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Einsatz bei 800 Grad Celsius

Robotik
Einsatz bei 800 Grad Celsius

Einsatz bei 800 Grad Celsius
Bei der neuartigen Glas-Screening-Anlage übernimmt ein Roboterarm vollautomatisch das Handling der Testschmelzen – hier das Ausgießen der Schmelze in die Probenform (Bild: Knud Dobberke für Fraunhofer ISC)
Modell für Modell rückt die Elektronik im Auto näher an den Motor heran. Die Folge: Materialien müssen immer höheren Temperaturen standhalten. Erstmals wird nun ein Roboter eingesetzt, um neue Werkstoffe zu entwickeln und ihre Eigenschaften zu untersuchen.

Für den Laien ist Glas gleich Glas – egal ob es als Fenster, als Trinkgeschirr oder Linse im Autoscheinwerfer eingesetzt wird. Tatsächlich gibt es sehr unterschiedliche Varianten des durchsichtigen Materials: Gläser können aus 50 bis 60 verschiedenen Elementen bestehen. Experten sind ständig gefordert, um Gläser mit ganz bestimmten Eigenschaften für neue Anwendungen zu kreieren. Beispiel Auto: Die elektronischen Komponenten im Motorraum werden immer näher am Motor angebracht und müssen somit zunehmend Hitze und korrosive Gase aushalten. Das gilt auch für den Kleber, einen Glaslot. Bei der Entwicklung von Brennstoffzellen ist der Bedarf an neuen Gläsern ebenfalls groß: Verwendet man neue Metalle, gilt es auch das Glaslot anzupassen. Zudem muss das Glas über einen Zeitraum von etwa 100.000 Stunden Temperaturen von 900 Grad Celsius unbeschadet überstehen.

Um Gläser mit neuen Eigenschaften zu entwickeln, wählen Experten aus den möglichen Inhaltstoffen etwa zehn aus und mischen sie. Das Pulver erhitzen sie in einem Ofen bis es weich wird, geben es dann in eine Form und lassen es langsam und kontrolliert bis auf Raumtemperatur abkühlen. Währenddessen entnehmen sie Proben, um diese zu untersuchen: Wie zähflüssig ist es? Wie gut benetzt es Metalle? Wie kristallisiert es aus? Die Gläser per Hand herzustellen und zu untersuchen, ist zeitaufwändig: Für 16 Proben benötigt ein Mitarbeiter etwa zwei Wochen.
Forscher am Fraunhofer-Institut für Silicatforschung (ISC) in Würzburg haben nun eine Anlage entwickelt, die all diese Schritte automatisch durchführt. „Die Anlage braucht für 16 Proben lediglich 24 Stunden“, sagt Dr. Martin Kilo, Leiter des Kompetenzbereichs Glas und Hochtemperaturwerkstoffe am ISC. Daher könne man Gläser um bis zu 50 Prozent kostengünstiger entwickeln als bisher.
Kernstück der Anlage ist ein Roboter: Er stellt einen Mischbecher auf eine Waage und fährt diese unter 14 Vorratsbehälter, aus denen jeweils eine bestimmte Menge Pulver in den Becher eingefüllt wird. Anschließend mischt der Roboter die einzelnen Zutaten, indem er den Becher verschließt und ihn schüttelt wie ein Barmixer den Cocktailshaker. Nun greift der Arm einen Tiegel, stellt ihn auf die Waage, gibt eine bestimmte Menge des gemischten Pulvers hinein und stellt den Behälter in einen der insgesamt fünf Öfen. Diesen Schritt wiederholt er einige Male, da beim Erwärmen des Pulvers Gas entsteht, das Schaum bilden könnte. Zudem schrumpft das Pulver beim Aufschmelzen. Zum Schluss erhitzt der Ofen den vollständig gefüllten Tiegel auf eine höhere Temperatur, damit die Gasblasen im Glas aufsteigen. Ist das Glas zähflüssig, nimmt der Greifarm den Tiegel heraus, füllt das Glas in eine Form und stellt diese in einen Entspannungsofen. Hier erkaltet das Glas langsam und kontrolliert von 600 bis 800 Grad Celsius auf Raumtemperatur.
Ein weiteres zentrales Element der Anlage ist die Charakterisierungseinheit: Sie erfolgt nach dem thermooptischen Messprinzip. Dabei wird durch zwei Messfenster der Schattenwurf der Probe im Gegenlicht von einer CCD-Kamera aufgezeichnet. Aus den Konturänderungen lassen sich thermische Eigenschaften wie Probenvolumen, Halbkugelpunkt und Benetzungswinkel bestimmen. Diese Untersuchungseinheit misst, wie zähflüssig die Schmelze ist, ob und wie sie auskristallisiert und Metalle benetzt. Sie kann unabhängig von der Glas-Screening-Anlage eingesetzt werden. Auch die Fähigkeit des Glases, Wärme zu leiten, ermittelt und dokumentiert die Anlage.
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