Digitale oder digital erweiterte Produkte und Services machen aktuell 16 % des Umsatzes deutscher Unternehmen aus. Dieser Anteil steigt bis 2023 auf durchschnittlich 22 % an, bei digitalen Vorreitern im globalen Vergleich sogar auf über 50 %.
Dieses Ergebnis aus der weltweiten „Global Digital Operations Study 2018“ von PwC Strategy&, die soeben in zweiter Auflage erschienen ist, zeigt: Industrie 4.0-Projekte haben bei Produktionsunternehmen Priorität. Allerdings ist der Weg zur vollständigen digitalen Transformation in Deutschland noch weit.
Für die Studie wurden 1155 deutsche und internationale Entscheider aus dem produzierenden Gewerbe befragt. Dabei zeigt sich, dass der Digitalisierungsgrad hiesiger Unternehmen im internationalen Vergleich ausbaufähig ist. Gemessen an der Implementierung neuer Technologien, der Reife digitaler Ökosysteme und der Digitalkultur erreicht lediglich 1 % den Status eines „Digital Operations Champion“, auf globaler Ebene sind es 10 % und in der Region Asien-Pazifik sogar 19 %.
Hohe Effizienzsteigerungen im Fokus
Von den Investitionen in Digitaltechnologien versprechen sich Manager weltweit vor allem höhere Einnahmen und Kosteneinsparungen. Laut der Studie sollen den nächsten fünf Jahren allein auf dem deutschen Markt Umsatzzuwächse in Höhe von rund 276 Mrd. Euro (+16,7 %) sowie Effizienzsteigerungen von circa 186 Mrd. Euro (+13,4 %) möglich sein.
„Digital Champions sind ihrer Konkurrenz einen Schritt voraus“, sagt der Studienautor Dr. Reinhard Geissbauer, Partner bei Strategy& Deutschland. Diese hätten verschiedene Ökosysteme über Unternehmensgrenzen hinaus miteinander verknüpft und verfügten neben digitalen Operations-Prozessen auch über digitale Kundenlösungen. Geissbauer: „Mehr als zwei Drittel von ihnen haben eine klare digitale Vision und Strategie, die sie konsequent verfolgen.“
47 % setzen auf Predictive Maintenance
Deutsche Firmen sind im internationalen Vergleich in einigen Bereichen erst am Anfang, was die Umsetzung neuer Technologien angeht. So haben erst 24 % Robotik-Anwendungen implementiert. Integrierte End-to-End-Supply-Chain-Planung nutzt ein Drittel (37 %), in Amerika und der Region Asien-Pazifik bereits jeweils über die Hälfte. Auf vorausschauende Wartungssysteme (Predictive Maintenance) und das industrielle Internet der Dinge setzen 47 % der Unternehmen. Künstliche Intelligenz ist bei 7 % im Einsatz, während es in Amerika und in Südostasien bereits 12 % bzw. 15 % sind. Allein bei der Implementierung von Fertigungsmanagementsystemen liegt Deutschland (56 %) vor Amerika (45 %) und Asien-Pazifik (48%).
Für die Zukunft setzen viele deutsche Unternehmen (32 %) auf vorausschauende Wartungssysteme und haben in diesem Bereich ein laufendes oder geplantes Projekt. Künstliche Intelligenz wird zwar aktuell eher zurückhaltend eingesetzt, könnte aber die operative Entscheidungsfindung revolutionieren und deren Qualität verbessern. 14 % der Firmen haben daher KI-Projekte pilotiert oder geplant.
Fachkräftemangel bremst die Entwicklung
Die Herausforderung bei der Einführung technologischer Innovationen liegt häufig bei den Mitarbeitern: 41 % der deutschen Manager geben an, dass in ihrer Firma noch die Fähigkeiten fehlen, KI-Lösungen zu implementieren und zu managen. Daher glaubt auch die Hälfte (49 %) der Befragten, dass der Bedarf an Fachkräften mit entsprechenden Kenntnissen in den kommenden fünf Jahren steigt – im globalen Vergleich sind es sogar 58 %.
Die Automatisierung könnte außerdem dazu führen, dass reife Märkte eine Rückverlagerung von Produktionsprozessen erleben. Von den deutschen Befragten geht jedes dritte Unternehmen (67 %) davon aus, dass zukünftig wieder mehr Produkte im eigenen Land produziert werden. Die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands könnte also von stärkerer Automatisierung profitieren, wenn die Herstellungskosten konkurrenzfähig mit der Lohnarbitrage von Billiglohnländern werden und Firmen wieder Vorteile darin sehen, vor Ort oder in der Nähe ihrer Absatzmärkte zu produzieren. Dennoch müsse Deutschland bei Technologieimplementierung, digitalen Ökosystemen und Digitalkultur aufholen, appelliert der Studienschreiber.
Aufbau eigener Digitalkultur erforderlich
„Das Silicon Valley ist in Sachen neue Geschäftsmodelle schon lange an Deutschland vorbeigezogen. Bislang haben deutsche Firmen viele digitale Geschäftsmodelle einfach aus den USA übernommen – für eine wettbewerbsfähige Zukunft muss Deutschland aber am Aufbau einer eigenen Digitalkultur arbeiten“, rät Dr. Peter Gassmann, Chef von Strategy& Europe. „Wir haben eine gute Basis als Industriestandort, deshalb bleibt Industrie 4.0 eine große Chance. Deutschland muss aber schnell einen Gang hochschalten und das Know-how als traditionsreicher Fertigungsstandort in die vernetzte Gegenwart übertragen und entsprechend umsetzen“, beschreibt Gassmann die Dringlichkeit. (dk)
Die Ergebnisse der Studie für Deutschland: www.strategyand.pwc.com/de/industry4-0