Die Rahmenbedingungen für Familienunternehmen unterliegen einem starken Wandel wie nie zuvor. Die Globalisierung, der Fachkräftemangel, die digitale Transformation sowie die politischen Rahmenbedingungen in Deutschland, Europa und der Welt sind nur einige Herausforderungen, denen sich Familienunternehmen zu stellen haben. Die Stiftung Familienunternehmen und Politik mit Sitz in Stuttgart dient der Förderung des Familienunternehmertums, der Bildung von Netzwerken und dem Diskurs politischer, gesellschaftlicher und ökonomischer Themen. Zur Stärkung des Standort Deutschlands hat die Stiftung daher 10 Punkte ausgearbeitet, die sofort auf die Agenda der Politik müssten – unterstützt von Vertreter:innen von sieben Familienunternehmen.
„Die Familienunternehmen übernehmen Verantwortung, nicht nur für ihre Betriebe, sondern für unser Land“, sagt Prof. Rainer Kirchdörfer, Vorstand der Stiftung Familienunternehmen und Politik. Damit das so bliebe, brauche man nicht nur kleinteilige Reparaturmaßnahmen, sondern einen mutigen politischen Kurswechsel. Kirchdörfer fordert weniger Bürokratie und mehr steuerliche Anreize, die Investitionen und zukünftiges Wachstum fördern. Kirchdörfer wörtlich: „Unser Motto ist: Nicht meckern, sondern machen. Die Vorschläge liegen auf dem Tisch.“
10 Punkte, den Standort Deutschland zu sichern
Familienunternehmen seien nicht nur wichtige Arbeitgeber, sondern auch Innovationsmotor und treibende Kraft für Wohlstand. Dafür bräuchten sie dringend wettbewerbsfähige Bedingungen. Die Deindustrialisierung und die bereits laufende Abwanderung der Unternehmen müssen gestoppt werden. Die Stiftung Familienunternehmen und Politik nennt der Bundesregierung folgende „10 Hausaufgaben“:
- Stärken des Binnenmarkts bewahren – EU-Überregulierung stoppen
- Belastungsmoratorium jetzt – Bürokratieabbau endlich ernst nehmen
- Unternehmensteuer runter, Turboabschreibung, Verlustverrechnung
- Substanzschutz für die nächste Unternehmergeneration
- Versorgungs- und Planungssicherheit beim Klimaschutz
- Arbeitskosten senken, Produktivität ankurbeln
- Globalen Handel nach den Wertvorstellungen der Familienunternehmen stärken – für wirklich freie Freihandelsabkommen
- Beschäftigungspotenziale heben, offene Amtsstuben für ausländische Fachkräfte
- Verwaltung für ihre Kernaufgaben entlasten
- Wertschöpfung ermöglichen, explodierende Staatsausgaben stoppen
Mittelstandsverbund schlägt Maßnahmen zum Bürokratieabbau vor
Das sagen die Vertreter:innen der Familienunternehmen
„Wir brauchen Zeit, Planungssicherheit und Unterstützung von der Politik.“ – Tessa Betram, Gebr. Kemper
Tessa Bertram, Gesellschafterin und Vorsitzende des Beirats, Gebr. Kemper: „Wir Familienunternehmerinnen und -unternehmer tragen Verantwortung für die wirtschaftliche Stabilität und die Arbeitsplätze in den Regionen. Gerade weil wir langfristig denken, stehen wir hinter der Transformation des Energiesystems für Klimaschutz.“
Betram weiter: „Aber vor allem mittelständische Unternehmen in energieintensiven Branchen dürfen mit dieser Aufgabe nicht allein gelassen werden. Wir brauchen Zeit, Planungssicherheit und Unterstützung von der Politik. Unsere internationale Wettbewerbsfähigkeit steht auf Spiel.“
Das Familienunternehmen Kemper wurde im Jahr 1864 gegründet. Seitdem hat die Familie Kemper über mehrere Generationen das Unternehmen gelenkt und geführt. Bei der weltweiten Betreuung seiner Kunden der drei Geschäftsbereiche Gebäudetechnik, Gusstechnik und Walzprodukte wird der zentrale Firmensitz und Produktionsstandort Olpe von sechs inländischen und neun internationalen Vertriebsniederlassungen unterstützt.
„Jetzt laufen Kontrolle und Regulierung aus dem Ruder.“ – Dr. David Klett, Klett
Dr. David Klett, Vorstandsmitglied Klett AG: „Deutschland ist ein toller Standort für Unternehmerinnen und Unternehmer. Doch jetzt laufen Kontrolle und Regulierung aus dem Ruder – so dürfen wir ihn nicht verspielen!“
2022 jährte sich die Übernahme der Königlichen Hofbuchdruckerei zu Gutenberg durch Ernst Klett den Älteren zum 125. Mal. Mittlerweile vereint die Klett Gruppe über 80 Unternehmen in 18 Ländern und deckt als eines der führenden Bildungsunternehmen in Europa zahlreiche Bereiche der Bildungsbranche ab. Sitz des Unternehmens ist Stuttgart.
