Startseite » News »

Neuromorphe Chips machen KI nachhaltig

Forschungszentrum Jülich sieht Chancen für NRW
Neuromorphe Chips machen KI nachhaltig

Sie könnten der Schlüssel sein, um dem großen Energiehunger künstlicher Intelligenz (KI) zu begegnen: neuroinspirierte Computerchips, die dem Vorbild des menschlichen Gehirns nachempfunden sind. Am Forschungszentrum Jülich und der RWTH Aachen treiben Forschende die Technologie voran mit der Aussicht, den Strombedarf massiv zu senken.

Für das Training künstlicher neuronaler Netze benötigen Superrechner ähnlich viel Strom wie eine kleinere Stadt. Das menschliche Gehirn benötigt dagegen nicht mehr Energie als eine Glühbirne mit 25 W. Mit diesem Vergleich macht das Forschungszentrum Jülich klar, wie weit die heutige Computer-Hardware von einem Optimum entfernt ist – und wie wenig nachhaltig. Rechenzentren verbrauchen immer mehr Strom. KI gilt als ein Treiber dieser Entwicklung.

ChatGPT und Co weisen zwar zunehmend menschenähnliche Züge auf, doch die Rechner funktionieren ganz anders als das biologische Hirn. Und das zeigt sich im Energieverbrauch. Doch dies muss nicht so bleiben. Das Forschungszentrum Jülich und die RWTH Aachen University arbeiten in dem Projekt Neurotec und in dem Zukunftscluster NeuroSys an neuroinspirierten Computerchips.

Um Größenordnungen effizienter

„Neuromorphe Systeme, die der Funktionsweise des Gehirns nachempfunden sind, versprechen, solche KI-Prozesse um mehrere Größenordnungen effizienter zu trainieren und zu betreiben, als es mit herkömmlichen Digitalrechnern möglich ist“, erklärt Prof. Astrid Lambrecht, Vorstandsvorsitzende des Forschungszentrums Jülich. „Bei dieser Technologie handelt es sich um eine echte Schlüsselinnovation. Neuromorphes Computing ist ein interdisziplinäres Forschungsfeld, das sich ohne die Vernetzung von Neurowissenschaften, Physik, Elektronik, Informatik und Materialwissenschaften, wie sie hier am Forschungszentrum Jülich und in Kollaboration mit unseren Partnern gelebt wird, nicht entfalten könnte.“

Als mögliche Anwendungen nennt Lambrecht Beispiele von intelligenten Implantaten in der Medizin über die Mustererkennung in Smartphones bis hin zum KI-Einsatz in der Industrie oder für das autonome Fahren.

Großraum Aachen wird profitieren

Beim „Neuromorphic Computing Day“ Ende August gaben die Wissenschaftler aus Jülich und Aachen mit ihren Partnern aus Hightech-Unternehmen und Start-ups einen Einblick in diese Entwicklungen. Sie präsentierten den aktuellen Stand im Beisein von Gästen aus Wirtschaft, Wissenschaft und Politik sowie Prof. Sabine Döring vom Bundesforschungsministerium BMBF. „Durch Neurotec und das Zukunftscluster NeuroSys soll der Großraum Aachen zu einem der führenden Standorte für europäische KI-Hardware werden“, sagte die Staatssekretärin zum Auftakt der Netzwerkveranstaltung in Jülich. „Ein erfolgreicher Strukturwandel gelingt allerdings nur, wenn wir auch den Transfer wissenschaftlicher Ergebnisse in die Praxis schaffen. Neurotec und NeuroSys bieten hierfür optimale Bedingungen“, so Döring.

„Memristive“ Bauteile arbeiten wie künstliche Synapsen

Der Kern der wissenschaftlichen Arbeiten: Beide Forschungseinrichtungen gelten als weltweit führend, wenn es um die Erforschung von „memristiven“ Materialien und Bauteilen geht. Diese stellen ein zentrales Element für den Bau eines neuromorphen Computers dar. Memristive Bauelemente können als künstliche Synapsen in neuronalen Netzwerken Informationen parallel speichern und verarbeiten.

Das Projekt Neurotec geht jedoch über die reine Forschung hinaus. Im Zusammenspiel mit Hightech-Unternehmen der Region wie dem Anlagenbauer Aixtron, Messtechnik-Spezialisten aixACCT Systems sowie den Nanotechnologie-Unternehmen Amo und Surface Systems+Technology entsteht eine Basistechnologie für neuromorphe KI. Technologisches Know-how soll direkt aus der Forschung in die vornehmlich regionale Wirtschaft übergehen. Das Verbundprojekt ging 2021 in die zweite Phase und wird vom BMBF für fünf Jahre mit 36 Mio. Euro aus Mitteln für den Strukturwandel gefördert.

