Das Krisenjahr 2020 hat auch die Elektroindustrie hart getroffen: Bei allen wichtigen Kennziffern musste die Branche Verluste hinnehmen, wie der ZVEI mitteilte. „Dennoch hat sich die Elektroindustrie etwas besser geschlagen als manch andere Branche des verarbeitenden Gewerbes“, bewertete ZVEI-Präsident Dr. Gunther Kegel die Lage. Die Produktion ging im Vergleich zu 2019 um 7 % zurück, der Umsatz um 6 %. Mit 180 Mrd. Euro erreichten die Erlöse nur das Niveau von 2016. Die Zahl der Beschäftigten in der Branche ging dank Kurzarbeit nur moderat auf 873.000 zurück. Zuletzt war jeder Achte in Kurzarbeit.
Für 2021 erwartet der ZVEI bei der Produktion ein Plus von 5 %. Damit würden etwa zwei Drittel der Verluste aus dem vergangenen Jahr aufgeholt, so Kegel. Eine Rückkehr zum Vorkrisenniveau erwartet der Verband im Laufe des Jahres 2022. Diese Prognosen unterliegen allerdings hohen Unsicherheiten, gab der ZVEI-Präsident zu bedenken.
Trend zur All-Electric-Society
Einen Grund für die vergleichsweise gute Position der Branche sieht Kegel in der immer stärkeren Elektrifizierung und Digitalisierung unserer Gesellschaft. Der Trend hin zu einer All-Electric-Society sei eng verbunden mit der Bewältigung des Klimawandels – einer Herausforderung, der man aus seiner Sicht nicht durch Verbote und Verzicht begegnen kann, sondern nur durch den breiten Einsatz von technologischen Innovationen. Hier sieht Kegel die Elektroindustrie in einer Schlüsselposition: „Die All-Electric-Society wird geprägt sein durch die intelligente Kopplung aller klimarelevanten Sektoren. In der durchgängigen Elektrifizierung, Digitalisierung und Automatisierung der Bereiche Energie, Industrie, Gebäude und Mobilität liegt großes Potenzial, um die gesteckten Klimaziele zu erreichen. Das geht nur mit den Innovationen der Elektroindustrie.“
ZVEI fordert offene Märkte und technologische Souveränität
„Der grenzüberschreitende Warenverkehr ist kein wesentlicher Faktor im Pandemiegeschehen und muss aufrechterhalten bleiben. Anderenfalls droht Europa erneut ein massiver wirtschaftlicher Einbruch“, ergänzte Wolfgang Weber, Vorsitzender der ZVEI-Geschäftsführung. So sind die Branchenexporte der Elektroindustrie nach Europa im Zeitraum von Januar bis November 2020 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 6,5 % auf rund 118 Mrd. Euro zurückgegangen. In die Eurozone sanken sie sogar um 8,4 % auf knapp 58 Mrd. Euro. In Asien dagegen war der Rückgang mit -2,5 %, insgesamt 42 Mrd. Euro, im Vergleich deutlich kleiner.
Offene Grenzen und weltweite Wertschöpfungsnetzwerke seien elementar. Gleichzeitig müsse Europa bei Schlüsseltechnologien, wie etwa der Mikroelektronik, „technologisch souverän“ bleiben. „Das darf nicht als Abschottung oder Autarkie missverstanden werden“, so Weber. „Im Gegenteil, technologisch souverän heißt, die Chancen der globalen Wertschöpfung selbstbestimmt nutzen zu können. Das geht umso besser, je stärker die eigene technologische Stellung ist.“ Ein starker Binnenmarkt sei hierfür entscheidend. Die EU müsse ihn zu ihrem zentralen Wachstumsprojekt machen und kontinuierlich weiterentwickeln, betonte der Geschäftsführungsvorsitzende des ZVEI.
Brexit und Handelskonflikte mit USA belasten Exporte
Des Weiteren bewertete Weber die Situation mit Großbritannien kritisch: „Das Gezerre um den Brexit belastete den Warenaustausch 2020 zusätzlich.“ Seit dem Referendum sei das United Kingdom im Abnehmerranking auf Platz 9 abgerutscht – 2017 rankte das britische Königreich noch auf Platz 4.
Zudem wachse der Export nach China weiterhin (die Volksrepublik verzeichnete 2020 ein Plus von 5,7 %, insgesamt 21 Mrd. Euro an Export), in die USA dagegen sinke er deutlich. Mit der Biden-Administration hofft Weber jedoch, dass sich schwelende Handelskonflikte schnell entschärfen würden. (nu)
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