„Unternehmen werden durch eine überbordende Bürokratie in ihrer Entwicklung in Deutschland behindert.“ – Dr. Holger Loclair, Orafol
Dr. Holger Loclair, Chairman & CEO der Orafol Group: „Weder gibt es ein grundsätzliches Einvernehmen darüber, dass Schlüsselbranchen wie die Chemie die Basis für Wohlstand sind, noch scheint es politischen Einklang darüber zu geben, dass private Investitionen unterstützt werden müssen.“
Loclair weiter: Stattdessen werden Unternehmen durch eine überbordende Bürokratie und langwierige Genehmigungsverfahren in ihrer Entwicklung in Deutschland behindert. Der politische Lösungswille sollte sich wieder darauf richten, unsere Wettbewerbsposition im Weltrang zu sichern.“
Die Orafol Europe GmbH ist der globale Hauptsitz der Orafol-Gruppe. Seit 1996 hat die Orafol Europe GmbH ihren Sitz in Oranienburg im Industriepark Nord. Auf einem Gelände von mehr als 250.000 m² erfolgt die Produktion selbstklebender graphischer Produkte, reflektierender Materialien und Industrieklebebändern.
„Wir brauchen klare Wachstumssignale aus der Politik.“ – Dr. Roland Mack, Europa Park
Dr. Roland Mack, Geschäftsführender Gesellschafter Europa-Park GmbH & Co Mack KG: „Die Bundesregierung festigt gegenwärtig Deutschlands Spitzenposition als Höchststeuerland. Warum die Bundesregierung trotz aller Krisensignale hier nichts für die Standortsicherung tut, bleibt mir ein Rätsel.“
Mack weiter: „Dabei liegen konkrete Vorschläge wie verbesserte Abschreibungsrisiken, eine Ausweitung der Verlustverrechnung oder eine Absenkung der Körperschaftssteuer auf dem Tisch. Wir brauchen klare Wachstumssignale aus der Politik. Besser heute als morgen.“
Der familienbetriebene Europa-Park wurde 1975 gegründet. Während im Eröffnungssommer 1975 noch 250.000 Gäste den Europa-Park besuchten, zählt das Familienunternehmen heute nach dem Kölner Dom als das meist besuchte Tourismusziel in Deutschland. Längst ist der Europa-Park nicht mehr nur ein klassischer Freizeitpark, sondern auch eine renommierte Tagungsadresse und ein beliebter Standort für Events und Fernsehproduktionen.
„Wir brauchen keinen weiteren Dirigismus, sondern mehr Raum für Kreativität und Unternehmertum.“ – Dr. Harald Marquardt, Marquardt Gruppe
Dr. Harald Marquardt, Vorsitzender des Vorstands Marquardt Gruppe: „Die Politik muss den Ernst der Lage verstehen: Viele Familienunternehmen stehen angesichts der aktuellen wirtschaftlichen Lage vor besonderen Herausforderungen. Kundenaufträge brechen weg oder werden nicht abgerufen. Die ohnehin schon geringen Margen sind noch mehr unter Druck.
Marquardt weiter: „Die Unternehmen brauchen jetzt schnelle Entlastung, steuerliche Anreize und nicht noch weitere Kosten durch immer komplexere Berichtspflichten. Die öffentliche Verwaltung kommt bei der Bewältigung der Informationen, die sie abruft, gar nicht mehr hinterher. Wir brauchen keinen weiteren Dirigismus, sondern mehr Raum für Kreativität und Unternehmertum.“
Seit der Unternehmensgründung im Jahr 1925 hat sich die Marquardt Gruppe zu einem der global führenden Mechatronik-Experten entwickelt. Heute arbeiten mehr als 11.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an 22 Standorten weltweit für Marquardt. Der Stammsitz befindet sich in Rietheim in der Schwäbischen Alb.
„Noch stützen die Familienunternehmen Wertschöpfung und Beschäftigung.“ – Natalie Mekelburger, Coroplast
Natalie Mekelburger, Vorsitzende der Geschäftsführung Coroplast Fritz Müller GmbH & Co. KG: „Der Wirtschaftsstandort Deutschland ist schon lange in Schieflage – gerade droht er umzukippen. Noch stützen die Familienunternehmen Wertschöpfung und Beschäftigung.“
Mekelburger weiter: „Damit diese Stützen halten, muss die Politik uns endlich bei Bürokratie, Steuern und Energiekosten entlasten. Dazu muss sie uns vertrauen und sich auf stabile Rahmenbedingungen konzentrieren, statt uns, die Bürger und sich selbst mit ihrem Mikromanagement zu überfordern.“
Die Coroplast Group ist ein weltweit erfolgreiches und unabhängiges Familienunternehmen, das Natalie Mekelburger als Vorsitzende der Geschäftsführung in der dritten Generation führt. In über 90 Jahren hat sich dieser Verbund mit den drei Geschäftsbereichen vom lokalen Hersteller von Elektroisoliermaterialien zum Global Player und Technologieführer in den Geschäftsfeldern Technische Klebebänder, Kabel & Leitungen und Leitungssätze entwickelt. Stammsitz des Unternehmens ist Wuppertal.
„Einen Standort in Deutschland muss man sich heute leisten können.“ – Dr. Nicolas Stihl, Stihl Holding
Dr. Nikolas Stihl, Vorsitzender des Beirats Stihl Holding AG & Co. KG: „Wir stehen weiterhin zum Standort Deutschland. Aber: Einen Standort in Deutschland muss man sich heute leisten können. Inzwischen wäre es sogar günstiger, in der Schweiz zu produzieren. Das zeigt die Absurdität der deutschen Lohnkosten-Landschaft.“
Der von Andreas Stihl 1926 gegründete schwäbische Einmannbetrieb hat sich zu einem international tätigen Mechatronik-Unternehmen entwickelt. Mit mehr als 20.000 Mitarbeitenden ist das Unternehmen in 160 Ländern auf fünf Kontinenten vertreten. Hauptsitz ist Waiblingen. (eve)