Megawattstunde in Bezug auf den Energiegehalt von sowohl Flüssigwasserstoff als auch Ammoniak.“
Die hohen kombinierten Volllaststunden für Solar- und Windenergieanlagen in diesen Ländern und die damit verbundene hohe Auslastung der derzeit noch kapitalintensiven Power-to-X-Prozesse sind laut Studie ein zentraler Vorteil dieser Länder. Eine große Distanz zwischen Erzeugung und Nutzung stelle für Ammoniak, Methanol oder Kerosin durch deren hohe Energiedichte sowie eine etablierte Schifftransportlogistik hingegen kein Ausschlusskriterium dar.
Transport per Pipeline
Eine Alternative sieht die Studie im Import von gasförmigem Wasserstoff via Pipeline nach Deutschland mit der Möglichkeit zur anschließenden Weiterverarbeitung zu seinen Folgeprodukten vor Ort. „Regionen in Südeuropa und Nordafrika schneiden bei diesem Szenario am besten ab“, erklärt Dr. Christoph Hank. „Unter der Voraussetzung, dass erste Abschnitte dieser Pipeline-Infrastruktur bis 2030 gebaut werden, könnten ab dann große Mengen nachhaltig erzeugten Wasserstoffs auf eine sehr kosteneffiziente Weise nach Europa und damit auch Deutschland transportiert werden.“
In der Analyse weisen Regionen in Algerien, Tunesien und Spanien inklusive Transport in einer auf Wasserstoff umgerüsteten Erdgaspipeline mit 137 Euro pro Megawattstunde die niedrigsten Bereitstellungskosten für gasförmigen Wasserstoff auf. Dies entspricht 4,56 Euro pro Kilogramm grünen Wasserstoff.
Kombination von Wind und PV sorgt für hohe Auslastung
Zentrale Kriterien für eine kosteneffiziente Power-to-X-Erzeugung sind laut Studie vorteilhafte Wind- und PV-Kombinationen und eine hohe Anlagenauslastung sowie vergleichsweise geringe Kapitalkosten. „Wir haben generell festgestellt, dass die Kombination aus guten Wind- und Solarstrom-Bedingungen sich sehr positiv auf die Kosten der Wasserstoffherstellung auswirkt, oft mehr, als wenn eine Region über herausragend gute Bedingungen für entweder Wind- oder Solarstromerzeugung verfügt“, erklärt Dr. Christoph Kost, verantwortlich für die Erneuerbare-Energien-Analysen der Fraunhofer ISE Studie. „Letztendlich sind möglichst günstige Erzeugungskosten von erneuerbarem Strom der entscheidende Faktor.“ Weitere signifikante Kostenreduktionen sind zukünftig bei erneuerbaren Energien, der Elektrolyse, sowie durch eine Optimierung, Skalierung und einen Ramp-up der gesamten PtX-Wertschöpfungskette zu erwarten. Diese werden die Erzeugungs- und Importkosten nachhaltiger Energieträger nach 2030 weiter deutlich sinken lassen.
Power-to-X Simulationen als Teil der Methodik
Die techno-ökonomischen Ergebnisse der Studie basieren auf umfangreichen Länderanalysen hinsichtlich ihres Potenzials zur Erzeugung von Strom aus erneuerbaren Energien. Die als vielversprechend identifizierten Regionen wurden dann in einem weiteren Schritt hinsichtlich einer Erzeugung von grünem Wasserstoff und dessen Folgeprodukten analysiert. „Die detaillierte Auslegung und Optimierung der einzelnen Power-to-X-Parks erfolgte dann mithilfe von ‚H2ProSim‘, einer vom Fraunhofer ISE entwickelten Simulationsumgebung für Power-to-X-Wertschöpfungsketten“, erklärt Marius Holst, am Fraunhofer ISE verantwortlich für die Power-to-X Simulationen im Rahmen der Studie.
Die Studienautoren betonen, dass beim Aufbau einer globalen Wasserstoff-Industrie auch der heimische Bedarf an erneuerbarer Energie und nachhaltigen Energieträgern der zukünftigen Exportländer zu decken ist und dass die Errichtung einer Erzeugungs- und Exportinfrastruktur in Abstimmung und Einklang mit den lokalen Interessenvertretenden geschehen muss. (eve)