Erste Effekte in künftiger Automobilelektronik

„Erste Ergebnisse kommen bereits in der nächsten Generation von Automobilelektronik auf den Markt“, erklärt Neurotec-Koordinator Prof. Rainer Waser vom Forschungszentrum Jülich und der RWTH Aachen. „Dabei geht es um energiesparsame und schnelle ReRAM-Speicher von Infineon und TSMC, die Informationen permanent ohne kontinuierliche Stromversorgung speichern können.“ Sie seien mit Methoden aus Neurotec optimiert worden.

Auch das eigentliche Ziel des Projekts, die Realisierung erster neuromorpher Demo-Chips für den praktischen Einsatz, kommt laut der Jülicher Forschungseinrichtung zusehends in Reichweite. „Mit Chips auf Basis der 180-nm-Halbleitertechnologie haben wir bereits umfangreich experimentiert und viele kleinere, wichtige Fortschritte gemacht. Dabei geht es zum Beispiel um die Frage, wie verlässlich diese neuartigen Bauteile mittels CMOS-Technologie hergestellt werden können, oder ob sie auch nach vielen Schaltzyklen noch fehlerlos funktionieren“, berichtet Prof. Waser.

Taiwan testet memristive Elemente in KI-Systemen

Erste Entwürfe auf Basis der moderneren 28-nm-Technologie gingen Ende Mai in Taiwan in Produktion. Nach der Bestückung mit memristiven Elementen aus der Jülich-Aachener Forschung sollen diese demnächst mit ersten realen Anwendungen getestet werden. Zum Beispiel mit Verfahren zur Routenoptimierung, Computervirensuche im Datenstrom oder künstlichen neuronalen Netzen auf Hardwareebene für Deep Learning. Komplementär dazu arbeiten die Forscher aus Aachen und Jülich im Zukunftscluster NeuroSys mit regionalen Unternehmen daran, weitere Markt- und Anwendungspotenziale zu erschließen.

„Neuromorphic Computing wird zahlreiche Einsatzmöglichkeiten für energieeffiziente KI-Anwendungen in der Sprach-, Bild- und Videoverarbeitung oder der Medizin eröffnen“, sagt Prof. Ulrich Rüdiger, Rektor der RWTH Aachen University. „Gemeinsam mit Verbänden wie der IHK Aachen oder der Zukunftsagentur Rheinisches Revier werden Szenarien bis hin zur Ansiedelung einer Fabrik für Computer-Chips ‚made in NRW‘ gedacht“.

Disruptive Veränderungen sind zu erwarten

„Mit unserer Forschung spannen wir die gesamte Wertschöpfungskette auf, einschließlich soziologischer und ethischer Fragestellungen, die disruptive Technologien immer aufwerfen“, merkt Prof. Max Lemme an, NeuroSys-Koordinator von der RWTH Aachen und Geschäftsführer der AMO GmbH. „Dadurch bieten sich auf vielen technologischen Ebenen Chancen für regionale Unternehmen und Start-ups, den Strukturwandel zu beschleunigen. Wir sehen bereits heute erste Effekte auf den Arbeitsmarkt und Unternehmensinvestitionen.“ (os)

Unsere Webinar-Empfehlung
Industrieanzeiger
Titelbild Industrieanzeiger 6
Ausgabe
6.2024
LESEN
ABO
Newsletter

Jetzt unseren Newsletter abonnieren

Webinare & Webcasts

Technisches Wissen aus erster Hand

Whitepaper

Aktuelle Whitepaper aus der Industrie

Unsere Partner

Starke Zeitschrift – starke Partner


Industrie.de Infoservice
Vielen Dank für Ihre Bestellung!
Sie erhalten in Kürze eine Bestätigung per E-Mail.
Von Ihnen ausgesucht:
Weitere Informationen gewünscht?
Einfach neue Dokumente auswählen
und zuletzt Adresse eingeben.
Wie funktioniert der Industrie.de Infoservice?
Zur Hilfeseite »
Ihre Adresse:














Die Konradin Verlag Robert Kohlhammer GmbH erhebt, verarbeitet und nutzt die Daten, die der Nutzer bei der Registrierung zum Industrie.de Infoservice freiwillig zur Verfügung stellt, zum Zwecke der Erfüllung dieses Nutzungsverhältnisses. Der Nutzer erhält damit Zugang zu den Dokumenten des Industrie.de Infoservice.
AGB
datenschutz-online@konradin.de